Beitrag in Jahrbuch 2013

Energietechnik (Alternative Energien) Energietechnik (Alternative Energien)

Kurzfassung:

Agrarische Roh- und Reststoffe können zur Bereitstellung von Biotreibstoffen für mobile An-wendungen (z.B.: Biodiesel, Biomethan, Bioethanol, …), von Strom und Wärme (z.B.: über Biogasproduktion mit anschließender Verstromung) sowie von Wärme (über Verbrennung) eingesetzt werden. Alternativ kann der Anbau von Feldfrüchten unter Photovoltaikpaneelen erfolgen, welcher eine Mehrfachnutzung des Bodens ermöglicht und zur Entschärfung der Flächenkonkurrenz beiträgt. Die Strategien einer stofflichen und energetischen Nutzung von Ackerfrüchten als Substitut fossiler Rohstoffe stehen teilweise in Konkurrenz zur Lebensmit-telproduktion. In eine nachhaltige Nutzungsstrategie müssen die Biomassepotentiale in Pro-duktionssystemen mit dem Ziel der Erfüllung der 4F (Food, Feed, Fiber and Fuels) genutzt werden.

Volltext

Energietechnik (Alternative Energien)

Andreas Gronauer, Florian Zerobin, Tobias Pröll, Christoph Pfeifer, Christian Aschauer, Gerhard Moitzi, Alexander Bauer

BOKU Wien

Kurzfassung

Agrarische Roh- und Reststoffe können zur Bereitstellung von Biotreibstoffen für mobile An-wendungen (z.B.: Biodiesel, Biomethan, Bioethanol, …), von Strom und Wärme (z.B.: über Biogasproduktion mit anschließender Verstromung) sowie von Wärme (über Verbrennung) eingesetzt werden. Alternativ kann der Anbau von Feldfrüchten unter Photovoltaikpaneelen erfolgen, welcher eine Mehrfachnutzung des Bodens ermöglicht und zur Entschärfung der Flächenkonkurrenz beiträgt. Die Strategien einer stofflichen und energetischen Nutzung von Ackerfrüchten als Substitut fossiler Rohstoffe stehen teilweise in Konkurrenz zur Lebensmit-telproduktion. In eine nachhaltige Nutzungsstrategie müssen die Biomassepotentiale in Pro-duktionssystemen mit dem Ziel der Erfüllung der 4F (Food, Feed, Fiber and Fuels) genutzt werden.

Schlüsselwörter

Verbrennung, hydrothermale Karbonisierung, Biotreibstoffe, Torrefizierung, Agrivoltaik, Trocknung, Effizienzsteigerung, Brennwerttechnologie, Ascheschmelzverhalten

Energy management (Renewable Energy)

Andreas Gronauer, Florian Zerobin, Tobias Pröll, Christoph Pfeifer, Christian Aschauer, Gerhard Moitzi, Alexander Bauer

BOKU Wien

Abstract

Agricultural raw and waste materials can be used to produce biofuels for transport (e.g. bio-diesel, biomethane, bioethanol, etc.), as well as electricity and heat (e.g. from biogas produc-tion with subsequent combustion in a gas engine, heat from incineration). Alternatively, culti-vating crops under photovoltaic panels allows shared usage of soil and eases land use com-petition. Substituting fossil resources with the material and energetic utilization of crops cannot be achieved without competing with food production. A sustainable utilization strategy must implement the biomass potentials with the goal of fulfilling the 4Fs (food, feed, fiber and fuels).

Keywords

Combustion, hydrothermal carbonisation, biofuels, torrefaction, agrivoltaic, drying, efficiency increase, condensing boiler technology, ash melting

Einleitung

Europa steht vor der großen Herausforderung, eine leistungsfähige, klimaschonende und importunabhängige Energieversorgung aufzubauen. Die Nutzung von Energiepflanzen zur Energieproduktion steht jedoch in direkter Konkurrenz zur menschlichen Ernährung, was Einflüsse auf die Preisentwicklung und die Versorgungssicherheit von Lebensmitteln nach sich zieht. Der FAO Food Price Index von international gehandelten Lebensmitteln ist von 97,7 Punkten im Jahr 2003 auf ein Maximum von 230,1 Punkten im Jahr 2011 gestiegen und lag zuletzt im Oktober 2013 bei 205,8 Punkten [1]. Diese Entwicklung entspricht mehr als einer Verdoppelung des FAO Food Price Index innerhalb von 10 Jahren. Der starke Anstieg liegt nicht nur an der Energieproduktion aus Biomasse sondern an anderen Faktoren, zu denen nach Mitchell, FAO und Glaser Missernten, Spekulationen an den internationalen Börsen, eine steigende Nachfrage nach Getreide und Ölsaaten in verschieden asiatischen Staaten, ein Anstieg der Produktionskosten und eine Zunahme der Produktion von Biotreib-stoffen auf Basis von Energiepflanzen zählen [2 bis 4].

Die Erzeugung von Biotreibstoffen und Bioenergie aus agrarischen Roh- und Reststoffen sowie kommunalen Nebenprodukten und Abfällen umfasst eine umfangreiche Produktions-kette, beginnend bei agrarischer Biomasse mit dem Pflanzenbau, über die Ernte bis hin zur Konservierung. Die Techniken hierfür sind beim Einsatz von klassischen Energiepflanzen ausgereift und in der Praxis vielfach bewährt. Biotreibstoffe und Bioenergie können aus ver-schiedensten Einsatzstoffen gewonnen werden, wobei die Palette an potentiellen Substraten von einjährigen Ackerpflanzen (Mais, Cerealien, Zwischenfrüchte) über landwirtschaftliche Abfallprodukte (z.B. Wirtschaftsdünger und Stroh) bis zur Verwertung kommunaler und in-dustrieller Abfälle reicht. Die zuvor angesprochenen Nutzungskonflikte zwischen der Erzeu-gung von Lebens- und Futtermitteln und der Gewinnung von Rohstoffen, Biotreibstoffen so-wie Bioenergie können nur durch die Nutzung von agrarischen und kommunalen Nebenpro-dukten minimiert werden. Eine Vielzahl an Technologien trägt in unterschiedlicher Weise zu einer nachhaltigen Stoff- und Energienutzung bei.

Verschiedene Technologien stehen für die Nutzung Biomasse zu Verfügung. Eine erste Möglichkeit ist die Umwandlung von Biomasse über thermo-chemische Verfahren zu Syn-thesegas, welches direkt verstromt werden kann oder über Syntheseprozesse verschiedenste Biotreibstoffe hergestellt werden können. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit stellt die mik-robielle Umwandlung in verschiedenste Energieträgern, wobei in der Praxis die Biogasher-stellung eine dominante Rolle einnimmt. Eine dritte Möglichkeit besteht in einer thermischen Verwertung der Biomasse durch die klassische Verbrennung der Rohstoffe oder aber durch die Verbrennung von feuchter Biomasse nach Aufbereitung mittels hydrothermaler Karboni-sierung. Auch eine direkte Nutzung der in der Biomasse gespeicherten Sonnenenergie über die Herstellung von Elektrizität und thermischer Energie in der Landwirtschaft ist denkbar, muss jedoch in die bestehenden Systeme integriert werden.

Der Einsatz biogener Brennstoffe für die Energiebereitstellung ermöglicht eine Reduktion von Treibhausgasemissionen sowie verbleibende Wertschöpfung in der Region und eine Minde-rung der Importabhängigkeit von Energie. Durch die forcierte Nutzung von Holz kann es re-gional zu Verknappungen dieser Ressource und damit einhergehend zu steigenden Brenn-stoffkosten kommen. Einen Beitrag zur Entspannung dieser Situation können alternative, biogene Festbrennstoffe leisten [5].

Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien

Thermo-chemische Umwandlungstechnologien zur Herstellung von Biokraftstoffen der zwei-ten Generation

Unter Biokraftstoffen werden hochwertige Energieträger (z.B.: Biodiesel, Bio-Ethanol, Bio-SNG - etc.) für den mobilen Einsatz verstanden, die auf Biomasse als Primärrohstoff zu-rückgehen. Es wird zwischen Biotreibstoffen der ersten Generation und der zweiten Genera-tion unterschieden. Bei ersteren handelt es sich um flüssige Kraftstoffe (Biodiesel, Bio-Ethanol, aus landwirtschaftlichen Produkten und bei zweiteren um Energieträger, die auf Biomasse aus extensiver Landnutzung bzw. auf Reststoffen basieren. Biotreibstoffen der zweiten Generation wird ein großes Potential aufgrund des spezifisch geringeren Aufwandes zur Erzeugung der Einsatzstoffe und einem wesentlich höheren Umwandlungswirkungsgrad bescheinigt [6].

In den vergangenen Jahrzehnten wurden Prozesse zur Umwandlung von Biomasse in Syn-thesegas (i.w. Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid) mittels thermo-chemischen Umwand-lungstechnologien, insbesondere von thermischer Vergasung, intensiv beforscht [7]. Aus diesem Synthesegas lassen sich beinahe beliebige Chemikalien und Kraftstoffe herstellen: Fischer-Tropsch Diesel, Ottokraftstoffe, Wasserstoff, SNG, Methanol, Ethanol, Dimethyl-ether, Kerosin, etc. [8]. Im Folgenden werden aktuelle Anwendungen für den agrarischen Bereich herausgegriffen.

Am Karlsruher Institut für Technologie wird das sogenannte bioliq-Verfahren entwickelt, wel-ches auf der Umwandlung von regional in großen Mengen anfallender Restbiomasse durch dezentrale Schnellpyrolyse und zentraler Verarbeitung der Pyrolyseöle und des Pyrolysekoks basiert [9]. Diese Rohprodukte werden in einem Flugstromvergaser bei über 1200°C zu einem teerfreien, methanarmen Rohsynthesegas umgesetzt, gereinigt und anschließend zu flüssigen Treibstoffen synthetisiert [10].

Im sogenannten BioTfueL Projekt werden Stroh, Forstabfälle und Getreide nach einer Torre-fizierung (siehe Abschnitt Verbrennung) einer Kohlevergasung zugeführt und anschließend zu Biodiesel der 2. Generation oder Jetfuel (z.B.: Kerosin) synthetisiert [11]. Das Konsortium besteht aus: Axens, CEA (French Alternative Energies and Atomic Energy Commission), IFPEN, Sofiprotéol, ThyssenKrupp Uhde und Total [12].

In Güssing, Österreich ist rund um das Biomassekraftwerk, basierend auf Zweibett-Wirbelschicht-Dampfvergasung [13], eine Plattform zur Synthese von Biokraftstoffen (SNG, Mixed Alcohols, Fischer-Tropsch Diesel) entstanden [8]. 1MW BioSNG wird aus einem Teil-strom des erzeugten Produktgases hergestellt und über eine Erdgas-Tankstelle bereitgestellt [14]. Die Produktion von Fischer-Tropsch Diesel und Mixed Alcohols befinden sich derzeit im Pilotmaßstab.

In Göteborg, Schweden wurde im Jahr 2013 im Rahmen des Projektes GoBiGas eine De-monstrationsanlage zur Produktion von 20MW BioSNG aus Waldhackgut sowie Forstrück-ständen in Betrieb genommen. Als Technologie kommt ebenfalls eine Zweibett-Wirbelschicht-Dampfvergasung mit nachgeschalteter Methanierung im Festbett (bereitgestellt von Haldor-Topsoe) zum Einsatz. Das Gas wird als Treibstoff sowie für industrielle Anwendungen verwendet [15].

Nutzung agrarischer Reststoffe zur Biogasherstellung

Beim Einsatz landwirtschaftlicher Reststoffe in einer Biogasanlage liegt die große Herausfor-derung in einer effizienten Nutzung der Materialien. Durch die vermehrte Nutzung landwirt-schaftlicher Reststoffe ist eine effiziente Vorbehandlungstechnologie in den vergangenen Jahren immer mehr zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. Prinzipiell kann Biomasse in chemischen, enzymatisch/biologischen oder physikalischen Verfahren vorbehandelt werden. Zu den physikalischen Vorbehandlungsmethoden zählen unter ande-rem die mechanische Zerkleinerung sowie die Veränderung von Druck und Temperatur. Ers-teres ist in der Praxis schon etabliert, allerdings stammen die verwendeten Geräte aus ver-schiedenen industriellen Anwendungsbereichen, sodass der Einsatz noch nicht uneinge-schränkt möglich ist. Ein weiteres, Vorbehandlungsverfahren ist ein thermisch-physikalisches Verfahren, welches den Einsatz agrarischen Reststoffen sowie organische Abfallstoffe aus Kommunen und Industrie in Biogasanlagen ermöglicht [16 bis 19].

Der Einsatz von agrarischen Reststoffen erfordert eine Anpassung der Lagersysteme. Die klassischen Konservierungsverfahren können für manche Biomassen nur eingeschränkt verwendet werden, vor allem wenn die Biomasse für eine Silierung zu trocken und für eine trockene Lagerung jedoch noch zu feucht ist. Der Silierverlauf mit Strohanteilen ist derzeit jedoch noch nicht vollständig untersucht und bedarf weiterer Forschung [20]. Bei Nutzung von agrarischen Reststoffen muss ein besonderes Augenmerk auf die Humusbilanz der An-bauflächen gelegt werden. Durch die vollständige Nutzung der Biomasse kann es zu einem negativen Humussaldo kommen, vor allem dann, wenn Gärreste nicht mehr rückgeführt wer-den. Aktuelle Untersuchungen wurden dazu von Möller et al. und Reinhold gemacht [21 bis 24]. Möller zeigt jedoch auf, dass sich die Humusbilanz von Gärresten, welche fermentierte Gülle, Ernterückstände und Zwischenfrüchte beinhalten, nicht von Stallmist unterscheidet [21]. Der Grund dafür liegt darin, dass bei Stallmist während der Rotte C-Verluste entstehen und während der Fermentation ein Teil des C gezielt zur Energieerzeugung verbraucht wird. Sowohl Möller als auch Reinhold betonen die Wichtigkeit der Ausbringung der Gärreste auf die landwirtschaftlichen Flächen [21; 23].

Verbrennung agrarischer Roh- und Reststoffe

Ein Ansatzpunkt ist der Einsatz von agrarischen Brennstoffen in pelletierter Form für den Einsatz in Biomassekleinfeuerungen. Die eingesetzten Materialien (z.B.: Miscanthus, Stroh, Mais, Heu, etc.) weisen folgende Eigenschaften auf: erhöhter Aschegehalt im Vergleich zu Holz (10-20 fach) und dadurch verringerter Ascheerweichungspunkt (300-600°C niedriger), erhöhte Konzentrationen an Schadstoffen (Schwefel, Chlor, Alkalimetallen, etc.) und generell starke Schwankungen bei den Brennstoffeigenschaften [25]. Dadurch ergeben sich besonde-re Herausforderungen an die Feuerungstechnik denen mit folgenden Maßnahmen begegnet werden kann: bewegte Rostsysteme, aktiver Ascheaustrag, Sekundärmaßnahmen zur Emis-sionsreduktion und Einsatz von korrosionsbeständigen Materialien [26]. Es zeigen sich jedoch ökonomische und ökologische Vorteile durch den Einsatz von agrarischen Brennstoffen bei Feuerungen in kleinen und mittleren Leistungsbereichen [5].

Eine alternative Nutzungsmöglichkeit agrarischer Roh- und Reststoffe ist die Torrefizierung von Biomasse. Unter Torrefizierung versteht man eine milde Pyrolyse unter Sauerstoffaus-schluss bei Temperaturen zwischen 200 und 300°C mit geringen Aufheizgeschwindigkeiten (

Empfohlene Zitierweise:
Gronauer, Andreas; Zerobin, Florian; Pröll, Tobias; Pfeifer, Christoph; Aschauer, Christian; Moitzi, Gerhard; Bauer, Alexander: Energietechnik (Alternative Energien). In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2013. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2014. – S. 1-15

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