Beitrag in Jahrbuch 2022

Bioverfahrens- und Umwelttechnik Handlungsdruck und Optionen zur Minderung von Ammoniak-Emissionen aus der Rinderhaltung

Kurzfassung:

Bis zum Jahr 2030 sollen die nationalen Ammoniakemissionen bezogen auf das Referenzjahr 2005 um 29 % reduziert werden. Nach den bisherigen Projektionen wird die Zielmarke für Ammoniakemissionen in Höhe von 444 kt/a für das Jahr 2030 um 126 kt/a deutlich überschritten werden. Aufgrund ihres hohen Anteils an den landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen müssen in der Rinderhaltung vermehrt Maßnahmen zu deren Minderung umgesetzt werden. Der vorliegende Beitrag beschreibt Optionen und Potenziale zur Minderung von Ammoniak-Emissionen aus der Rinderhaltung und den Entwicklungsstand der einzelnen Maßnahmen.

Volltext

Ammoniak-Emissionen aus der Rinderhaltung

Die Rinderhaltung in Deutschland verursacht ca. 43 % der NH3-Emissionen aus der Tierhaltung, während die Schweinehaltung mit 19 % und die Geflügelhaltung mit einem Anteil von 8 % angegeben werden [1]. Nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (Stand: 2018) wird der Rinderhaltung sogar ein Anteil von fast 48 % an den NH3-Emissionen aus der Tierhaltung zugeschrieben [2]. 50 % dieser Emissionen fallen bei der Ausbringung, 16 % bei der Lagerung und 32 % im Stall an. Wenn man die Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft mit 512,3 kt/a für das Jahr 2020 zugrunde legt [3], würden sich die Ammoniakemissionen aus der Rinderhaltung auf 220 – 246 kt/a belaufen. In Bezug auf die nationalen NH3-Emssionen in Höhe von 537,2 kt/a wäre dies ein Anteil von 41 – 46 %.

Allein der Düngewert – bezogen auf Reinstickstoff - beläuft sich auf mindestens 712 Mio. €/a, wenn man schwefelsaures Ammoniumsulfat als vergleichsweise günstigen Stickstoffdünger zugrunde legt (Stand: Juli 2022) [4]. Bei einem Mineraldüngerabsatz von 1,27 Mio. t Stick-stoff/a (2020/21) [5] würden sich die rechnerischen Stickstoffverluste der Landwirtschaft auf rund 40 % belaufen. Bezogen auf die Rinderhaltung wären es ca. 17 %. Die Minderung von NH3-Emissionen würde somit gleichermaßen zur Reduzierung von Umweltbelastungen und zu monetären Einsparungen bei der Düngemittelbeschaffung beitragen.

Struktur der Rinderhaltung

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Mai 2022 gerundet 10,98 Mio. Rinder von insgesamt 128.523 Betrieben gehalten [6]. Die meisten Rinder wurden nach der Landwirtschaftszählung am 01.03.2020 mit rund 2,96 Mio. Tieren in Bayern, gefolgt von 2,36 Mio. Tieren in Niedersachsen und 1,29 Mio. Tieren in Nordrhein-Westfalen gehalten. Von den bei der Landwirtschaftszählung im März 2020 erfassten 108.032 Betrieben mit Rinderhaltung verfügten 73.640 Betriebe über maximal 99 Tiere. 31.863 Betriebe hielten 100 – 499 Tiere und lediglich 14.718 Betriebe (13,6 % der Betriebe) hatten einen Tierbestand von 200 oder mehr Tieren [7]. Neben der Abnahme der Anzahl Rinder haltender Betriebe ist auch der Bestand an Rindern in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich von 12,81 Mio. Tieren (2010) über 11,3 Mio. (2020) auf zuletzt 10,98 Mio. Tiere (2022) zurückgegangen [8]. Der Strukturwandel in der Rinderhaltung hält an, wie beispielsweise Zahlen aus Niedersachsen zeigen [9]. Bei einem sinkenden Bestand von 2,61 Mio. Tieren (2016) auf 2,36 Mio. Tiere (2020) stieg der Anteil von Tieren in Beständen mit mehr als 200 Tieren von 63,4 % (2016) auf 66,9 % (2020).

Während die Bruttoeigenerzeugung an Rind- und Kalbfleisch in Deutschland von rund 1,23 Mio. t/a (2010) auf 1,11 Mio. t/a (2021) gesunken ist [10], hat die Milchleistung je Kuh von 7.085 Liter im Jahr (2010) auf 8.488 (2021) Liter im Jahr deutlich zugenommen [11]. Die Milchproduktion in Deutschland ist von 29,08 Mio. t/a (2010) auf 31,94 Mio. t/a (2021) gestiegen [12].

Der Rückgang der Bruttoeigenerzeugung an Fleisch verlief analog zum Rückgang des Gesamtbestandes. Während die Anzahl der Milchkühe von 4,18 Mio. Tiere (2010) auf 3,92 Mio. Tiere (2020) und somit um rund 6,2 % gesunken ist [13], hat die Milchleistung im selben Zeitraum um 19 % zugenommen.

Rechtliche Rahmenbedingungen zur Emissionsminderung in der Rinderhaltung

Nach dem Anhang 1 – Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) – sind Rinderhaltungen mit mehr als 500 Kälbermastplätzen oder 600 Rinderplätzen (mit Ausnahmen bei Mutterkuhplätzen mit mehr als 6 Monaten Weidehaltung) nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig [13]. Dies bedeutet, dass die allermeisten Anlagen in der Rinderhaltung baurechtlich genehmigt wurden und daher bislang auch keine Vorsorgemaßnahmen gegen schädliche Umwelteinwirkungen treffen mussten. Für Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind, gelten Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, die in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft in Kapitel 5 dokumentiert sind [14]. Zur Sicherstellung von Schutzansprüchen kann die TA Luft (Kapitel 4) aber auch für baurechtlich zu genehmigende Rinderhaltungen als Erkenntnisquelle herangezogen werden.

Bis zum Jahr 2030 sollen die nationalen Ammoniakemissionen bezogen auf das Referenzjahr 2005 um 29 % reduziert werden. Nach den bisherigen Projektionen wird die Zielmarke für Ammoniakemissionen in Höhe von 444 kt/a für das Jahr 2030 um 126 kt/a überschritten werden [15; 16]. Da in der Schweine- und Geflügelhaltung schon maßgebliche Anforderungen mit der Neufassung der TA Luft in nationales Recht umgesetzt worden sind, ist ein erheblicher Beitrag von der Rinderhaltung zur Einhaltung der nationalen Emissionshöchstmengen unumgänglich – nicht zuletzt aufgrund ihres erheblichen Beitrages zu den Emissionen.

Angesichts auch der nach wie vor hohen Umweltbelastung in Europa und der bislang nicht einheitlich umgesetzten, seit 2010 geltenden Richtlinie zur integrierten Vermeidung von Umweltbelastungen, wurde im April 2022 von der Europäischen Kommission ein Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen vorgelegt [17]. Ziel der Überarbeitung der Richtlinie ist es, den Schutz von Ökosystemen und der menschlichen Gesundheit auf möglichst wirksame und effiziente Weise zu gewährleisten. Nach dem Vorschlag der Kommission sollen alle Tierhaltungsbetriebe mit 150 Großvieheinheiten oder mehr und insbesondere auch die Rinderhaltungen von dem Geltungsbereich der neuen Richtlinie erfasst werden. Eine Großvieheinheit entspricht einer Tierlebendmasse von 500 kg. Bei einer Festlegung auf 150 GVE würden z.B. Betriebe mit mehr als 125 Kühen (älter als 2 Jahre), 1.154 Mastschweinen (Mastschweine bis 110 kg) oder 75.000 Masthähnchen (Haltung bis 42 Tage) erfasst. Der Vorschlag der Europäischen Kommission würde somit insbesondere für die Rinderhaltung und die Schweinehaltung zu höheren Anforderungen führen.

Nach Einschätzung der Kommission würde durch die Verringerung der Methan- und Ammoniakemissionen der betroffenen großen Agrar- und Industrieanlagen ein Gesundheitsnutzen von mehr als 5,5 Mrd. €/a erreicht werden. Allein die Ausdehnung des Geltungsbereiches der Richtlinie auf 10 % der größten Rinderhaltungsbetriebe würde zu einer Minderung der Methanemissionen von mindestens 174 kt/a sowie der Ammoniakemissionen um mindestens 59 kt/a in den Mitgliedsstaaten führen.

Maßnahmen zur Emissionsminderung in der Rinderhaltung

Die Grundlagen der Ammoniakfreisetzung und deren Umfang in Abhängigkeit des Haltungsverfahrens sowie Minderungsoptionen durch den Einsatz verschiedener Techniken sind seit mehr als 20 Jahren gelegt worden [18]. Beispielsweise wurden bereits verschiedene Minderungsmaßnahmen wie Bodenspülungen, Fütterungsstrategien, die Gülleansäuerung sowie bauliche Maßnahmen zur Bodengestaltung (fester Boden mit 3 % Gefälle zur Harn-Ablaufrinne) zusammenfassend beschrieben. Die damaligen Auswertungen ergaben NH3-Minderungspotenziale von bis zu 50 % bei der Kombination von Spülsystemen, Ansäuerung und verbesserter Fütterung bei Boxenlaufställen mit Spaltenböden. Sehr hohe NH3-Minderungen wurden auch bei festen Böden mit Gefälle (52 %) und in Kombination mit Spülsystemen (65 %) ermittelt. Allerdings wird diese Minderung nur gewährleistet, wenn die Emissionen nicht auf die Lagerung und Ausbringung verlagert werden. Daher ist die Abdeckung von Lagerbehältern sowie die Ausbringung mit emissionsarmen Techniken unerlässlich.

Die Abstockung der Rinderbestände würde sich bei ansonsten gleichen Haltungsverfahren, Lagerungs- und Ausbringungstechniken im gleichen Maße auf die Emissionsminderung auswirken. Durch die Erhöhung der Milchleistung je Kuh wird dieser Effekt jedoch teilweise wieder aufgehoben.

Einen Überblick über Minderungsoptionen in der Rinderhaltung liefert [19]. Der mögliche Beitrag der Fütterung wird mit bis zu 10 % geschätzt. Eine optimierte Laufflächengestaltung wird mit zu 60 % Minderung angegeben, abgeleitet von Messungen in den Niederlanden. Die Minderungswirkung von Urease-Inhibitoren, die eine Harnstoffspaltung und damit letztendlich die Freisetzung von Ammoniak verzögern, wird mit 40 – 50 % angegeben. Die Ausdehnung der Weidehaltung auf mindestens 6 h am Tag und 180 Tagen im Jahr soll eine Minderung von bis zu 15 % erbringen. Auf der Grundlage von Messungen im Rahmen von VERA-Prüfverfahren (VERA= Verification of Environmental Technologies for Agricultural Production) wird der Gülleansäuerung in der Rinderhaltung ein Minderungspotenzial von 60 % zugeschrieben. Entsprechende VERA-Urkunden zur Gülleansäuerung liegen vor [20].

Die „gute fachliche Praxis der Ammoniakminderung“ beschreibt nach Experteneinschätzung bauliche und technische Verfahren sowie Managementmaßnahmen, die zur Minderung von Ammoniakemissionen aus der Nutztierhaltung eingesetzt werden können. Sie haben allerdings keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Ein entsprechend aktualisierter Leitfaden wurde im September 2021 publiziert [21]. Wichtige Aspekte einer optimalen Nutzung selbst erzeugter Futtermittel in der Rinderhaltung sind die Vermeidung von Futterverlusten beim Weidemanagement und der Futterbergung, die Minimierung von Silierverlusten durch Schimmelbildung oder Nacherwärmung und die optimale Futtervorlage am Tier. Untersuchungen haben gezeigt, dass je nach Futterart Verluste zwischen 20 und 30 % zwischen Aufwuchsmenge und verzehrter Futtermenge auftreten können.

Die Fütterung und dessen Optimierung in Hinblick auf eine optimale Stickstoff- und Energieversorgung ist eine der effizientesten Maßnahmen zur Minderung von Ammoniakemissionen. Bei den Rindern wird ein Großteil des aufgenommenen Futterproteins im Vormagen bis zum Ammonium abgebaut. Für eine optimale Stickstoffnutzung ist es daher wichtig, dass das Ammonium möglichst vollständig zum Aufbau von mikrobiellem Protein genutzt wird und damit dem Tier zur Verfügung gestellt wird. Generell kann die Reduzierung des Rohproteingehaltes um 1 % in der Trockenmasse zu einer Minderung der Ammoniakemissionen um 17 % führen [21].

Zur Minderung von Ammoniakemissionen aus der Rinderhaltung werden auch verschiedene Additive wie Pflanzenkohle und Gesteinsmehle untersucht [22; 23; 24]. Die Wirksamkeit vieler Additive ist bislang strittig [25]. Ein Einsatz könnte nur empfohlen werden, wenn die Wirksamkeit wissenschaftlich untermauert, der Einsatz rechtlich zulässig, praktikabel und wirtschaftlich verhältnismäßig ist.

Zu den wesentlichen Minderungsmaßnahmen bei bestehenden Haltungsverfahren mit Einstreu gehören die ausreichende Vorlage von trockenem, tierhygienisch unbedenklichem Einstreumaterial und die regelmäßige Entmistung. Je nach Haltungsverfahren werden Einstreumengen je Tier und Tag empfohlen [21]. Ein großes Minderungspotenzial liegt auch in der Sauberhaltung von Laufflächen und Laufhöfen durch regelmäßige Schieberentmistungen und oder Einsatz von Reinigungsrobotern. Spüleinrichtungen mit Wasser können die Reinigungsergebnisse noch verbessern.

Spezielle Bodenbeläge, die mit einem leichten Gefälle einen beschleunigten Ablauf des Harns ermöglichen, können auch zur Emissionsminderung beitragen. Für mehrere Bodenbeläge liegen inzwischen VERA-Zertifizierungsurkunden vor. Ein nach VERA anerkannter Boden [26] besteht aus profilierten Gummimatten, die mit einem Gefälle von 6 % zu den Betonspalten für eine schnellere Harnableitung sorgen. Darüber hinaus sind die Betonspalten-Öffnungen mit Kunststoffklappen im Querschnitt verengt, aber nicht geschlossen. Hierdurch sollen die Emissionen aus der unter den Spaltenböden lagernden Gülle reduziert werden. Nach den Messungen in 4 Ställen mit jeweils 6 Einzelmessungen über je 24 h, verteilt über das Jahr, wurde ein mittlerer NH3-Emissionsfaktor von 7,9 kg /(TP a) ermittelt. Dieser liegt um mehr als 45 % unter dem Standardemissionswert, der in Deutschland für Liegeboxenlaufställe in der Milchviehhaltung zur Anwendung kommt. Zur Gewährleistung dieser Emissionsminderung muss die Funktionsweise der Fußböden dauerhaft gewährleistet sein. Festmistschieber müssen alle 2 h oder häufiger den Boden abschieben, wobei sichergestellt werden muss, dass die Spaltenklappen weder beschädigt noch verstopft werden. Verstopfungen oder Beschädigungen an den Spaltenklappen müssen regelmäßig kontrolliert und ggfs. beseitigt werden. Eine mindestens jährlich durchzuführende Wartung des Systems durch den Hersteller wird empfohlen.

Auch für einen weiteren Fußbodenbelag mit profilierten Kunststoffmatten für einen verbesserten Harnabfluss – allerdings ohne Spaltenklappen – liegt eine VERA-Urkunde vor [27]. Bezogen auf deutsche Grundlagen zur Berechnung des NH3-Emissionsfaktors wurde nach dem VERA-Prüfprotokoll ein Emissionswert von 8,8 kg NH3/(TP a) ermittelt, der um rund 40 % niedriger ist als der Wert, der für die Milchviehhaltung im Liegeboxenlaufstall in Deutschland zur Anwendung kommt. Allerdings kann diese Emissionsminderung auch nur gewährleistet werden, wenn die Böden mindestens alle 2 h gereinigt werden und deren ordnungsgemäße Funktion gewährleistet ist und das System jährlich gewartet wird.

Eine weitere Option zur Emissionsminderung im Stall bietet der Einsatz von Urease-Inhibitoren. Sie verzögern die Harnstoffspaltung und damit letztendlich die Freisetzung von Ammoniak. Das Minderungspotenzial wird mit 40 – 50 % angenommen. Allerdings fehlen noch Anwendungsempfehlungen für die Praxis und auch zulassungsrechtliche Fragen müssen noch geklärt werden [21].

Die Abluftreinigung als Minderungsoption wurde in der Rinderhaltung bislang kaum angewendet. Dies liegt in erster Linie an den vorwiegend offenen Stallsystemen mit natürlicher Lüftung, bei denen eine Erfassung und Reinigung des Abluftvolumenstromes unter praktischen und ökonomischen Gründen nicht möglich ist. Allerdings gibt es verfahrenstechnische Überlegungen und auch bereits technische Umsetzungen zur Reinigung eines kleineren Teilstromes, der unterhalb der Spaltenböden abgesaugt und dann in einer Abluftreinigungsanlage gereinigt wird (Bild 1). Der größere Teilstrom mit weniger ammoniakbelasteter Stallabluft wird zur Wärmeabfuhr über Dach abgeführt.

 

Bild 1: Schema einer Unterflur-Teilstromabsaugung mit Abluftreinigung bei Rinderställen (1: Zuluft, 2: Güllekeller, 3: Spaltenboden, 4: Abluftreinigung und 5: Abluft)

Figure 1: Scheme of an underfloor partial suction at cattle stables (1: input air, 2: manure pit, 3: slatted floor, 4: exhaust air treatment and 5: stable exhaust air)

 

Bei dem System Lely Sphere wird an den Spaltenböden ein Unterdruck erzeugt und die abgesaugte Abluft in einem Abluftwäscher außerhalb des Stalles gereinigt [28]. Die Spaltenböden sind mit Edelstahlstreifen verschlossen, die regelmäßige Bohrungen aufweisen, um einen Harnabfluss zu gewährleisten. Darüber hinaus soll auf diese Weise das abzusaugende Abluftvolumen begrenzt werden. Der Abluftwäscher wird mit einer sauren Waschlösung betrieben und soll einen NH3-Abscheidegrad von mindestens 70 % gewährleisten.

Verschiedene Berechnungen des NH3-Minderungspotenziales an einem frei belüfteten Milchviehstall mithilfe numerischer Modelle haben gezeigt, dass eine Kombination aus partieller Unterflurabsaugung, nachgeschalteter Abluftreinigung und intelligenter Steuerung der Windbrechmechanismen zu einer erheblichen Reduktion des Emissionsmassenstromes beitragen kann. Die Autoren gehen von einem NH3-Minderungspotenzial von 52 – 72 % aus [29].

Bei zwangsbelüfteten Mastkälberställen kann die Abluftreinigung mit zweistufigen biologisch arbeitenden Abluftreinigungsanlagen eine sichere Ammoniakabscheidung von mindestens 70 % sicher gewährleisten, wie die Überprüfung dieser Anlagen im Praxisbetrieb bestätigen. Für das Verfahren liegt ein entsprechender DLG-Test vor [30]. Wesentlich Ergebnisse laufender Anlagenüberprüfungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

 

Tabelle 1: Ammoniakminderung bei der Reinigung von Abluft aus zwangsbelüfteten Mastkälber-Anlagen mit DLG-anerkannten Verfahren (n = 10, Stand: 2022)

Table 1: Ammonia reduction with DLG approved exhaust air treatment systems for forced ventilated calf fattening stables (n = 10, status: 2022)

Einen weiteren interessanten Forschungsansatz zur Minderung von Ammoniakemissionen aus der Rinderhaltung könnte der Einsatz von Kuhtoiletten bieten [31; 32].

Das Ziel der Forschung besteht darin, die Kälber so zu konditionieren, dass sie ihren Urin in Latrinenboxen abgeben. Auf diese Weise können die Ammoniakemissionen in die Umwelt reduziert werden. Wenn die Tiere in den Versuchen an der richtigen Stelle urinierten, wurden sie mit einer Futtergabe belohnt. Urinierten sie an der falschen Stelle, vibrierte ein Halsband, mit dem die Tiere ausgestattet waren, allerdings ohne den Tieren Schmerzen zu bereiten. Nach 20 – 25 Durchgängen hatten die Tiere gelernt, die Kuhtoilette zu mit einer Erfolgsquote von 76 % zu benutzen. Laut Modellrechnungen gehen die Autoren von einem NH3-Minderungspotenzial von 56 % aus.

Güllelagerung, Ausbringung und Einarbeitung

Nach Angaben des Deutschen Bauerverbandes sind 85 % der Lagerstätten für flüssige Wirtschaftsdünger mit natürlichen oder künstlichen Abdeckungen versehen. Der Anteil der Lagerstätten mit natürlicher Schwimmdecke beträgt 33 %, 4,5 % der Lagerstätten sind Folienabdeckungen und 47,5 % mit festen Abdeckungen ausgestattet [33]. Nach Experteneinschätzung ist die Lagerung von Gülle mit natürlichen Schwimmdecken keine gute fachliche Praxis [21]. Vielmehr sollte die Abdeckung aus festem Material, Schwimmfolien oder Schwimmkörpern bestehen.

Die emissionsarme Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdünger hat seit 2010 erheblich zugenommen. So wurden im Jahr 2010 noch rund 133 Mio.t mit Breitverteilern ausgebracht, die ohne umgehende Einarbeitung zu erheblichen Ammoniakverlusten beitragen. Im Jahr 2020 ist dieser Anteil auf knapp 66 Mio. t/a gefallen [33]. Etwa 3/5 dieser Menge wird auf Grünland ausgebracht, wo eine sofortige Einarbeitung technisch aufwendig ist.

87 % der flüssigen Wirtschaftsdünger werden nach Angaben des Bauernverbandes sofort bzw. innerhalb einer Stunde eingearbeitet. Festmiste wurden zu 75 % innerhalb von 4 Stunden eingearbeitet [33].

Sofern keine unmittelbare Einarbeitung der flüssigen Wirtschaftsdünger möglich ist (Grünland, bestelltes Ackerland), kann eine Gülleansäuerung unmittelbar vor der Ausbringung die Ammoniakemissionen gegenüber der Breitverteilung um bis zu 60 % reduzieren. Eine Wasserdünnung oder Feststoffseparation des flüssigen Wirtschaftsdüngers kann zur Emissionsminderung bei Grünlandstandorten beitragen, da dieser dann besser und schneller in Boden eindringen kann.

Empfehlungen zur Emissionsminderung in der Rinderhaltung und Forschungsbedarf

Nach dem aktuellen Sachstand und unter Berücksichtigung der Validität verfügbarer Daten können folgende Maßnahmen zu Umsetzung empfohlen werden:

  • Abdeckung offener Lagerstätten mit festen Abdeckungen
  • Weitere Anpassung der Fütterung an den Stickstoffbedarf der Tiere unter Berücksichtigung einschlägiger Fütterungsempfehlungen
  • Ausdehnung der Weidehaltung
  • Einbau emissionsarmer, eignungsgeprüfter Stallböden mit schneller Harnabführung, regelmäßiger und wirksamer Oberflächenreinigung
  • Moderate Gülleansäuerung bei Ausbringung auf Grünland oder bestellten Ackerflächen, wo eine Einarbeitung nicht möglich oder nicht verhältnismäßig ist
  • Abluftreinigung bei zwangsbelüfteten Mastkälberställen

 

Weiterer Forschungsbedarf wird vor allem im Bereich der Entwicklung von Verfahrenskombinationen (Stallböden, Urinstabilisierung, Urinabfuhr, Reinigungstechniken), der Teilstromreinigung über Abluftreinigungsverfahren sowie bei der möglichen Konditionierung von Kühen zur Nutzung von "Kuhtoiletten" gesehen. Für den Nachweis einer emissionsarmen Rinderhaltung sind ferner geeignete Prüf- und Überwachungsinstrumente zu entwickeln.

Zusammenfassung

Bis zum Jahr 2030 sollen die nationalen Ammoniakemissionen bezogen auf das Referenzjahr 2005 um 29 % reduziert werden. Nach den bisherigen Projektionen wird die Zielmarke für Ammoniakemissionen in Höhe von 444 kt/a für das Jahr 2030 um 126 kt/a und somit deutlich überschritten werden. Die Rinderhaltung in Deutschland ist für ca. 43 – 48 % der landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen verantwortlich. Zur Einhaltung der vereinbarten nationalen Emissionshöchstmengen muss die Rinderhaltung zukünftig einen wesentlichen Minderungsbeitrag leisten. Relevante Minderungspotenziale bieten neben einer Bestandsabstockung die Verbesserung der Stickstoff - angepassten Fütterung, die Abdeckung offener Lagerbehälter und vor allem der Einsatz spezieller Bodenbeläge mit schneller Harnabfuhr und regelmäßiger Reinigung im 2 h - Takt. Die Abluftreinigung bei zwangsbelüfteten Mastkälberställen ermöglicht bei Praxisanlagen im Mittel eine Emissionsminderung von mehr als 90 %. Eine Gülleansäuerung kann Ammoniakverluste bei der Ausbringung auf Grünland oder bestellten Ackerflächen deutlich reduzieren. Forschungsbedarf besteht bei der Anwendung von Verfahrenskombinationen aus emissionsarmen Böden, Reinigungstechniken und Einsatz von Urease-Inhibitoren sowie der Unterflur-Teilstromreinigung. Auch der Einsatz der "Kuhtoilette" stellt einen interessanten Forschungsansatz dar.

Literatur

[1]     Umweltbundesamt (Hrsg.): Emissionen der Landwirtschaft, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/ammoniak-geruch-staub#emissionen-der-landwirtschaft, Zugriff am 02.08.2022.

[2]     Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Ammoniakemissionen reduzieren,  URL: https://nutztierhaltung.de/rind/milch/stallbau/ammoniakemissionen-reduzieren/, Zugriff am 02.08.2022.

[3]     Umweltbundesamt (Hrsg.): Ammoniakemissionen, URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/3_tab_emi-ausgew-luftschadst_2022.pdf, Zugriff am 02.08.2022.

[4]     agrarheute: Marktpreise Stickstoffdünger, URL: https://markt.agrarheute.com/duengemittel-4/stickstoffduenger-20, Zugriff am 02.08.2022.

[5]     Deutscher Bauernverband (Hrsg.): Betriebsmittel / Futtermittel, S. 230,  Situationsbericht 2021/22, URL: https://www.bauernverband.de/fileadmin/berichte/2021/epaper/ausgabe.pdf, Zugriff am 02.08.2022.

[6]     Statistisches Bundesamt: Haltungen mit Rindern und Rinderbestand, URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Tiere-Tierische-Erzeugung/Tabellen/betriebe-rinder-bestand.html, Zugriff am 02.08.2022.

[7]     Statistisches Bundesamt: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Viehhaltung der Betriebe, Landwirtschaftszählung, URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Tiere-Tierische-Erzeugung/Publikationen/Downloads-Tiere-und-tierische-Erzeugung/viehhaltung-2030213209004.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff am 02.08.2022.

[8]     Statista: Rinderbestand in Deutschland in den Jahren 1900 – 2022, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163423/umfrage/entwicklung-des-rinderbestands-in-deutschland/, Zugriff am 03.08.2022.

[9]     Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die niedersächsische Landwirtschaft in Zahlen, 2017 und 2021, URL: https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/veroffentlichungen/die-niedersaechsische-landwirtschaft-in-zahlen-121348.html, Zugriff am 03.08.2022.

[10]   Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, Agrarmarkt, Fleisch und Geflügel: Versorgung mit Fleisch in Deutschland in Kalenderjahren, URL: https://view.officeapps.live.com/op/view.aspx?src=https%3A%2F%2Fbzl-datenzentrum.de%2Ffileadmin%2FSITE_MASTER%2Fcontent%2FDownloads%2FFleisch%2FFleisch.xlsx&wdOrigin=BROWSELINK, Zugriff am 03.08.2022.

[11]   Statista: Milchleistung je Kuh in Deutschland in den Jahren 1900 – 2021, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153061/umfrage/durchschnittlicher-milchertrag-je-kuh-in-deutschland-seit-2000/, Zugriff am 03.08.2022.

[12]   Statista: Milchkuhbestand in Deutschland in den Jahren 1950 – 2022, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153058/umfrage/milchkuhbestand-in-deutschland-seit-2000/, Zugriff am 03.08.2022.

[13]   Buzer.de: Anhang 1 - Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV), URL: https://www.buzer.de/gesetz/10619/a180796.htm, Zugriff am 03.08.2022.

[14]   Neufassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft), URL: https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_18082021_IGI25025005.htm, Zugriff am 03.08.2022.

[15]   Umweltbundesamt: Das Göteborg-Protokoll,  URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/publikationen/uba_flyer_goeteborg-protokoll.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[16]   Nationales Luftreinhalteprogramm für die Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/dokumente/luftreinhalteprogramm_bericht_bf.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[17]   Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) und der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien, URL: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:32d55555-c550-11ec-b6f4-01aa75ed71a1.0002.02/DOC_1&format=PDF, Zugriff am 03.08.2022.

[18]   Monteny, G. J. und Erisman, J. W.: Ammonia emission from dairy cow buildings: a review of measurement techniques, influencing factors and possibilities for reduction. Netherlands Journal of Agricultural Science 46 (1998) 225 - 247

[19]   Eurich Menden, B.; Grimm, E. und Wulf, S.: Emissionsminderung Rinderhaltung – Möglichkeiten und Grenzen, URL: https://www.ktbl.de/fileadmin/user_upload/Allgemeines/Download/Tagungen-2018/LfL-Tagung_2018.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[20]   VERA: VERA-Verifizierungsurkunden, URL: https://www.vera-verification.eu/de/vera-urkunden/, Zugriff am 03.08.2022.

[21]   Umweltbundesamt und Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL): Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern, URL: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/ammoniakemissionen-in-der-landwirtschaft-mindern, Zugriff am 03.08.2022.

[22]   Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen: EmiGüll – Emissionsminderung von Rindergülle, URL: https://llh.hessen.de/ueber-uns/projekte/projekte-tier/emiguell-emissionsminderung-von-rinderguelle/, Zugriff am 04.08.2022.

[23]   HBLFA Raumberg-.Gumpenstein (Hrsg.): Gülleadditive - Erste Produktuntersuchung in der Versuchsanlage der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, URL: https://raumberg-gumpenstein.at/forschung/forschung-aktuelles/guelleadditive-erste-produktuntersuchung-in-der-versuchsanlage-der-hblfa-raumberg-gumpenstein.html, Zugriff am 04.08.2022.

[24]   Seitler, E. : Reduktion von NH3-Emissionen aus Mist mittels Pflanzenkohle, URL: https://www.fhnw.ch/de/weiterbildung/lifesciences/mas-umwelttechnik-und-management/mas-thesen/media/masu_mth_seitlereva_2014.pdf, Zugriff am 04.08.2022.

[25]   Hans Urban: Anfrage: Güllebehandlung mit pyrolytischer Pflanzenkohle, URL: https://www.hansurban.de/2019/06/03/anfrage-guellebehandlung-mit-pyrolytischer-pflanzenkohle/, Zugriff am 04.08.2022.

[26]   VERA verification statement: Meadow floor (slatted floor), URL: https://www.vera-verification.eu/app/uploads/sites/9/2021/05/Verification-Statement_Proflex-Meadow-Floor-final-1.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[27]   VERA verification statement: Easyfix SDR slatted rubber mats (slatted floor, URL: https://www.vera-verification.eu/app/uploads/sites/9/2021/10/Verification-Statement_Easyfix-SDR-slatted-rubber-mats-Final-v01.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[28]   N. N.: Binden von Ammoniakemissionen, Lely, URL: https://www.lely.com/de/losungen/kuhkomfort/sphere/emissionen-binden/, Zugriff am 04.08.2022.

[29]   Hartje, J. und Linke, S.: Berechnung des Ammoniakemissionsminderungspotenzials an einem frei belüfteten Milchviehstall mit Hilfe eines numerischen Modells, URL: https://www.landtechnik-online.eu/landtechnik/article/view/3259, Zugriff am 04.08.2022.

[30]   DLG-Test 6221: Zweistufige Abluftreinigungsanlage für die Kälbermast, URL: https://pruefberichte.dlg.org/filestorage/6221.pdf, Zugriff am 03.08.2022.

[31]   Germerott, I.: Kuh-Toilette for Future, National Geographic, URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/07/kuh-toilette-for-future, Zugriff am 04.08.2022.

[32]   Dirksen, N.; Langbein, J.; Schrader, L.; Puppe, B.; Elliffe, D.; Siebert, K.; Röttgen, V. und Matthews, L.: Learned control of urinary reflexes in cattle to help reduce greenhouse gas emissions. Current Biology 31 (2021), 1033 - 1034, URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982221009660, Zugriff am 04.08.2022.

[33]   Deutscher Bauernverband (Hrsg.): Ressourcenschutz und Klima, Situationsbericht 2021/2022, S. 63-64, URL: https://www.bauernverband.de/situationsbericht, Zugriff am 04.08.2022.

Autorendaten

Dr. rer. nat. Jochen Hahne ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Thünen-Institut für Agrartechnologie.

Empfohlene Zitierweise:
Hahne, Jochen: Handlungsdruck und Optionen zur Minderung von Ammoniak-Emissionen aus der Rinderhaltung. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2022. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2023. – S. 1-12

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