Beitrag in Jahrbuch 2022

Traktoren Gesamtentwicklung Traktoren

Kurzfassung:

Die deutschen Traktorenhersteller konnten auch 2022 ein hohes Umsatzwachstum ausweisen. Die Anzahl der produzierten Traktoren stieg aber nicht im gleichen Ausmaß an, die inländischen Neuzulassungen gingen sogar zurück. Der im letztjährigen Jahrbuch skizzierte Stand der Technik und die allgemeinen Trends haben weiterhin Gültigkeit. Fendt und Valtra präsentierten mit der siebten 700er-Generation resp. der Q-Serie komplett neue Baureihen. Auch CNH stößt mit neuen Modellen in die auf Lohn- und größeren Landwirtschaftsbetrieben häufig anzutreffende obere 6-Zylinder-Mittelklasse vor. Viele Neuheiten gab es zudem bei Spezialtraktoren, ein wichtiger "Treiber" war hier teilweise noch die EU-Abgasstufe V. Alternative Kraftstoffe und Antriebskonzepte waren wiederum vieldiskutierte Themen. Rigitrac baut den batterieelektrischen Kleintraktor SKE 40 mittlerweile in Kleinserie, Monarch Tractor kündigte den Serienstart des MK-V 4 für Anfang 2023 an.

Volltext

Marktsituation

Die deutschen Traktorenhersteller (ohne Claas) konnten 2022 ihre Umsätze erneut stark steigern (+17,7%). Mit 6,158 Mrd. € wurde das zweite Mal in Folge eine neue Milliarden-Marke überschritten (2021: 5,234 Mrd. €). Gemessen am Gesamtumsatz der deutschen
Agrartechnikfirmen von 12,41 Mrd. € (2021: 10,51 Mrd. €) repräsentierte der Umsatz mit Traktoren wiederum rund 50% (Zahlen nach [1]).

Die Anzahl der in Deutschland produzierten Einheiten stieg gegenüber dem Vorjahr ebenfalls an, mit 4,6% war die Steigerungsrate hier aber wesentlich geringer als beim Umsatz, was auf größere/teurere Traktoren schließen lässt.  Bei den inländischen Neuzulassungen gab es dagegen ein Minus von rund 11,9%, Tabelle 1.

 

Tabelle 1: Traktorengeschäft in Deutschland (Stückzahlen), ohne Geländefahrzeuge [1]

Table 1: Tractor business in Germany (units), without terrain vehicles [1]

Tabelle 2 beinhaltet die traditionelle Zeitreihe mit den Marktanteilen. Da der VDMA keine markenspezifischen Zulassungszahlen mehr bekannt gibt, wird seit 2020 auf die von der Zeitschrift "Profi" veröffentlichten Marktanteile abgestützt (jeweils in der März-Ausgabe). Aus diesem Grund wurde die Tabelle jetzt angepasst und erweitert. Die Reihenfolge der aufgeführten Hersteller entspricht neu der aktuellen Rangfolge.

John Deere und Fendt konnten ihre Führungspositionen ausbauen, Deutz-Fahr behauptete sich trotz leichtem Rückgang auf dem dritten Platz. Änderungen bei der Rangfolge gab es hingegen bei den Marken Case IH, Claas und Kubota auf den Plätzen vier bis sechs. Im Mittelfeld mussten New Holland, Iseki und S+L+H (Schwestermarken von Deutz-Fahr) Einbußen hinnehmen, die AGCO-Brands Massey Ferguson und Valtra konnten hingegen zulegen.

Detaillierte Zahlen zu den Zulassungen in Deutschland nach Herstellern, Konzernen und Leistungsklassen gibt es ebenfalls jedes Jahr in den März-Ausgaben von "Profi". Für das Berichtsjahr sind sie in [2] zu finden. Auffallend ist einmal mehr die Dominanz von Fendt und John Deere in den mittleren und oberen Leistungsklassen. Das spiegelt sich auch in der Übersicht mit den meistverkauften Modellen der zehn wichtigsten Marken wider.

In der Zeitschrift "eilbote" gab es wiederum einen sehr umfangreichen Beitrag über die Marktzahlen in 20 europäischen Ländern [3]. Diese Zahlen erscheinen immer mit einem zeitlichen Verzug und betreffen deshalb das Jahr 2021.

Tabelle 2: Marktanteile der größeren Anbieter in Deutschland (basierend auf Stückzahlen in % der Gesamtzulassungen, Zahlen 2020 bis 2022 nach [2])

Table 2: Market shares of the major tractor suppliers in Germany (based on unit numbers in % of total registrations, figures 2020 to 2022 according to [2])


Übersichten, Trends, Tests

Übersichten

Marktwertschätzungen sind auch bei Traktoren wichtig, z.B. wenn es um betriebswirtschaft-liche Kalkulationen oder um den Kauf/Verkauf von Gebrauchtmaschinen geht. Bisherige
Berechnungsmethoden basieren oft auf linearen Zusammenhängen zwischen Nutzungs-
intensität, Alter und Marktwert. Unterschiede zwischen Marken und Leistungsklassen sowie unterschiedliche Ausstattungen werden meistens nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. In [4; 5] wurden deshalb Modelle vorgeschlagen, die differenzierte Schätzungen ermöglichen.

Eine Übersicht über den aktuellen Stand bei Smart-Farming-Technologien gab es in einer Spezial-Ausgabe von "Profi" [6]. Beleuchtet wurden darin auch TIM-Systeme (Tractor Implement Management), automatische Lenksysteme und Feldroboter-Konzepte.

Alternative Antriebskonzepte und Kraftstoffe waren im Berichtsjahr erneut vieldiskutierte Themen. Vorträge dazu gab es an den VDI-Tagungen "Land.Technik 2022" [7], "Powertrain
Systems in Mobile Machines 2022" [8] und "AgEng-Land.Technik 2022" [9]. Behandelt wurden die Themen aber auch im Rahmen von anderen Veranstaltungen, beispielsweise an der DeLuTa 2022 [10] und an einem Web-Seminar des Kölner Arbeitskreises Landtechnik
(Zusammenfassung in [11]). Diskussions- und Übersichtsbeiträge dazu gab es z.B. in [12; 13].

Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf führte eine Online-Befragung zum Thema "Kriterien beim Traktorkauf" durch, an welcher sich 2'050 Landwirte, 527 Lohnunternehmer und 163 Landmaschinenhändler beteiligten. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gab es in [14]. Die Kriterien wurden in Abhängigkeit der jährlichen Auslastung ausgewertet: Je höher die Stundenzahl, umso wichtiger werteten die Teilnehmer die Kriterien Komfort, technische Ausstattung und Service des Händlers; die Bedeutung des Kaufpreises nahm hingegen ab.

Trends

Der im letztjährigen Jahrbuch ausführlich skizzierte Stand der Technik und die allgemeinen Trends haben weiterhin Gültigkeit [15]. Im Berichtsjahr konzentrierten sich viele Neuerungen wiederum auf die Kabinen mitsamt Elektronikarchitekturen. Bei den Antriebssträngen und Fahrwerken gab es in den meisten Fällen keine größeren Anpassungen. Ein Beispiel hierfür sind die Fastrac-Baureihen 4000 und 8000 iCON von JCB [16], die mit einem komplett neuen Kabinen-Interieur aufwarten können, Bild 1.

Bild 1: Kabinen-Interieur bei den neuen JCB-Baureihen Fastrac 4000 und 8000 ICON [16]

Figure 1: Cab interior on the new JCB Fastrac 4000 and 8000 ICON ranges [16]

 

Traktoren der oberen 6-Zylinder-Mittelklasse mit Maximalleistungen bis 221 kW, zulässigen Gesamtgewichten bis 16 t, Leergewichten um 10 t und Reifen mit 2,05 m Durchmesser an der Hinterachse (Kategorie 9 nach [17]) werden auf Lohn- und größeren Landwirtschaftsbetrieben häufig als "Allrounder" für Transporte und anspruchsvolle Feldarbeiten eingesetzt. Fendt ist mit der Baureihe 800 hier schon seit vielen Jahren vertreten, mit Deutz-Fahr und Massey
Ferguson haben in der jüngeren Vergangenheit weitere Hersteller solche Traktoren vorgestellt (Serien 7/8 resp. Baureihe 8S).

John Deere führte 2017 mit den Modellen 6230R/6250R als erster Hersteller "leichte Vertreter" der Kategorie 9 ein, das größere (aktuelle Bezeichnung 6R250) gehört in Deutschland seither zu den Bestsellern (siehe [2]). CNH und Fendt folgen diesem Trend und stellten im Berichtsjahr neue Baureihen mit sehr ähnlichen Merkmalen vor, Tabelle 3.

 

Tabelle 3: Gegenüberstellung von leichten Vertretern der Kategorie 9 (Topmodelle)

Table 3: Comparison of lightweight representatives of category 9 (top models)

In einigen europäischen Ländern werden bei Verkehrskontrollen zunehmend Achslasten und Gesamtgewichte kontrolliert. Bei Traktoren, die mit schweren Heckanbaugeräten und Frontballast oder mit Starrdeichselanhängern mit hohen Stützlasten auf öffentlichen Straßen unterwegs sind, werden die maximal zulässigen Gewichte oft überschritten. Dieser Problematik kann mit Traktoren entgegengewirkt werden, die hohe zulässige Achslasten/Gesamtgewichte bei tiefen Leergewichten und somit gute Nutzlast/Leergewicht-Verhältnisse aufweisen.

An der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen (HAFL) wurden die Baureihen von ausgewählten Herstellern analysiert und die Ergebnisse in einer Nutzlast/Leergewicht-Grafik dargestellt, Bild 2. Datenbasis waren die Zahlen aus den Tabellen im zweiten Teil von [17]. Bei Herstellern, die im Berichtsjahr neue Baureihen vorstellten, wurden die Tabellen aktualisiert und die Grafik spiegelt somit den Stand von Ende 2022 wider. Bei den maximal zulässigen Gesamtgewichten liegen Herstellerangaben zu Grunde, bei den Leergewichten Schätzungen des Autors (auf Vierteltonnen gerundet). Die Leergewichte gelten immer für Vollausstattung (Kabine, Allrad, größtmögliche Bereifung, Premium-Getriebe, Fronthydraulik/-zapfwelle usw.) und volle Treibstofftanks (Diesel/AdBlue). Dieser Maximalansatz für die Leergewichte wurde gewählt, weil die Herstellerangaben in Prospekten sehr unterschiedlich sind (Mindestgewichte, mittlere Versandgewichte usw.) und insbesondere bei kleineren Traktoren teilweise bis 20% unter den Vollausstattungsgewichten liegen können [18]. Dazu kommt, dass Hersteller wie Fendt ausschließlich Traktoren mit hohem Spezifikationslevel anbieten. Die Leergewichtsschätzungen basieren auf zahlreichen Erhebungen im Rahmen von Studierenden- und Projektarbeiten an der HAFL in den vergangenen Jahren sowie auf gewogenen Werten von unabhängigen Prüfstellen.

Bild 2: Nutzlast/Leergewicht-Verhältnisse von Traktorbaureihen ausgewählter Hersteller (© HAFL)

Figure 2: Payload/empty weight ratios of tractor series from selected manufacturers (© HAFL)

 

Auf Basis der obengenannten Tabellenwerte wurden auch die beiden Grafiken mit den Leistungsgewichten, Bild 3 und Leergewichten in Abhängigkeit der Radstände erstellt, Bild 4. Bei den Leistungsgewichten auffallend ist die große Heterogenität im unteren und mittleren Leistungsbereich, ab 200 kW liegen die Traktormodelle hingegen relativ nahe beieinander.

Tests

Der DLG-Testzyklus "PowerMix" steht seit knapp 20 Jahren für praxisnahe Verbrauchsmessungen. Seit 2017 werden die zwölf Feldzyklen Pflügen und Grubbern (Belastungsstufen 100 und 60%), Arbeiten mit Kreiselegge und Mähwerk (Belastungsstufen 100, 70 und 40%), Miststreuen und Pressen sowie der Transportzyklus auf dem großen Rollenprüfstand mit zusätz-lichen Belastungseinheiten für Zapfwelle und Hydraulik in Groß-Umstadt "gefahren". Insgesamt 34 Traktoren wurden seither nach dem neuen Verfahren (PowerMix 2.0) gemessen. Eine
Zusammenstellung der ermittelten Verbräuche in l/h für die reinen Zugarbeiten, die Zapfwellenarbeiten und die gemischten Arbeiten gab es in [19]. Weil größere Traktoren in der Regel effizienter sind als kleinere, wurden die Gegenüberstellungen fairerweise in vier unterschied-liche Leistungsgruppen aufgeteilt (bis 88 kW, 89 bis 110 kW, 111 bis 184 kW, über 184 kW).

Bild 3: Leistungsgewichte von Topmodellen ausgewählter Hersteller (Quelle: HAFL)

Figure 3: Mass-to-power ratios of top models from selected manufacturers (Source: HAFL)

Bild 4: Leergewichte in Abhängigkeit der Radstände von aktuellen Traktorbaureihen (Quelle: HAFL)

Figure 4: Unladen weights as a function of the wheelbases of current tractor series (Source: HAFL)

Traktortechnik nach Herstellern

Nachfolgend werden ausgewählte Neu- und Weiterentwicklungen vorgestellt, wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Highlight bei Fendt war 2022 die neue Baureihe 700 Gen7, Bild 5 (siehe auch Tabelle 3). Sie umfasst die Modelle 720, 722, 724, 726 und 728 mit Maximalleistungen von 149 bis 206 kW (ECE-R120). Wie bei den Baureihen 200 und 300 verfügt das Topmodell über das Mehrleistungskonzept "DynamicPerformance", das in Abhängigkeit des effektiven Antriebsleistungsbedarfes von Nebenverbrauchern bis 15 kW Zusatzleistung zur Verfügung stellt [20]. Beim Motor kommt das 6-Zylinder-Aggregat mit 7,5 l Hubraum aus der komplett neuen CORE-Baureihe der Konzernschwester Agco Power zur Anwendung (DOC/DPF/SCR).

Bild 5: Fendt Vario 728, Topmodell der neuen Baureihe 700 Gen7 (Quelle: Fendt)

Figure 5: Fendt Vario 728, top model of the 700 Gen7 series (Source: Fendt)

 

Von den Großtraktorenbaureihen 900 und 1000 übernommen wurden u.a. das Niedrigdrehzahlkonzept (Nenndrehzahl 1.700 min-1), das Concentric-Air-System mit drückendem Lüfter, das VarioDrive-Konzept, die integrierte Reifendruckverstellanlage VarioGrip sowie die flachdichtenden FFC-Hydraulikkupplungen (für Front und Heck, inkl. Power Beyond). Für das Heckhubwerk gibt es neu eine Entlastungsregelung und die Funktion "lastkompensiertes Senken". Ab Ende 2023 soll auch ein Bremsassistent zur Verfügung stehen, der pneumatische An-
hängerbremsen im Schubbetrieb automatisch ansteuert und somit eine Teilstreckung von Traktor-Anhänger-Kombinationen ermöglicht. Die Modelle 720/722/724 der bisherigen 700er-Baureihe (Kategorie 8 nach [17]) bleiben vorerst im Programm.

Nach der Vorstellung der erneuerten und erweiterten Baureihe 6R Ende 2021 konzentrierten sich die Neuheiten bei John Deere im Berichtsjahr auf Spezialtraktoren. Die in Nordamerika bereits vor zwei Jahren vorgestellten Schmalspurmodelle 5ML werden jetzt auch in Europa und neu mit Kabine angeboten. Die hauseigenen 4-Zylinder-Motoren mit 4,5 l Hubraum und AGR/DOC/DPF/SCR erreichen Maximalleistungen bis 100 kW (97/68 EG). Bei den Getrieben stehen die Varianten "PowrQuad" und "Powr8" (4-fach-Lastschaltung mit 16/16 resp. 8-fach-Lastschaltung mit 32/16 V/R-Gängen) aus dem in [21] vorgestellten Getriebebaukasten zur Verfügung. In der neuen 4-Pfosten-Kabine gibt es u.a. das von den Standardtraktoren her bekannte AutoSetup-System "1Click-Go" und ein digitales Anzeigeterminal vor dem Lenkrad mit integriertem Spurführungssystem "AutoTrac".

Highlights bei CNH waren die neuen Topmodelle in der oberen 6-Zylinder-Mittelklasse: New Holland T7.300, Steyr 6280 Absolut und Case IH Puma 260, Bild 6. Mit maximal zulässigen Gesamtgewichten von 15 t, Leergewichten um 9,5 t und Hinterreifen bis 2,05 m Durchmesser handelt es sich ebenfalls um "leichte Neuner" (Tabelle 3). Die von den kompakten Großtraktoren (T7HD/Terrus/Optum, Kategorie 10 nach [17]) her bereits bekannten, größeren Kabinen werden jetzt auch hier verbaut. Steyr verwendet neue Typenbezeichnungen, aus welchen die Maximalleistungen ohne Boost abgeleitet werden können, bei Case IH stehen die Bezeichnungen weiterhin für die Nennleistungen ohne Boost und bei New Holland für die Maximalleistungen mit Boost (jeweils in PS, nach ECE-R120). Markendifferenzierungen gibt es überdies bei den Komfortsystemen: Die neue Option "Advanced Vehicle Suspension" (AVS) steht ausschließlich für Case IH und Steyr zur Verfügung, der "Baler Mode" hingegen nur für New Holland. Bei AVS werden die Federungssysteme von Vorderachse und Kabine mit der Schwingungstilgung beim Heckhubwerk miteinander verknüpft. Der "Baler Mode" führt zu einer
Verminderung der durch die Kolbenhübe von Großballenpressen verursachten Kabinen-
Nickbewegungen (Kompensation über schnelle Motordrehzahlanpassung).

Bild 6: Puma 260: Vertreter der Kategorie "leichte Neuner" aus dem CNH-Konzern (Quelle: Case IH)

Fig. 6: Puma 260: Representative of the "light nines" category from the CNH Group (Source: Case IH)

 

Für das Modell T6.180 Methane Power bietet New Holland neu auch das DynamicCommand-Getriebe mit 8-fach-Lastschaltung und Doppelkupplungstechnik an (Getriebeplan in [21]). Das "Range-Extender-Modul" mit zusätzlichen CNG-Behältern für den Frontanbau konnte mittlerweile homologiert werden.

Da der Energiegehalt von CNG (Compressed Natural Gas, 200 bar) pro Liter Tankvolumen im Vergleich zu Diesel relativ gering ist und die Einsatzzeiten von entsprechenden Gasfahr-
zeugen eingeschränkt sind, stellte New Holland Ende 2022 in den USA einen T7.270-Prototyp mit LNG-Behältern vor (Liquified Natural Gas). Bei LKW's wird das tiefkalte LNG (mindestens
-162° C) üblicherweise in zylinderförmigen, vakuum-isolierten Behältern mitgeführt. Bei geringen Fahrleistungen oder längeren Standzeiten erwärmt sich das LNG und wird gasförmig (CNG). Das sogenannte Boil-off-Gas muss ab einem bestimmten Druck über Sicherheitsventile abgelassen werden können, was wegen der klimaschädigenden Wirkung von Methan aber unerwünscht ist. In Zusammenarbeit mit der britischen Firma Bennamann Ltd entwickelte New Holland für den LNG-Prototyp deshalb ein Kühlsystem, welches das Methan ständig auf unter -162°C und somit in flüssigem Zustand hält [22]. Die LNG-Behälter aus Edelstahl sind zwecks guter Platzausnutzung zudem ähnlich geformt wie Dieseltanks.

Im Rahmen der gleichen Veranstaltung stellte New Holland den Prototyp T4 Electric Power vor. Der batterieelektrische Traktor wurde in Zusammenarbeit mit der US-Firma Monarch
Tractor entwickelt. Nach ersten Informationen arbeitet dieser mit einem zentralen E-Motor mit 55/88 kW (Dauer-/Peakleistung), die Batterie weist eine Kapazität von 95 kWh auf. Im Kabinendach sind Sensoren untergebracht, die autonome Fahrfunktionen ermöglichen sollen [22]. Als Markteinführungstermin wurde Ende 2023 genannt und der Traktor soll in Zukunft auch in Case-IH-Farben angeboten werden.

SDF stellte das Produktangebot in der Kompakt- und in der 6-Zylinder-Mittelklasse in den letzten zwei Jahren stark um. Zwischen den "kleinen" Modellen der Serie 6 (6120/6130/6140 TTV,
aktuell 6115C/6125C/6135C) und den bisherigen 6.4ern klaffte seit längerer Zeit eine Lücke, die mit den Modellen 6130.4, 6140.4 und 6150.4 jetzt geschlossen wird, Tabelle 4.

 

Tabelle 4: Aktuelle Baureihen von Deutz-Fahr in der 4-Zylinder-Mittelklasse

Table 4: Current Deutz-Fahr series in the 4-cylinder medium class

Damit hat Deutz-Fahr neu auch typische Vertreter der Kategorie 6 (nach [17]) im Angebot. Angetrieben werden diese von hauseigenen FARMotion-Motoren, die mit Turboladern mit
variabler Geometrie und den Abgastechnologien AGR/DOC/DPF/SCR ausgestattet sind. Bei den Getrieben stehen die Varianten "RVshift" und "TTV" zur Verfügung (Getriebeplan und Beschreibung in [20]). Die Serie 6C wurde Ende 2021 mit 3.6-l-Motoren von Deutz vorgestellt, seit Anfang 2023 werden aber nur noch FARMotion-Aggregate verbaut.

Überarbeitet wurden überdies die größeren Modelle der Serie 6 mit den 6-fach-Lastschalt-getrieben "Powershift/RCshift" (PS/RC). Die damit teilweise einhergehenden neuen Bezeichnungen erschweren den Überblick über die bisher schon komplexe Produktwelt von Deutz-Fahr allerdings zusätzlich. So lauten die neuen 4-Zylinder-Modelle auf 6160.4 und 6170.4, obwohl sie mit dem Trio 6155.4/6165.4/6175.4 TTV von der Baugröße her vergleichbar sind (Tabelle 4). Die 6-Zylinder 6190, 6210 und 6230 PS/RC hingegen sind trotz identischer Zahlenwerte auf den Hauben und gleichen Motorleistungen nicht in der gleichen "Liga" wie die stufenlosen TTV-Modelle 6190, 6210, 6230 und 6230 HD (Kategorien 7b/8 vs. 8/9 nach [17]).

Claas feierte im Berichtsjahr "25 Jahre Serienfertigung des XERION". In [23] werden die Entwicklungsschritte vom ersten Modell XERION 2500 mit Caterpillar-Motor und HM8-Stufenlosgetriebe bis zu den aktuellen Modellen aufgezeigt, Bild 7. Die Pressemitteilung enthält auch zwei Links, die zu informativen Bildergalerien führen.

Zum Modelljahr 2023 erhält die XERION-Baureihe ein Technik-Upgrade. Kernstück ist das optimierte ZF-Stufenlosgetriebe Eccom 5.5 mit neuem Pumpenverteilergetriebe. Dieses ermöglicht eine Tandempumpe (optional), mit welcher schon bei niedrigen Motordrehzahlen Ölfördermengen bis zu 422 l/min für externe Verbraucher bereitgestellt werden können.

 

Bild 7: Aktuelle XERION-Palette von Claas: Trac TS, Trac, Trac VC und Saddle Trac [23]

Figure 7: Current XERION range from Claas: Trac TS, Trac, Trac VC and Saddle Trac [23]

 

Ein weiteres Jubiläum war "25 Jahre TERRA TRAC von Claas aus Paderborn - 35 Jahre TERRA TRAC Erfahrung" [24]. Bis Mitte 2022 wurden in Paderborn 35.000 dieser Raupenlaufwerke gebaut. Für die Großtraktoren Axion TERRA TRAC werden neben den bisherigen Laufwerksbreiten mit 635 und 735 mm neu Varianten mit 457 und 890 mm angeboten. Die 457er-Bänder für Reihenkulturen und die 635/735er-Standardbänder sind auch in Kombination mit 3 m Spurbreite erhältlich, was beispielsweise für "Controlled Traffic Farming" relevant sein kann.

2022er-Highlight bei Valtra war die Vorstellung der Q-Serie (fünf Modelle), die auf der
gleichen Plattform basiert wie die Baureihe 8S der Konzernschwester Massey Ferguson. Der Agco-Power-Motor (6-Zylinder, 7,4 l Hubraum, Brutto-Maximalleistungen von 184 - 224 kW), das Stufenlosgetriebe (ML260 von Fendt) und der Radstand von 3,05 m sind damit identisch. Klare Markendifferenzierungen gibt es hingegen bei der luftgefederten Vorderachse und der von den Baureihen N/T her bekannten Kabine, die bei der Q-Serie auch mit TwinTrac-
Rückfahreinrichtung erhältlich ist. Über "Valtra Unlimited" können die Traktoren ab Werk mit Sonderausstattungen wie Zentralschmier- oder Reifendruckverstellanlage bestellt werden.  

Die koreanische Firma Daedong bietet in Europa unter dem Markennamen Kioti ab 2023 auch Landwirtschaftstraktoren an. Die HX-Baureihe umfasst drei Modelle mit Leistungen von 70 bis 86 kW, das Topmodelle HX 1201 erreicht mit manuell zuschaltbaren Boost eine Maximalleistung von 93 kW. Der 4-Zylinder-Motor mit 3,8 l Hubraum erfüllt die Abgasstufe V mit DOC/DPF/SCR und stammt wie das 32/32-Getriebe mit 2-fach-Lastschaltung und die Achsen aus eigener Entwicklung/Fertigung. Auf diesen Komponenten gewährt der Hersteller eine
Garantie von fünf Jahren oder 3.000 Betriebsstunden.

Besondere Bauarten

Zahlreiche Neuheiten gab es im Berichtsjahr bei Spezial-/Schmalspurtraktoren. Während die Einführung von Abgasstufe-V-konformen Motoren bei Standardtraktoren bereits in den letzten Jahren erfolgte, war sie hier teilweise noch ein "Neuheitentreiber". Mehrere Hersteller lassen ihre Spezialtraktoren bei Carraro in Italien entwickeln und fertigen, weshalb die entsprechenden Baureihen ähnliche Bau- und Leistungsmerkmale aufweisen (Beispiele: Claas Nexos, John Deere 5G, Massey Ferguson 3, Valtra F). Markenspezifische Unterschiede gibt es jeweils beim Styling und bei der Kabinenausstattung. Auch Kubota und SDF überarbeiteten ihre eigenen Schmalspurtraktor-Baureihen (M5002 Narrow resp. 5D F/V/S).

Rigitrac baut den batterieelektrischen Traktor SKE 40 mit 40/64 kW Dauer-/Peakleistung (Fahrantrieb) seit der zweiten Jahreshälfte 2022 in Kleinserie, Bild 8.

Bild 8: Rigitrac SKE 40 Electric: Auf der rechten Seite in Originalfarben, auf der linken in denjenigen von Keestrack (Quelle: Rigitrac)

Figure 8: Rigitrac SKE40 Electric: On the right side in original colours, on the left in those of Keestrack (Source: Rigitrac)

 

Das technische Konzept wurde bereits in [25] beschrieben. Im Oktober 2022 kündigte Rigitrac für diesen Traktor eine Produktions- und Vertriebskooperation mit der belgischen Firma Kees-track, einem weltweit führenden Hersteller von mobilen Brech- und Siebanlagen für Baumaterialien, an. Keestrack übernahm von der chinesischen Foton-Lovol (Arbos) Anfang 2021 das Goldoni-Traktorenwerk in Italien und baut die bekannten Spezialtraktoren dort seither wieder in den Originalfarben. Ab Mitte 2023 soll hier auch der Schweizer E-Traktor gebaut werden, als "Rigitrac SKE 40" für die D-A-CH-Region und als "Keestrack B1e" für die übrigen Märkte.

Das 2018 gegründete Start-up-Unternehmen Monarch Tractor kündigte den Serienstart des eigenen batterieelektrischen Kleintraktors MK-V 4 auf Anfang 2023 an [26]. Dieser hat eine Leistung von 30/52 kW (Dauer/Peak) und ist mit einem Schnellwechselsystem für die Batterien ausgestattet. Der Einsatz soll mit oder ohne Fahrer (autonom) möglich sein.

Traktor und Gerät

Traktoren können ziehen, schieben, tragen, antreiben (…) und sind somit "Multitalente". Ein Arbeitsprozess ausführen lässt sich mit diesen aber erst, wenn sie mit Anbaugeräten und
Anhängern kombiniert werden. Zur Optimierung dieses Zusammenspiels im Hinblick auf eine erhöhte Produktivität und Sicherheit stellten die Traktorenhersteller in den vergangenen Jahren zahlreiche Assistenzsysteme vor. Einige typische Beispiele wurden im letztjährigen Bericht skizziert [15]. In [27] wurde über ein Forschungsprojekt mit einem Güllefass mit lenkbarem und angetriebenem Raupenlaufwerk berichtet. Durch das spurtreue Nachlaufen hinter dem Traktor bei Kurvenfahrten sollen u.a. Schäden an Kulturen vermindert werden können.

Zusammenfassung

Die deutschen Traktorenhersteller konnten auch 2022 ein hohes Umsatzwachstum ausweisen. Die Anzahl der produzierten Traktoren wuchs mit 4,6% aber nicht im gleichen Ausmaß, die inländischen Neuzulassungen gingen sogar um 11,9% zurück. Der im letztjährigen Jahrbuch skizzierte Stand der Technik und die allgemeinen Trends haben weiterhin Gültigkeit. An der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften wurden die Nutzlast/Leergewichtsverhältnisse von aktuellen Traktorbaureihen analysiert und in einer Grafik dargestellt. Fendt und Valtra stellten mit der siebten 700er-Generation resp. der Q-Serie komplett neue Baureihen vor. Auch CNH stößt mit neuen Modellen in die auf Lohn- und größeren Landwirtschaftsbetrieben häufig anzutreffende obere 6-Zylinder-Mittelklasse vor. Viele Neuheiten gab es zudem bei Spezialtraktoren, ein wichtiger "Treiber" war hier teilweise noch die Umstellung auf Abgasstufe-V-Motoren. Alternative Kraftstoffe und Antriebskonzepte waren wiederum vieldiskutierte Themen. New Holland stellte zwei Prototypen vor, den T7.270 Methane Power mit LNG-Tanks und den Kompakttraktor T4 Electric Power. Rigitrac baut den batterieelektrischen SKE 40 mittlerweile in Kleinserie, Monarch Tractor kündigte den Serienstart des E-Kleintraktors MK-V 4 für 2023 an.

Literatur

[1]     N.N.: Informationen des VDMA Landtechnik, Frankfurt/M. Stand: Februar 2023.

[2]     Bensing, T.: Zum Teil fehlen Teile. Profi 35 (2023) H. 3, S. 72-75.

[3]     Schulze Ising, A.: Starkes Plus im zweistelligen Bereich - Traktorenzulassungen Europa 2021. Eilbote 70 (2022) H. 16, S. 6-16.

[4]     Witte, F.; Back, H.; Sponagel, C.; Bahrs, E.: Restwertentwicklung von Traktoren - Plädoyer für die Anwendung einer differenzierten Marktwertschätzung. Landtechnik 77 (2022), Seite 1-20. DOI:10.15150/lt.2022.3273.

[5]     Ivan, H.-M.; Luis, R.-G. A: New Method and Model for the Estimation of Residual Value of Agricultural Tractors. Agriculture 2023, 13, 409. URL: https://doi.org/103390/agriculture13020409.

[6]     N.N.: Smart Farming. Profi Spezial. 06/2022.

[7]     VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): Tagungsband Land.Technik 2022, 25. Februar 2022 (online). VDI-Bericht 2395, Düsseldorf: VDI-Verlag.

[8]     VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): Tagungsband Powertrain Systems in Mobile Machines 2022, 6./7.7.2022 Baden-Baden. VDI-Bericht 2402, Düsseldorf: VDI-Verlag.

[9]     VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): Tagungsband AgEng-Land.Technik 2022,
22 /23. November 2022 Berlin. VDI-Bericht 2406, Düsseldorf: VDI-Verlag.

[10]   Stirnimann, R.: Alternative Antriebskonzepte in der Landtechnik. Vortrag DeLuTa 2022, 7./8. Dezember 2022 Bremen. URL: https://www.lohnunternehmen.de/download-center/ (Download erfordert Mitglieder-Login).

[11]   Bitterlich, K.: Experten diskutieren: Was tanken wir morgen? Eilbote 70 (2022) H. 11, S. 8-9.

[12]   Neumann, H.: Teller-Tank-Diskussion neu entfacht. Eilbote 70 (2022) H. 11, S. 12-14.

[13]   Stirnimann, R.: Alternative Antriebskonzepte - einer für alles auch in Zukunft? Lohnunternehmen 75 (2022) H. 3, S. 48-55.

[14]   Franke, N.; Wilmer, H.: Was beeinflusst die Kaufentscheidung? Profi 34 (2022) H. 12, S. 92-94.

[15]   Stirnimann, R.: Gesamtentwicklung Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2021. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2022. S. 1-14.

[16]   N.N.: JCB iCON. Eilbote 70 (2022) H. 19, S. 16-17.

[17]   Stirnimann, R.: Better to compare apples with apples / The body mass index for tractors. URL: https://eil.to/bmitractors, Zugriff am: 29.01.2023.

[18]   Chervet, A.: Leergewichte bei Standardtraktoren - Herstellerangaben vs. effektive Werte. Semesterarbeit Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Zollikofen, 2019.

[19]   Wilmer, H.: Deutliche Unterschiede. Profi 34 (2022) H. 12, S. 22-25.

[20]   Geimer, M.; Stirnimann, R.; Renius, K. Th.: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2021. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2022. S. 1-13.

[21]   Geimer, M.; Renius, K. Th.; Stirnimann, R.: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2017. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2018. S. 1-11.

[22]   Clonts, C.: CNH introduces battery-electric, autonomous-ready tractor. URL:
https://www.sae.org/news/2022/12/cnh-tech-day-new-tractors, Zugriff am 19.02.2023

[23]   N.N.: Claas feiert 25 Jahre Serienfertigung des XERION mit limitierter Sonderedition. Claas Pressemitteilung 04.08.2022.

[24]   N.N.: 25 Jahre TERRA TRAC von Claas aus Paderborn - 35 Jahre TERRA TRAC Erfahrung. Claas Pressemitteilung 25.05.2022.

[25]   Stirnimann, R.; Renius, K. Th.; Geimer, M.: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2020. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2021. S. 1-13.

[26]   N.N.: Monarch Tractor and CNH Industrial Announce Next Phase of Technical Licensing Agreement. URL: https://www.monarchtractor.com/news/cnhi-licensing-agreement-electric-tractor?hsLang=en, Zugriff am 19.02.2023.

[27]   Gross-Hardt, S.; Korte, H.: Smart Traction – Design and Experimental Set up of a Track and Traction-Regulated Caterpillar-Track Chassis for Agricultural Tractor-Trailer Combinations. VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): Tagungsband AgEng-Land.Technik 2022, 22 /23. November 2022 Berlin. VDI-Bericht 2406, Düsseldorf: VDI-Verlag.

Autorendaten

Dipl.-Ing. agr. FH, Dipl.-Ing. Wirtschaft FH, Executive MBA Roger Stirnimann ist Agrartechnik-Dozent an der Berner Fachhochschule.

Empfohlene Zitierweise:
Stirnimann, Roger: Gesamtentwicklung Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2022. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2023. – S. 1-15

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