Beitrag in Jahrbuch 2019

Pflanzenschutz-, Dünge- und Bewässerungstechnik Gezielter und flexibler – Trends in der Pflanzenschutztechnik

Kurzfassung:

In der Pflanzenschutztechnik hat es auch in diesem Jahr wieder viele technische Innovationen gegeben, die zukünftig Einzug in die Praxis halten könnten. Im Schatten des Trends zum „Hacken“ ist auch das Thema Bandspritzung wieder aktuell und mit neuen Optionen vertreten.   Die Anzahl an Systemen zur Pulsweitenmodulation auf dem deutschen Markt nimmt weiterhin zu und dient als Basis zur Etablierung von Funktionalitäten wie der Anpassung der Ausbringungsmenge in Kurvenfahrten oder zur teilflächenspezifischen Applikation in der Praxis. Des Weiteren gibt es neue und vielversprechende Systeme zur digitalen Unterstützung der Anwender, bei denen der gesamte Prozess im Fokus steht. Auch völlig neue Ansätze wie die Fahrgassenabschaltung zeigen auf, dass die Möglichkeiten zur Pflanzenschutzmitteleinsparung noch nicht ausgereizt sind.

Volltext

Neue Entwicklungen aus dem Pflanzenschutz

Bandspritzung mit der Flächenspritze

Vor dem Hintergrund der „Wiederentdeckung“ der mechanischen Unkrautbekämpfung in Reihenkulturen wird auch das Thema Bandspritzung wieder aktuell. Üblicherweise wurden dazu in der Vergangenheit die Verfahren Hacken und Spritzen in einer Maschine kombiniert. Weil aber die idealen Einsatzzeitpunkte beim Hacken – warm, windig und trocken – im Kontrast zum Spritzen – bedeckt und windstill – stehen, bieten einige Hersteller Lösungen zur Verfahrenstrennung an. Dabei übernimmt die klassische Feldspritze auch die Bandspritzung. Das System AmaSelect Row von Amazone kann wahlweise die gesamte Fläche oder auch nur Bänder behandeln. Für letzteres werden spezielle Düsen mit 40° Spritzwinkel eingesetzt. Damit können Kulturpflanzen mit Reihenweiten von 50 cm behandelt werden. Mit Hilfe eines Verlagerungssatzes kann der Düsenabstand auf 25 cm verringert werden, so dass auch Reihenweiten von 25 cm und 75 cm möglich werden. Beim System Dammann RSD kommt dagegen neben der Standarddüsenleitung eine weitere Düsenleitung mit Bandspritzdüsen zum Einsatz. Mit Hilfe eines Kamerasystems werden die Kulturpflanzenreihen erfasst. Die Position der Düsen der Bandspritzleitung kann durch seitliches Verschieben automatisch an die Reihe angepasst werden.

Pulsweitenmodulation

Die Pulsweitenmodulation (PWM) ist schon seit Jahren ein Thema und wird mittlerweile auf dem deutschen Markt von verschiedenen Herstellern angeboten. Neben Teejet, Amazone und John Deere bieten mittlerweile beispielsweise auch Dammann, Hardi oder Kuhn PWM-Systeme an. Sie ermöglichen die Realisierung verschiedener Ausbringmengen bei annähernd gleichem Druck und gleicher Tropfengröße mit nur einem Düsenkaliber. Erreicht wird dies durch hochfrequentes An- und Ausschalten der Düsen, wobei die Länge der Einschaltzeit (Pulsweite) die Durchflussmenge bestimmt. Aktuelle Systeme arbeiten mit 15 bis 50 Hz. Die PWM ermöglicht darüber hinaus weitere Funktionen wie die Anpassung der Ausbringmenge in Kurvenfahrten oder in Teilflächen. Das JKI hat mittlerweile mehrere Düsen/PWM-System Kombinationen geprüft und deren Funktionalität anerkannt [1].

Teilflächenspezifische Applikation

Auch beim Thema teilflächenspezifische Behandlung von Ackerflächen gibt es wieder neue Entwicklungen. Beim Hardy Twin Force Pulse System erfolgt eine Unkrauterkennung per Kamera sowie eine darauf abgestimmte Spot-Applikation mittels PWM und Luftunterstützung. Voraussetzung für eine sichere Unkrauterkennung durch die Kamera ist eine ruhige und exakte Führung des Gestänges. Dazu wurden auf der Agritechnica das hydraulische AntiSwing-System und eine veränderliche Gestängegeometrie vorgestellt. Die Verbindung mit der luftgestützten Applikation soll für einen sicheren Transport auch mittlerer und kleiner Tropfen zum detektierten Zielobjekt sorgen, die bei der Bekämpfung von Unkräutern in frühen Entwicklungsstadien von Vorteil sind.

Auch das System Smart Sprayer der Kooperationspartner Amazone, Bosch und BASF zielt auf die teilflächenspezifische Applikation ab. Die Bilderfassung erfolgt über eine Kombination aus LED- und Kameratechnik im Gestänge, die im Abstand von 1 m über die gesamte Arbeitsbreite angeordnet sind. Die LEDs sorgen für ausreichende Ausleuchtung der Bildaufnahmen bei Nacht oder bei Verschattungen. Die Steuerung der Behandlung erfolgt durch einen Algorithmus, der erst bei Überschreitung einer vorgegebenen Anzahl an Unkräutern pro Flächeneinheit (Schadschwellenprinzip) eine gezielte Applikation auslöst. Bei unsicherer Datenlage schaltet das System automatisch auf Flächenspritzen um.

Einen weiteren Ansatz stellt John Deere mit dem Exact Apply Dual System vor. Dabei geht es um die unterschiedliche Behandlung der Flächen innerhalb von Reihenkulturen: zwischen den Reihen und in den Reihen. Während zwischen den Reihen beispielsweise ein Herbizid gespritzt wird, kann das System in den Reihen z. B. ein Fungizid oder Düngemittel ausbringen. Ermöglicht wird diese Zwei-Phasen-Behandlung über eine Zweiteilung des Flüssigkeitssystems sowie durch ein Kamerasystem zur Unkraut- und Kulturpflanzenerkennung.

Neben diesen online-Ansätzen zur teilflächenspezifischen Applikation werden vermehrt auch UAV zur Erkennung von Unkräutern im offline-Verfahren vor der eigentlichen Applikation eingesetzt. So arbeiten beispielsweise Amazone Dronelink oder Kuhn I-Spray auf Basis von Hyperspektralbildern sowie Bildanalyseverfahren mit selbstlernenden Algorithmen (künstliche Intelligenz), um eine punktuelle Bekämpfung unerwünschter Unkräuter zu ermöglichen.  Dadurch entsteht zwar ein zusätzlicher Arbeitsschritt; die Problematik unkalkulierbarer Restmengen bei der online-Variante entfällt aber. Letzteres ergibt erst mit Geräten mit Direkteinspeisung wirklich Sinn, weil dann auch dort die Restmengenproblematik entfällt.

Digitales Assistenzsystem

Nach dem auf der Agritechnica 2017 eine Pflanzenschutzspritze mit Direkteinspeisung von Dammann vorgestellt wurde [2 bis 4] folgte auf der Agritechnica 2019 die Präsentation eines Prototyps für ein digitales Assistenzsystem, mit dem die Vorteile der Direkteinspeisung in der Praxis auch umgesetzt werden können [5; 6].

Grundidee ist es, dass das digitale Assistenzsystem den Anwender durch den gesamten komplexen Prozess des Pflanzenschutzes – von der Planung über die Arbeitsvorbereitung, Applikation, bis zur Dokumentation – begleitet und ihn zudem bei der Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben unterstützt. Auch die automatisierte Erstellung von Applikationskarten für die teilflächenspezifische Behandlung auf Grundlage von Unkrautbonituren ist Teil des Assistenzsystems.

Herzstück ist eine Web-GIS Anwendung, in der Informationen aus verschiedenen bereits vorhandenen oder in der Entwicklung befindlichen Quellen zusammengeführt und aufbereitet werden (Bild 1). Ergebnis ist eine digitale Applikationskarte, die auf das Pflanzenschutzgerät geladen wird und die nachfolgende Applikation automatisiert, unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben, steuert. Während der Behandlung werden Applikationsparameter sowie Umweltbedingungen erfasst und in der digitalen Karte dokumentiert. Diese kann nach Arbeitsende zur Dokumentation in das Farm-Management System übertragen werden. Darüber hinaus soll das System situationsgerecht Informationen (z. B. zu Anwenderschutzbestimmungen beim Anmischen, bei der Applikation, bei Nachfolgearbeiten) zur Verfügung stellen und dem Anwender während der Applikation vorhandene Risiken (z. B. dauerhaft höhere Windgeschwindigkeiten > 5 m/s) bedarfsgerecht kommunizieren. Nutzen mehrere Betriebe einer Region das digitale Assistenzsystem, dann kann über ein anonymisiertes Benchmarking eine Bewertung der eigenen Pflanzenschutzstrategie im regionalen Kontext vorgenommen werden.  Mit Ausnahme des Unkraut Services soll das System auch auf konventionellen Spritzen genutzt werden können.

Bild 1: Komponenten des digitalen Assistenzsystems.

Figure 1: Components of the digital assistance system.

 

Fahrgassenschaltung

In vielen Betrieben werden die Fahrgassen für spätere Pflegearbeiten bereits bei der Aussaat durch das Weglassen von Drillreihen gezielt angelegt. Weil dort keine Kulturpflanzen stehen und außerdem die Gefahr des Run-off von Pflanzenschutzmitteln auf dem nackten Boden am größten ist, empfiehlt es sich, die Fahrgasse bei der Applikation auszusparen (Bild 2). Horsch stellt dazu mit der Fahrgassenschaltung eine flexible Lösung für unterschiedliche Spur- und Reifenbreiten vor, die zusammen mit dem JKI entwickelt wurde [7]. Das System verspricht eine randscharfe Applikation zur Fahrgasse, so dass der Bestand gleichmäßig behandelt wird und die Fahrgasse gleichzeitig sauber ausgespart bleibt. Das System kann per Knopfdruck ein- und ausgeschaltet werden. Je nach praxisüblichen Reifen- und Arbeitsbreiten sind zudem Einsparungen an Pflanzenschutzmitteln in Höhe von etwa 3‑5 % möglich.

Bild 2: Aussparung der Fahrgasse bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln durch eine Fahrgassenabschaltung.

Figure 2: Cut-out of the tramline when applying crop protection agents by switching off the tramline.

 

Zusammenfassung

In der Pflanzenschutztechnik geht der Trend zur gezielten Applikation ungebremst weiter. Sensorgesteuerte Systeme unterstützen den Anwender und entlasten ihn von Routineaufgaben. Digitale Assistenz ist nunmehr auch entlang des gesamten Prozesses möglich und sorgt für eine weitere Minderung von Risiken, indem der Anwender situationsgerecht mit Informationen versorgt und in seinen Entscheidungen unterstützt wird. Aber auch neue Ansätze wie die Fahrgassenschaltung können zu einer weiteren Minimierung der notwendigen Menge an Pflanzenschutzmittel beitragen.

Literatur

[1]     Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz (Hrsg.): Prüfbericht G 2049: Elektronische Düsensteuerung mit Pulsweitenmodulation TeeJet „DynaJet“ ; Anerkannt für die Verwendung mit Spritz– und Sprühgeräten für Flächenkulturen. Geräteprüfberichte des Julius Kühn-Instituts, 2019, 4 Seiten.

[2]     Wegener, J.-K.; Krebs, M.; Rautmann, D. und Nordmeyer, H.: Teilflächenspezifische Applikation von Pflanzenschutzmitteln – Stand der Technik und aktuelle Herausforderungen. In: DLG (Hrsg.): Tagungsband der Tagung Land.Technik für Profis 2016: Pflanzenschutz, S. 33-46.

[3]     Pohl, J. P.; Rautmann, D.; Nordmeyer, H. und von Hörsten, D.: Site-specific application of plant protection products in Precision Farming by direct injection. Advances in Animal Biosciences 8(2), 2017, S. 255-258.

[4]     Pohl, J.-P.; Rautmann, D.; Nordmeyer, H. und von Hörsten, D.: Teilflächenspezifische Unkrautbekämpfung durch Direkteinspeisung - eine Innovation zur präzisen Applikation im Pflanzenbau. In: Nordmeyer, Henning; Ulber, Lena (Hrsg.): Tagungsband 28. Deutsche Arbeitsbesprechung über Fragen der Unkrautbiologie und -bekämpfung, 27. Februar - 1. März 2018, Braunschweig (Julius-Kühn-Archiv 458), Quedlinburg, S. 373-378.

[5]     Pohl, J.-P. et al.: Assistenzsystem für den teilflächenspezifischen Einsatz von Herbiziden. Tagungsband 29. Deutsche Arbeitsbesprechung über Fragen der Unkrautbiologie und -bekämpfung: 3. - 5. März 2020, Braunschweig (Julius-Kühn-Archiv 464), zur Veröffentlichung angenommen.

[6]     Pohl, J.-P.; von Hörsten, D. und Wegener, J.-K.: Digitales Assistenzsystem zur teilflächenspezifischen Applikation mit Direkteinspeisung von Pflanzenschutzmitteln. Fokus: Digitalisierung für Mensch, Umwelt und Tier; Referate der 40. GIL-Jahrestagung 17. - 18. Februar 2020 in Freising-Weihenstephan, zur Veröffentlichung angenommen.

[7]     Bröring, J. und von Hörsten, D.: Düsenkombinationen und -anordnungen für den Einsatz mit einer Fahrgassenabschaltung bei Feldspritzgeräten. Gesunde Pflanzen 71 (Suppl. 1), 2019, S. 45-49.

Autorendaten

Prof. Dr. Jens Karl Wegener ist Direktor und Professor am Julius Kühn-Institut - Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz in Braunschweig.

 

Empfohlene Zitierweise:
Wegener, Jens Karl: Gezielter und flexibler – Trends in der Pflanzenschutztechnik. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2019. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2020. – S. 1-7

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