Beitrag in Jahrbuch 2019

Digitalisierung und Automatisierung Arbeitswissenschaft

Kurzfassung:

Die landwirtschaftlichen Arbeitswissenschaften sind sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung darauf fokussiert, Arbeitsabläufe zu optimieren, neu zu gestalten, Schwachstellenanalysen durchzuführen sowie Rationalisierungs- und Optimierungspotential aufzudecken. Im Berichtszeitraum wurden in diesem Zusammenhang wesentliche Forschungsarbeiten im Bereich von verschiedenen Assistenzsystemen durchgeführt. Damit kann im Rahmen von Smart Farming Ansätzen sowohl eine Bedienerunterstützung bei der Arbeit in Feld und Stall, aber auch bei Büro- und Führungstätigkeiten herbeigeführt werden. Auch ergonomische Aspekte finden hierbei Berücksichtigung.

Volltext

Arbeitszeitbedarf

Zur Arbeitszeiterfassung in der Außenwirtschaft bieten sich mittlerweile mehrere automatisiert erfassende Zeiterfassungssysteme in Kombination mit ISOBUS und GPS an. Damit können Maschineneffizienz, Arbeitsleistungen, Simulationen und schlussendlich auch Optimierungsmaßnahmen dargestellt werden [1]. In der Innenwirtschaft hat sich die sensorgestützte Zeiterfassung neben der videogestützten Analyse etabliert [2]. Dabei erfolgt die Zeitmessung mit händischen Verfahren und die Einflussgrößenerfassung über Sensorsysteme. Videobasierte Arbeitszeitmessungen mit Körperkameras werden von [3] untersucht. Ob ein breiter Praxiseinsatz allerdings möglich ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Arbeitszeitbedarfskalkulationen finden weitestgehend mit datenbankgestützten und standardisierten Modellkalkulationssystemen statt [4]. Zeitgemäße arbeitswirtschaftliche Kennzahlen für die häufigsten Verfahren in der Kälber- und Milchviehhaltung werden von [5] publiziert.

 

Bild 1: Arbeitszeitbedarf für konventionelle Melkverfahren mit unterschiedlichem Automatisierungsgrad (EMA: Eimermelkanlage, RMA: Rohrmelkanlage, TD: Tandemmelkstand, ATD: Autotandemmelkstand, FGM: Fischgrätenmelkstand, SbS: Side by Side Melkstand, Rot: Rotationsmelkstand), [5]

Figure 1: Working time requirements for conventional milking methods with varying degrees of automation (EMA: bucket milking plant, RMA: pipeline milking plant, TD: tandem milking parlor, ATD: autotandem milking parlor, FGM: herringbone milking parlor, SbS: side-by-side milking parlor, rot: rotary milking parlor), [5]

 

Der Arbeitszeitbedarf im Vergleich von konventioneller und automatisierter Fütterungstechnik wird von [6] in modellierter Form dargestellt. Die Autoren stellen die Vorteilhaftigkeit der Arbeitszeitbedarfskalkulationen heraus, um damit festzuhalten, wie diese in ein Entscheidungsunterstützungssystem integriert werden können.

Arbeitsorganisation und Unternehmensführung

Die Zusammenstellung von Maschinen und den dazu benötigten Geräten für Ackerbautätigkeiten wird von [7] dargestellt. Die Autoren nutzen hierfür KTBL-Datenbanken und eine Brute-Force Methode, bei der sie sämtliche potenziellen Möglichkeiten in Betracht ziehen und das Optimum daraus berechnen (siehe Bild 2).

Bild 2: Prinzipieller Simulationsaufbau zur Berechnung der Mechanisierung im Ackerbau [7]

Figure 2: Principle simulation setup for calculating mechanization in agriculture [7]

 

Der gesamte Bereich der Betriebs- und Unternehmensführung wird im Betrachtungszeitraum ebenfalls von mehreren Autoren untersucht. Dabei wird festgestellt, dass der Trend zu mehr Dokumentationspflichten mit hohem täglichen Zeitaufwand anhält. Digitale Lösungen bieten hier zwar in Form von Entscheidungsunterstützungssystemen Hilfestellungen an, sind aber noch nicht systembasiert [8; 9]. FMIS (Farm Management Informationssysteme) könnten hier bei vielen Dokumentations- und Nachweispflichten zwar helfen, sind aber noch nicht auf der Unternehmensebene verfügbar [2].

Ergonomie

Physische und psychische Belastungen wirken auf den menschlichen Organismus ein und führen zu unterschiedlichen Beanspruchungen. Insbesondere soziale, emotionale und psychische Belastungen führen in der modernen Landwirtschaft vermehrt zu Stress mit physiologischen und psychischen Folgen. In verschiedenen Stressmodellen reagiert dann immer zunächst die schwächste Stelle eines Organismus. In der Landwirtschaft sind das häufig Beanspruchungsfolgen wie Leistungsschwankungen, Fehlzeiten oder auch der Konsum von Rauschmitteln [10; 11]. In hochtechnisierten Betrieben wird dies zunehmend problematisch, da die einzelnen Arbeitspersonen ständig eine hohe Verantwortungsbereitschaft für viele Tiere und kostenintensive Maschinen zeigen müssen. Als Stressdämpfer können Urlaubstage mit sinnvollen Beschäftigungen, Pausen sowie soziale Kontakte wirken (Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Europa, 2018 [12]).

Adaptive Bedienarmlehnen in Schlepperkabinen können dazu beitragen, die körperlichen Belastungen zu senken und dem Fahrer eine optimale Unterstützung zu bieten. Damit werden Arbeitsleistungen gesichert [13; 14]. Die objektive ergonomische Bewertung ist ebenfalls Gegenstand verschiedener Forschungsarbeiten [15].

Bild 3: Prototyp einer adaptiven Bedienarmlehne zur optimierten Fahrerunterstützung [15]

Figure 3: Prototype of an adaptive control armrest for optimized driver support [15]

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag fasst die wesentlichen arbeitswirtschaftlichen und arbeitswissenschaftlichen Entwicklungen in den Bereichen Zeiterfassung, Modellierung, Ergonomie und Arbeitsplanung in der Innenwirtschaft zusammen. Es wird darin erkennbar, das smarte Zeiterfassungssysteme in Kombination mit systemorientierten Modellkalkulationssystemen der Beratung und der praktischen Landwirtschaft zunehmend als Entscheidungshilfsmittel zur Verfügung stehen. Insbesondere bei der Fahrerunterstützung sowie bei Büro- und Führungstätigkeiten finden vermehrt ergonomische Aspekte Berücksichtigung.

 

 

Literatur

[1]     Fechner, W. und Ube, N.: Zeitgliederung als Basis für die Optimierung des Maschineneinsatzes. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 106-116, 2018.

[2]     Schick, M.: Smart Farming in der Tierhaltung. SVT-Jahrestagung, 2019, 6 S.

[3]     Macuhova, J.; Thurner, S. und Haidn, B.: Nutzung von Körperkameras zur Arbeitszeiterfassung im Bereich der Belüftungsheuproduktion. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 117-127, 2018.

[4]     Latsch, R. und Stark, R.: Arbeitszeitbedarf bei der Automatisierung der biologischen Unkrautbekämpfung am Beispiel des Ampfers. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 93-99, 2018.

[5]     Schick, M.: Arbeit in der Milchviehhaltung. In: Agridea Datensammlung Milchvieh, 2018, 22 S.

[6]     Reith, S.; Funk, M. und Frisch, J.: Effect of automated systems on the working time requirement in dairy farms. ECPLF-Tagung, S. 656-662.

[7]     Hanke, S. und Frerichs, L.: Methode zur Ermittlung relevanter Maschinenzusammenstellungen für landwirtschaftliche Betriebe im Ackerbau. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 66 - 71, 2018.

[8]     Schuller, T. und Rühle, J.: Digitale, automatisierte Dokumentation von maschinen-, Anbaugeräten- und MitarbeiterInnen-Aktivität im landwirtschaftlichen Pflanzenbau. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 100 - 105, 2018.

[9]     Fässler, H.: Farm Management Information Systems - Bedarf, Nutzen, Risiken. Diplomarbeit HF-Strickhof 93 S.

[10]   Strempfl, A.: Ressourcen, Belastungen und Stress in der Landwirtschaft. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 5 - 16, 2018.

[11]   Umstätter, C.: Stresswahrnehmung in der Schweizer Landwirtschaft. In: 21. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium des VDI-Fachbereichs-MEG, S. 17 - 24, 2018.

[12]   N.N.: Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung. URL – https://www.bkk-dachverband.de/fileadmin/publikationen/luxemburger_deklaration/Luxemburger_Deklaration.pdf - Zugriff am 23.02.2020.

[13]   Schempp, T.; Kaufmann, A. und Stöhr, I.: A Field Tested Adaptive User-Interface - New Ways to Operate Tractors. In: 77th International Conference on Agricultural Engineering, 8.-9. November 2019, Hannover, VDI Verlag GmbH, S. 235-241.

[14]   Schempp, T. und Böttinger, S.: Adaptive Bediensysteme im Ackerschlepper - eine Innovation aus der Forschung 12.02.-13.02.2019 John Deere Gmbh & Co. KG, Mannheim. In: Traktoren: Land.Technik für Profis 2019, S. 75–86. Frankfurt am Main: DLG-Verlag 2019.

[15]   Schempp, T.; Möhring, J. und Böttinger, S.: Methoden zur objektiven Absicherung der Ergonomie in Fahrerkabinen. LANDTECHNIK 73(6), 2018 S. 188–203, URL – https://doi.org/10.15150/LT.2018.3197 - Zugriff am 23.02.2020.

Autorendaten

Prof. Dr. habil. Dipl. Ing. agr. Matthias Schick leitet den Bereich Tierhaltung und Milchwirtschaft der Abteilung Fachstellen und Dienstleistungen am Strickhof, dem Kompetenzzentrum für Bildung und Dienstleistungen in Land- und Ernährungswissenschaft, einer Abteilung des Amtes für Landschaft und Natur (ALN) der Baudirektion Kanton Zürich.

 

Empfohlene Zitierweise:
Schick, Matthias: Arbeitswissenschaft. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2019. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2020. – S. 1-6

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