Beitrag in Jahrbuch 2013

Traktoren Fahrdynamik - Fahrsicherheit - Fahrerplatz

Kurzfassung:

Technische Lösungen zur Verminderung von Vibrationsbelastungen werden von den Her-stellern zunehmend eingesetzt. Vor allem die Möglichkeiten geregelter Systeme werden vermehrt genutzt. Neben geregelten Sitzfederungen sind geregelte Kabinenfederungen bei Traktoren inzwischen auf Wunsch lieferbar. Ziel dieser Systeme ist es Gesundheitsgefahren zu vermindern und dabei die mögliche Einsatzzeit die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen durch Vibrationen limitiert ist zu erhöhen.

Volltext

Fahrdynamik - Fahrsicherheit - Fahrerplatz

Jan Krüger und Henning Jürgen Meyer

Fachgebiet Konstruktion von Maschinensystemen, Technische Universität Berlin

Kurzfassung

Technische Lösungen zur Verminderung von Vibrationsbelastungen werden von den Her-stellern zunehmend eingesetzt. Vor allem die Möglichkeiten geregelter Systeme werden vermehrt genutzt. Neben geregelten Sitzfederungen sind geregelte Kabinenfederungen bei Traktoren inzwischen auf Wunsch lieferbar. Ziel dieser Systeme ist es Gesundheitsgefahren zu vermindern und dabei die mögliche Einsatzzeit die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen durch Vibrationen limitiert ist zu erhöhen.

Schlüsselwörter

Fahrsicherheit, Fahrwerk, Sicherheitssystem, Traktor, Fahrersitz, Fahrzeugkabine

Ride Dynamics Ride Safety - Driver's Place

Jan Krueger and Henning Jürgen Meyer

Technische Universität Berlin, Machinery system design group

Abstract

Technical solutions to reduce vibrations are more and more implemented by the manufacturers. Mainly actively controlled systems are being used increasingly. Next to controlled seat suspensions the manufacturers offer controlled cabin suspension systems. The goal of these systems is to reduce health risks while increasing operational times, which are limited by regulations, regarding the maximal exposition time to vibrations.

Keywords

ride safety, suspension, safety system, farm tractor, driver's seat, vehicle cab

Fahrkomfort

Aus dem Gesundheitsreport 2013 des Dachverbands der Betriebskrankenkassen geht hervor, dass auch im letzten Jahr die Hauptursache für Ausfalltage von Arbeitnehmern auf Muskel- und Skeletterkrankungen zurückzuführen ist. Insgesamt sind diese laut dem Bericht für über ein Viertel der Ausfalltage verantwortlich, wobei vor allem Krankheiten an Rücken und Wirbelsäule als Ursache genannt werden. Neben vielen anderen Faktoren sind diese Erkrankungen auch eine Folge von Ganzkörpervibrationen [1]. Vor diesem Hintergrund sind die kontinuierlichen Bestrebungen der Forschung, sowie der Hersteller, die gesundheits-schädlichen und komfortrelevanten Schwingungen durch verbesserte Federungen des Sitzes, der Kabine sowie des gesamten Fahrzeuges weiter zu senken, umso wichtiger.

Sitzfederung

Książek stellt ein Verfahren zur Entwicklung einer optimalen Sitzfederung vor bei dem auch die Einflüsse des Fahrers durch ein biomechanisches Model des menschlichen Körpers berücksichtigt werden [2]. Dabei fließt die Bewertung der Beschleunigung abhängig von ihrer Frequenz in die Berechnungen mit ein [3].

Während die in aktuellen Traktoren eingesetzten geregelten Sitze in der Regel nur die vertikalen Bewegungen aktiv beeinflussen, stellt Kieneke einen Sitz vor, welcher auch laterale Schwingungen durch den Einsatz elektrischer Linearmotoren reduziert [4]. Im Durchschnitt wurde so eine Steigerung der möglichen Expositionsdauer, d.h. der Zeit, die eine Person nach der Richtlinie 2002/44/EG [5] ohne Gesundheitsgefährdung einer bestimmten Vibrationsbelastung ausgesetzt sein darf, um den Faktor 1,93 erreicht.

Eine weitere Studie untersucht die Wirkung von Schwingsitzen in Transportern [6]. Der Vergleich von ungefederten mit passiv gefederten Sitzen zeigt ein Potenzial zur Reduzierung von Ganzkörpervibrationen von 5 % - 25 % bei den passiv gefederten Sitzen.

Kabinenfederung

Getrieben durch die Veröffentlichung der EU-Richtlinie [5] im Jahr 2002 und deren Um-setzung in nationales Recht durch die "Lärm und Vibrationsschutzverordnung" im März 2007 [7] bieten die Hersteller inzwischen technisch anspruchsvolle Systeme an, die zur Einhaltung der geforderten Grenzwerte beitragen.

Zu beobachten ist, dass neben der Einführung von geregelten Sitzfederungen, sowie passiven Kabinenfederungen zunehmend auch geregelte Systeme im Bereich der Kabinen¬federung eingesetzt werden. Waren vor vier Jahren die neu entwickelten geregelten Kabinenfederungen für einen Test der Zeitschrift Profi noch nicht verfügbar [8], bieten heute einige Hersteller diese bereits für ihre Schlepper an. Hierbei ist kein klarer Trend zu einem speziellen Wirkprinzip hinsichtlich der Schwingungsbeeinflussung erkennbar. Die Hersteller setzen auf unterschiedliche technische Lösungen. Während Claas mit seinem System "Z-Activ" die Dämpfungsveränderung über magnetorheologische Flüssigkeiten realisiert, bei denen die Viskosität und somit die Dämpfkraft durch ein Magnetfeld beeinflusst werden kann, verwenden die Lösungen von John Deere ("HCS+") und Massey Ferguson ("Optiride" mit Komponenten von Hydac) ein hydropneumatisches System. Die geregelte Kabinen¬federung "AutoComfort" von Valtra baut auf Komponenten von ZF-Sachs auf und setzt eine Luftfederung sowie einen hydraulischen Dämpfer mit Drosselventil ein [9]. Entwicklungs-bedarf besteht laut Wilmer vor allem im Zusammenspiel der verschiedenen Federungs-systeme wie Achs-, Kabinen- und Sitzfederung [9].

Das erwähnte System "HCS+" von John Deere wird von v. Holst genauer beschrieben [10]. Über ein 2/2 Proportionalwegeventil, welches zwischen kolben- und ringseitigem Hydraulik-speicher verbaut ist, kann gleichzeitig die Dämpfung als auch die Federsteifigkeit beeinflusst werden (siehe Bild 1).

Bild 1: Prinzip der hydraulischen Schaltung der HCS+. Simulierte Hysterese des Kraft-Weg Verlaufes bei vollständig geschlossenem und vollständig geöffnetem Regelventil [10]

Figure 1: Hydraulic configuration of the HCS+. Simulated hysteresis of force-displacement characteristics of fully opened and fully closed valve [10]

Das System stützt sich hauptsächlich auf bereits im CAN-Bus vorhandene Signale um beispielsweise dem Bremsnicken bei einer Bremsung entgegenzuwirken. Die zulässige Expositionsdauer nach [5] ließ sich in Tests vor allem für Geschwindigkeiten über 20 km/h um mehrere Stunden erhöhen. Über eine manuelle Einstellung kann der Fahrer die Dämpfungs- und Federkraft auf einen großen Wert einstellen, um beispielsweise im Frontladerbetrieb ein Nicken zu unterbinden.

Die im Nutzfahrzeugbereich verbreiteten pneumatisch gefederten Fahrerhäuser werden von Graf et al. untersucht [11]. Während die momentan verwendeten Lösungen die Schwin-gungen in den Freiheitsgraden Heben, Wanken und Nicken unter Normalbedingungen gut reduzieren können, sorgen Extrembedingungen wie beispielsweise starke Bremsungen oder Anfahren am Berg dafür, dass die Federung die Endanschläge berührt. Hierbei entstehen unerwünschte Belastungen für die Insassen. Da über herkömmliche Luftfedern in dieser Situation keine Zugkräfte aufgebracht werden können, verwenden Graf et al. sogenannte pneumatische Muskeln, welche zusätzlich zu den Luftfedern verbaut werden. Über diese werden mithilfe einer Kraftregelung die Nickbeschleunigungen beim Abbremsen, die durch die Berührung der Endanschläge auftreten, reduziert.

Fahrwerk / Achsfederung

Die Firma ARGO-HYTOS entwickelt ein Modulsystem für hydropneumatische Federungen. Hierdurch soll es auch für Modelle bzw. Hersteller mit kleineren Stückzahlen möglich gemacht werden, die Vorteile dieser Federungen zu nutzen. Ziel ist es, das System an kundenspezifische Anforderungen anzupassen und so je nach Bedarf beispielsweise einfach- oder doppeltwirkende bzw. konstant oder variabel vorgespannte Federungen anzubieten [12].

Das von Wöhrmann et al. vorgeschlagene System zur Federung schwerer Nutzfahrzeuge basiert ebenfalls auf der Hydropneumatik [13]. Im Gegensatz zu den meisten Systemen wird hier vollständig auf elektrische Sensoren verzichtet. Eine Kontrolle der Dämpfung findet über eine hydraulische Regelung mit Hilfe eines Steuerkolbens statt. Dieser vergleicht die dynamisch anliegenden Radlasten mit den statischen und verstellt entsprechend die Dämpfung.

Da auch die Reifen unabhängig davon, ob eine zusätzliche Federung vorhanden ist oder nicht, einen starken Einfluss auf Fahrkomfort und Fahrsicherheit haben, sind auch diese weiterhin Gegenstand der Forschung und Entwicklung. Neben zahlreichen Untersuchungen zum Einfluss der Fahrgeschwindigkeit, sowie des Reifendrucks auf die Ganzkörpervibra-tionen des Fahrers in der Vergangenheit untersucht Cuong die Wirkung verschiedener Bodenfeuchten auf die Sitzbeschleunigungen [14]. In [15] wird von Schloetmann ein vollauto-matischer Reifendruckregler vorgestellt. Hierzu wird die Achslast über einen Dehnmess-streifensensor ständig gemessen. Zusätzlich fließt im Gegensatz zu den herkömmlichen Systemen die Fahrgeschwindigkeit in die Bestimmung des Reifendrucks ein und stellt so selbstständig zwischen Acker- und Straßenmodus um.

Zur Vorhersage von Kräften die beim Einsatz von Anbaugeräten auftreten stellt Schimpl ein Mehrkörpermodell vor [16]. Das Model beinhaltet Teilmodelle für Reifen, Achs-, Kabinen- und Sitzfederung sowie ein Fahrermodell. Ziel ist es eine Aussage über auftretende Beanspruchungen zu gewinnen.

Fahrsicherheit - Fahrdynamik

Im Bereich der Fahrsicherheit wurden auf der Agritechnica 2013 einige Neuheiten präsentiert. Same Deutz-Fahr stellte dort eine technische Lösung vor, die zusätzlich zur Motorbremse ein Bremsmoment erzeugen kann, ohne die Fahrzeugbremse einsetzten zu müssen [17]. Die Bremswirkung wird hierbei über eine Drossel in der Arbeitshydraulik erzielt. Wird das Bremsmoment benötigt, wird der Ölstrom über diese Drossel geführt und erzeugt so eine Bremsleistung. Die Wärme wird durch einen Lüfter abgeführt, der sich über eine Viscokupplung automatisch zuschaltet.

Claas zeigte ein zwangsgelenktes Achssystem für Anhänger [18]. Bisherige Systeme stellten hierbei einen Kompromiss dar. Während bei hohen Geschwindigkeiten ein geringer Lenkeinschlag günstig für die Stabilität des Gespanns ist, sollte bei geringen Geschwindig-keiten die Zwangslenkung stärker arbeiten um die Wendigkeit zu erhöhen. Das System von Claas stellt die Unterstützung automatisch nach Fahrsituation ein. Zusätzlich wird der Fahrer bei enger Kurvenfahrt durch ein akustisches Signal gewarnt, um eine Kollision zwischen Schlepper und Anhängerdeichsel zu vermeiden.

Die Unfälle die beim Auf- und Absteigen eines Traktors entstehen untersucht Quendler [19]. Es wird festgestellt, dass in den Jahren 2005 bis 2008 nahezu die Hälfte (48 %) aller mittleren, schweren und tödlichen Traktorunfälle in Bayern auf das Ein- oder Aussteigen zurückzuführen sind. Es werden Vorschläge gemacht, wie diese Unfälle zukünftig vermieden werden können.

Im Hinblick auf eine verbessere Traktion von Traktoren schlägt Osinenko ein neues Verfahren zu Echtzeiterkennung von Traktionsparametern vor [20]. Bisherige Algorithmen nutzen in der Regel einen festen Wert für den Schlupf als Referenz. In einigen Fällen kann dies dazu führen, dass der Traktor nicht den optimal möglichen Anteil der Motorleistung in Zugkraft umsetzt. Bild 2 zeigt die Faktoren, welche die Zugkraft beeinflussen.

Bild 2: Zugkraftbeinflussende Faktoren [20]

Figure 2: Factors influencing draft force [20]

Durch Identifikation dieser beeinflussenden Parameter wie Triebkraftbeiwert sowie Rollwider-stand während der Fahrt kann das Zugkraftverhalten verbessert werden.

Mit Hilfe einer neuen Kennzahl zur Beschreibung der Mobilität von Fahrzeugen, welche Hegazy und Sandu einführen, kann in Abhängigkeit von geometrischen und physikalischen Radparametern sowie der Bodenbeschaffenheit eine Aussage zur Traktion von Fahrzeug-reifen gemacht werden [21]. Traktion und Radschlupf stehen ebenfalls im Fokus der Untersuchungen von Patterson et al. [22]. Am Beispiel eines Radladers werden die gegenseitige Beeinflussung des Traktionsregelsystems und eines Allradantriebsstrangs mit Sperrdifferentialen untersucht. Ein verbessertes Simulationsmodell zur Abbildung der Reifeneigenschaften stellt Witzel vor [23]. Dieses ermöglicht eine bessere Vorhersage der Scherkraftverteilung sowie des Zusammenspiels zwischen Reifen und kleinen Hindernissen.

Xu zeigt eine Methode, wie mit einem Fahrwerk mit variabler Federsteifigkeit und Dämpfung die Fahrsicherheit besonders bei plötzlichen Ausweichmanövern verbessert werden kann [24]. Die Regelung des Giermoments, bei der durch zusätzliche Radmomente an einzelnen Rädern einem Über- oder Untersteuern des Fahrzeugs entgegengewirkt werden soll, wird mit der Regelung von Federsteifigkeit und Dämpfung verbunden. Hiermit können über eine verbesserte Radaufstandskraft an allen Rädern die giermomentkorrigierenden Radmomente optimal eingesetzt werden.

Zusammenfassung

Der Fahrkomfort bei Traktoren als universell einsetzbare Arbeitsmaschine steht weiterhin im Fokus der Forschung sowie neuer Entwicklungen. In den letzten Jahren haben geregelte Federungssysteme auch im Bereich der Kabinenfederung Einzug gehalten, sind jedoch noch keine Standardausstattung. Es ist zu erwarten, dass durch die gesetzlichen Rahmen-bedingungen zunehmend aufwändigere Lösungen eingesetzt werden. Dies verbessert gleichzeitig die Arbeitsbedingungen für den Fahrer und ermöglicht längere Einsatzzeiten.

Empfohlene Zitierweise:
Krüger, Jan; Meyer, Henning: Fahrdynamik - Fahrsicherheit - Fahrerplatz. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2013. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2014. – S. 1-8

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