Beitrag in Jahrbuch 2022
Geschichte Über die Anfänge des Fördervereins Deutsches Landwirtschaftsmuseum Hohenheim
Geschichte
Weltmeisterschaft im Pflügen 1958
Oft braucht es außergewöhnliche Ereignisse, um Synergien zu generieren, die dann Neues erschaffen. So auch bei der Gründung des Deutschen Landwirtschaftsmuseums und seines Fördervereins, der im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Bestehen feierte. Die Idee, an der damaligen Hohenheimer Hochschule ein Landwirtschaftsmuseum einzurichten, entstand anlässlich der 6. Weltmeisterschaft im Pflügen, ausgetragen auf dem Gelände der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim im Oktober 1958. Parallel zu diesem Großereignis, zu dem fast 100.000 Besucher kamen, richtete die Hochschule eine Sonderausstellung zu verschiedenen Aspekten des Pflügens aus (Bild 1). Im Zentrum dieser Pflugschau wurden 150 historische Pflüge – 30 davon in Originalgröße, der Rest im Modell – präsentiert. Fast alle historischen Exponate stammten aus der berühmten Hohenheimer Modellsammlung [1]. Rund 12 000 Besucher zählte die Pflugschau. Die informative Aufbereitung des Themas wurde vielfach gewürdigt und erregte auch international Aufmerksamkeit. Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, diese Pflugschau zusammen mit der Hohenheimer Modellsammlung als Dauerpräsentation in einem eigenen Museum auszurichten.
Bild 1: Historische Abteilung der Pflugschau anlässlich der 6. Weltmeisterschaft im Pflügen 1958 in Hohenheim [2]
Figure 1: Historical section of the plow show on the occasion of the 6th World Plowing Championship 1958 in Hohenheim [2]
1966 wurde dieses Vorhaben in bescheidenem Umfang umgesetzt: In der neu errichteten Maschinenhalle des Instituts für Agrartechnik erhielt das nunmehr provisorisch ins Leben gerufene „Museum“ einen Ausstellungsbereich sowie zwei Magazinräume. Hier konnten u.a. die historischen Geräte aus der Pflugsammlung an regelmäßigen Terminen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dieses Museum war damals noch dem Institut für Agrargeschichte unterstellt. Der rührige, wenn auch nicht unumstrittene, Geschichtsprofessor und spätere Rektor Günther Franz war in dieser Zeit Lehrstuhlinhaber und förderte das Vorhaben mit allen Kräften. Ein weiterer Unterstützer für das Museumprojekt war der hoch angesehene Professor für Agrartechnik und Institutsleiter Georg Segler (Anm.: 1958 Mitbegründer der Fachgruppe Landtechnik des VDI), der durch den Erwerb interessanter Exponate zur Erweiterung der Sammlung wesentlich beitrug. Wenn die personelle, räumliche und finanzielle Ausstattung des Museums damals auch bescheiden war, an der wissenschaftlichen Schlagkraft fehlte es nicht, als 1967, mit großer Akribie zusammengestellt, ein umfassender Katalog zur historischen Pflugsammlung veröffentlicht wurde [3].
Im gleichen Jahr wurde das Vorhaben zur offiziellen Gründung eines Hohenheimer Landwirtschaftsmuseums dann konkret, nachdem der Große Senat den Beschluss fasste, dass dessen Errichtung ein besonders dringliches Anliegen sei. Ebenfalls 1967 wurde die Planstelle eines wissenschaftlichen Rates bewilligt, der dem Museum vorstehen sollte. Zum 150sten Gründungsjubiläum im Jahre 1968 der nunmehr zur Universität erhobenen Agrarhochschule Hohenheim präsentiere das Landwirtschaftsmuseum eine Sonderausstellung zur Technik- und Gerätegeschichte und konnte sich damit als zentrale Anlaufstelle für Agrargeschichte einem breiten Publikum bekannt machen [4].
Landwirtschaftsmuseum wird institutionalisiert
Im September 1969 wurde Hohenheim Gastgeber des 2. Kongresses der internationalen Vereinigung landwirtschaftlicher Museen. Die dreitägige Veranstaltung wurde flankiert von einer Ausstellung zu den Anfängen der landwirtschaftlichen Mechanisierung, die nach den damals aktuellen museumsdidaktischen Erkenntnissen ausgerichtet worden war. Bei dieser Gelegenheit konnte das Landwirtschaftsmuseum beweisen, dass es mit international bedeutenden Agrarsammlungen auf Augenhöhe stand. Es wurde deutlich, dass die Sammlung das Potential hatte, zum staatlich repräsentativen Museum ausgebaut werden zu können [4]. Im gleichen Jahr wurde das Museum zur „Zentralen Einrichtung“ ernannt und damit in die Universitätsstruktur integriert. Gemäß Hochschulgesetz sollten mit diesem Status nunmehr fachbereichsübergreifende Aufgaben in der Forschung, der Lehre, des Studiums sowie der wissenschaftlichen Weiterbildung wahrgenommen werden. Damit war das Museum direkt der Universitätsleitung unterstellt und galt fortan als „institutionalisiert“ [4].
1970 formulierte der Senat der Universität, dass das Hohenheimer Landwirtschaftsmuseum die Funktion eines zentralen Deutschen Landwirtschaftsmuseums ausübe und es als solches zu betrachten sei. Die Voraussetzungen für dessen offizielle Gründung waren nun günstig. Die nötige akademische Kompetenz war mit der Zugehörigkeit zum Institut für Agrargeschichte, dem einzigen in der BRD, gegeben. Ein wichtiges Argument war auch die lange Sammlungstradition in Hohenheim, die schon mit der Hochschulgründung ab 1818 begonnen wurde. Indem das Museum auf eine nationale Stufe angehoben würde, erhoffte man sich auch gesamtstaatlich agierende Institutionen als Förderer gewinnen zu können. Der Weg zum Deutschen Landwirtschaftsmuseum schien damit geebnet [4].
Ausstattung war bescheiden
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, fehlte es allerdings an Personal, Räumlichkeiten und Fördermitteln. Anders als in den großen europäischen Agrarmuseen in Reading (GB) oder Gödöllő (HU) war in Hohenheim die personelle Ausstattung dürftig. Es gab nur eine Leiterstelle und eine halbe, unterbezahlte, Schreibkraft. Das Aufsichtspersonal wurde aus Spendengeldern finanziert und verschlang in diesen Jahren fast 3/5 der bescheidenen Einnahmen. Technisches Personal fehlte ganz. Ein entsprechender Etat, um die Modellsammlung restaurieren zu können – das damals dringlichste Projekt – gab es nicht. Das Platzangebot war in den Vorjahren zwar etwas erweitert worden, für seine bevorstehende Aufgabe reichte es allerdings bei weiten nicht aus. In den Ausstellungsräumen fehlte sogar eine Heizung. Von der Universität als Träger war damals keine finanzielle Unterstützung zu erwarten [4].
Gründungsaufruf 1972
Es war 1970 dann allgemeiner Konsens, dass der Ausbau nur durch einen wesentlichen Impuls von Extern zu bewerkstelligen sei. Es formierte sich daher ein Komitee zur Vorbereitung für die Gründung eines Vereins Deutsches Landwirtschaftsmuseum. Unter dem Vorsitz des damaligen Hohenheimer Professors für landwirtschaftliche Beratungslehre, Prof. Hartmut Albrecht, verfasste das Komitee einen Rundbrief und forderte dazu auf, der Gründung eines Vereins "Deutsches Landwirtschaftsmuseum" zuzustimmen. Erster Empfänger war der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Joseph Ertl (FDP), der sich sehr wohlwollend zeigte und der von da an als wichtigster Motor für das Vorhaben in Aktion trat. Mit der persönlichen Empfehlung des Agrarministers wurden nun weitere honorige Repräsentanten aus Verbänden, Politik und Wissenschaft um Ihre Unterstützung gebeten. Schlussendlich willigten 32 Persönlichkeiten ein (Bild 2). Sie bekundeten mit ihrer Unterschrift, dass es dringend geboten sei, in Hohenheim einen entsprechenden Förderverein zu gründen, um so Kräfte für den Ausbau des Deutschen Landwirtschaftsmuseum zu bündeln. Das Vorhaben unterstützten u.a. der berühmte Zoologe Prof. Bernhard Grzimek, der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, Vizepräsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Dr. Sicco Mansholt, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Konrad Jacob sowie die Bundesminister Käthe Strobel und Klaus von Dohnanyi. Die Ziele des Fördervereins waren klar definiert und wurden später in die Vereinssatzung aufgenommen: Es galt, die wichtige Kulturleistung der Landwirtschaft und die Zeugnisse der agrarischen Entwicklung zu archivieren, diese wissenschaftlich zu untersuchen und Interessierten in Form eines Museums zugänglich zu machen. Betont wurde, dass Fragen der Gegenwart im historischen Bezug zu deuten und verständlich darzustellen sind. Dabei wurde die Universität als Träger des Museums stets mit einbezogen, wenn es hieß, dass die land- und ernährungswirtschaftliche Ausrichtung der Hochschule für eine lebendige Auseinandersetzung über aktuelle Themen förderlich sei. Daneben standen auch ganz praktische Vorhaben, denn es galt das Museums zu erweitern, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die für den Ausbau nötige Mittel zu generieren [3].
Bild 2: 32 honorige Persönlichkeiten unterzeichneten 1972 den Gründungsaufruf für einen Verein Deutsches Landwirtschaftsmuseum [2]
Figure 2: 32 honorable personalities signed the founding appeal for an association German Agricultural Museum in 1972 [2]
Die offizielle Gründungssitzung fand am 8. Februar 1972 statt, an der 22 Personen teilnahmen. Am 25. Mai 1972 wurde der „Verein Deutsches Landwirtschaftsmuseum e.V.“ schließlich ins Vereinsregister der Stadt Stuttgart eingetragen und in seiner Gemeinnützigkeit anerkannt. Als beratendes Gremium wurde dem Verein ein Kuratorium mit Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden und Politik zur Seite gestellt. 18 hochrangige Personen sollten um aktive Unterstützung des Museumsausbaus werben, den Ausbau vorbereiten, Fördermittel generieren und dauerhaft gute Verbindungen mit der Universitätsleitung aufbauen [4].
Die Sitzungsprotokolle der folgenden Jahre zeigen jedoch, dass selbst unter den neuen Vorzeichen der Ausbau des DLM nur langsam in Gang kam. Es waren vor allem fehlende Mittel, die eine Erweiterung erschwerten. In der Regel waren die hohen Fördersummen an Vorgaben geknüpft, die kaum einzuhalten waren. Auch zeichnete sich ab, dass eine Erweiterung des Museums nur außerhalb des Campus möglich war. Innerhalb des Hochschulareals wurden Flächen für den Neubau von Instituten dringend gebraucht – die Prioritäten lagen in den Anfangsjahren nach der Universitätsgründung eindeutig woanders. Es blieb auch nach 1972 unrühmliche Tatsache, dass von der Universität kein Budget zugeteilt wurde. Die laufenden Kosten mussten aus Vereinsmitteln, Spenden und Einnahmen generiert werden. Sämtliche Projekte zum Ausbau waren nur durch Drittmittel zu realisieren [4].
Weil auch weiterhin nur 1,5 hauptamtliche Planstellen für den Museumsbetrieb vorgesehen waren, verschlangen die Kosten für zusätzliches Aufsichts- und Führungspersonal den Hauptanteil der Finanzmittel, die vorwiegend der Universitätsbund (Anm.: der Förderverein der Hochschule) beisteuern musste. In diesen Jahren wurde deutlich, dass das persönliche Verhältnis zum Kanzler der Universität, dem das DLM direkt unterstellt war und ist, über die Entwicklung des Museums wesentlich mitentscheidet.
Wiedereröffnung nach Erweiterung
Nach der Emeritierung von Prof. Segler 1974 wurde das Verhältnis zum benachbarten Institut für Agrartechnik schwierig. Rangeleien um das begrenzte Platzangebot in der Forschungshalle Garbenstr. 9a und inhaltliche Differenzen verursachten einen anhaltenden schwelenden Konflikt. Die deutlichen Diskrepanzen in der personellen Ausstattung zwischen Institut und Museum waren einer guten Kooperation ebenfalls nicht sehr förderlich. Ungeachtet dieser Unstimmigkeiten war es von Beginn an gewünscht, dass DLM näher an die Agrartechnik zu rücken, was erst in den späten 1980er Jahren gelingen konnte [4].
Bild 3: Der damalige Bundesagrarminister Joseph Ertl war Ehrengast bei der Eröffnungsfeier im September 1978 [2]
Figure 3: The Federal Minister of Agriculture at that time Joseph Ertl was guest of honor at the opening ceremony in September 1978 [2]
Trotz weit gediehener Ausbaupläne sollten zahlreiche Gründe Mitte der 1970er Jahre eine Erweiterung des Museums verhindern. Statt Millionenbeträge konnte der Verein immerhin 100.000 DM für eine umfangreiche Vitrinenanlage und eine Ausstellungserweiterung generieren. Die Vergrößerung der bestehenden Ausstellungsfläche von 500 auf beachtliche 1.650 m² (Bild 4) am Standort Garbenstraße war in jedem Fall eine erste Erfolgsgeschichte und wurde zum Anlass genommen, am 23. September 1978 (Bild 3) eine offizielle Wiedereröffnung des DLM feierlich zu begehen. Die zahlreich erschienenen Gäste standen für das große öffentliche Interesse am Deutschen Landwirtschaftsmuseum. Als Magnet wirkte aber auch der populäre Ehrengast, Bundesagrarminister Joseph Ertl, der unter großem Beifall begrüßt wurde. In seiner mitreißenden Rede unterstrich er die Bedeutung des Landwirtschaftsmuseums als Ort der „lebendigen und anschaulichen Geschichtsdarstellung“. Dabei berief er sich auf die großen Pioniere und zitierte den Begründer der Agrarwissenschaften A. D. Thaer, der 1822 formulierte, „dass man die Gesetze der Vergangenheit erforschen müsse, um die Gegenwart richtig beurteilen zu können“ [5]. Eine Schlüsselrolle für den Agrarbereich habe daher das Deutsche Landwirtschaftsmuseum und dessen Sammlungen, die an die Ausgangskonzeption des Hohenheimer Gründungsdirektors J. N. v. Schwerz anknüpfen. „Dieser verstand die zahlreichen öffentlich ausgestellten Maschinen und Geräte als eine Dienstleistung für die Praxis, um daraus zukünftige Aufgaben entwickeln zu können“ [5]. Die vielfältigen Aktivitäten des DLM erfuhren aus den Worten des Ministers eine besondere Wertschätzung. Dass Joseph Ertl eine ganz persönliche Bindung zum Deutschen Landwirtschaftsmuseum hatte, brachte er mit den Worten „mein Bauernmuseum“ deutlich zum Ausdruck [4]. Dem Museum blieb er lange verbunden. Durch sein Engagement als Vorsitzender des Kuratoriums (1986 bis 1996) in enger Kooperation mit dem damaligen Vorsitzenden des Fördervereins Manfred Florus und dem ab 1988 ernannten Museumsleiter Dr. Klaus Herrmann gelang es, den Ausbau ab 1994 ein gutes Stück voranzutreiben [6].
Bild 4: Der erweiterte Ausstellungsraum des Deutschen Landwirtschaftsmuseums am Standort
Garbenstr. 9a (Ansichtskarte von ca. 1979) [2]
Figure 4: The extended exhibition room of the German Museum of Agriculture at the Garbenstr. 9a location (picture postcard from ca. 1979) [2]
Mitgliederentwicklung
1972 waren es nur wenige dutzende Personen die sich zusammenschlossen, um den Ausbau des Deutschen Landwirtschaftsmuseum Hohenheim zu unterstützen. Bis Ende der 1970er Jahre zählte der Verein 370 Mitglieder, darunter 110 Kooperative. In den 1980er Jahre konnte die Zahl der Einzelmitglieder auf 540 gesteigert werden. Bei den Kooperativen förderten in dieser Zeit immerhin 139 Institutionen den Verein. Doch nicht alle Ziele konnten erreicht werden, als der Anfang der 1990er Jahre erwartete Zuspruch aus den Neuen Bundesländern ausblieb. Uneingeschränkt positiv für die Mitgliederwerbung wirkten sich hingegen die Messeauftritte des Fördervereins auf den Ausstellungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Frankfurt und Hannover aus. Zahlreiche Beitritte konnten in dieser Zeit verbucht werden, so dass Anfang des Jahrtausends mit 710 Einzel- und 140 Kooperativen Mitgliedern die Entwicklung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte [6].
Weiterführende Informationen zur Ackergerätefabrik und der Modellsammlung
Die Hohenheimer Ackergerätefabrik
Die Geräte und Maschinen, die sich in der Hohenheimer Gutswirtschaft bewährt hatten, weiterzuentwickeln und in Serie nachzubauen, das war Ziel der 1819 gegründeten Hohenheimer Ackergerätefabrik (Bild 5). Als „eine Anstalt zur Verbreitung des Guten“ wie Hohenheim sich verstand, sollte die Ackergerätefabrik solide, preiswerte und erprobte Neuerungen der Agrartechnik in die Landwirtschaft einführen. Wichtigstes Produkt waren vorwiegend Pflüge verschiedener Ausprägungen. Dabei war der „Hohenheimer- oder Schwerz-Pflug“ über viele Jahre das Aushängeschild der Fabrik. Als Weiterentwicklung eines Beetpfluges aus der Provinz Flandern war dieser leichtgängig, günstig in der Anschaffung und garantierte bei geringem Kraftbedarf eine äußerst zufriedenstellende Pflugarbeit. Wie alle Erzeugnisse der Fabrik, ermöglichte die Serienfertigung einen günstigen Verkaufspreis. In den ersten 20 Jahren wurden über 1.500 Schwerz-Pflüge gefertigt. Die Zahl mag niedrig erscheinen, nach damaligen Maßstäben war das allerdings eine vorzeigbare Bilanz [9]
Ab 1831 wurde die Ackergerätefabrik als Pachtbetrieb betrieben, was sich auf die Geräteentwicklung sowie das Produktionsvolumen positiv auswirkte. Zu Ihrer Hochzeit um 1863 beschäftigte die Manufaktur 28 Mitarbeiter darunter jeweils 10 Wagner und Schmiede, 6 Schlosser und 2 Schreiner. Die Gesamtproduktion bis 1863 belief sich auf über 7.000 Pflüge, 950 Eggen und 780 Sämaschinen. Hohe Stückzahlen wurden mit der Herstellung detailgetreuer Landtechnikmodelle erreicht. Die maßstabgerechten Verkleinerungen bewährter Geräte und Maschinen wurden zu Lehrzwecken in ganz Europa verkauft und dienten Handwerkern vor Ort als Vorlage zum Nachbauen [6]. So ließ sich nach Auffassung des damaligen Direktors Schwerz der Gedanke moderner und gleichzeitig erprobter Agrartechnik am besten in die Praxis tragen. Ab den 1880er Jahren verliefen die Geschäfte nur noch schleppend; die Schließung erfolgte 1904. Als erste ihrer Art in Süddeutschland hat die Hohenheimer Ackergerätefabrik einen wesentlichen Beitrag zur frühen Mechanisierung der Landwirtschaft weit über die Grenzen Württembergs hinaus geleistet [7].
Bild 5: Ansicht der Hohenheimer Ackergerätefabrik Mitte des 19. Jahrhunderts [2]
Figure 5: View of the Hohenheim farm implement factory in the middle of the 19th century [2]
Die Hohenheimer Modellsammlung
Seit Bestehen der Lehranstalt wurden in Hohenheim landwirtschaftliche Geräte und Maschinen aus vielen Ländern zusammengetragen (Bild 6). Im Praxiseinsatz der Hohenheimer Gutswirtschaft konnten somit umfangreiche Erkenntnisse über die Neuerungen in der Agrartechnik gewonnen werden. Mit der Einberufung des zweiten Direktors v. Ellrichshausen 1828 erlebte die Hohenheimer Modellsammlung einen Aufschwung und wurde offiziell zum Lehr- und Forschungsgegenstand der damaligen Hochschule. Fortan wurden originale wie auch maßstabgerecht verkleinerte Agrartechnik nach Funktionsweise systematisch erfasst und in einem eigenen Sammlungsraum öffentlich ausgestellt. Die Hohenheimer Modellsammlung war im 19. Jahrhundert eine Besucherattraktion, mit der sich anhand vieler Originale die Entwicklungen und Verfahren in der Agrartechnik direkt vergleichen ließ. Vor allem durch Schenkungen konnte die Sammlung 1845 schon über 800 Nummern vorweisen. Bis zum Jahre 1896 stieg deren Zahl auf über 2.150 Exemplare – die Hälfte davon bestand aus maßstabgerecht verkleinerten Modellen, gefertigt in der hauseigenen Ackergerätefabrik. Nachdem ab 1900 die handwerklich hergestellte Agrartechnik an Bedeutung verlor, galt die Art der Präsentation als nicht mehr zeitgemäß. Zudem gab es nun moderne Wege in der Darstellung landtechnischer Verfahren. So verschwand die einst vielgerühmte Sammlung in Kisten verpackt in Depots. Erst mit der Gründung eines Landwirtschaftsmuseums Ende der 1960er Jahre geriet die Sammlung wieder in den Fokus des Interesses. Zwar ist nur noch ein Teil der Exponate erhalten geblieben, den Ruf als älteste Agrarsammlung der Welt konnte sie sich erhalten. Als Grundstock des Deutschen Landwirtschaftsmuseums Hohenheim wurde die nunmehr aus 900 Exponaten bestehende Hohenheimer Modellsammlung 1973 als schützenswertes Kulturgut deklariert [8].
Bild 6: Die ehem. Lehr- und Schausammlung war im 19. Jahrhundert ein Publikumsmagnet im
Hohenheimer Schloss und bildete den Grundstock für das DLM. Fotografie um 1905 [2]
Figure 6: In the 19th century, the former teaching and display collection was a crowd puller in the
Hohenheim Palace and formed the basis for the DLM. Photography around 1905 [2]
Literatur
[1] World Ploughing Organization (Hrsg.): Weltmeisterschaft im Pflügen 1958 – Offizielles Handbuch. Stuttgart-Hohenheim, 1958.
[2] Klein, E.: Die historischen Pflüge der Hohenheimer Sammlung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen – ein kritischer Katalog. In: N.N. (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 16. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1967.
[3] N.N.: Archiv Deutsches Landwirtschaftsmuseum Hohenheim, Hohenheim.
[4] N.N.: Sitzungsprotokolle der Jahre 1967-1979. In: Archiv des Fördervereins Deutsches Landwirtschaftsmuseum Hohenheim e.V.
[5] Schultz-Klinken, K.-R.: Das Deutsche Landwirtschaftsmuseum. ISBN: 3-7995-7019-5. Sigmaringen, Jan Thorbecke-Verlag, 1982.
[6] Herrmann, K.: 40 Jahre Förderverein Deutsches Landwirtschaftsmuseum Hohenheim. In: DLM Schriftenreihe, Bd. 5, Stuttgart, 2012.
[7] Winkel, H. (Hrsg.): Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum der Universität Hohenheim. Stuttgart: Ulmer Verlag 1993. ISBN 3-8001-4801-3.
[8] Weisser, J.: Beginn der Hohenheimer Ackergerätefabrik und Modellsammlung. ISBN: 978-3-95741-0137-2. S.32-41. In: DLM Blankenhain (Hrsg.): Mensch – Wirtschaft – Kulturlandschaft, Blankenhain, 2020.
[9] Franz, G. (Hrsg.): Universität Hohenheim – Landwirtschaftliche Hochschule – 1818-1968. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer 1968.
Autorendaten
- Sc. Frank Emmerich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Landwirtschaftsmuseum Hohenheim und verantwortlicher Redakteur der agrarhistorischen Zeitschrift "Der
Goldene Pflug"