Beitrag in Jahrbuch 2021

Bioverfahrens- und Umwelttechnik Ammoniak-Emissionen mindern und mehr Tierwohl in der Schweinehaltung erreichen

Kurzfassung:

Während bei der Fütterung, Lagerung und Ausbringung in den letzten Jahren erhebliche Emissionsminderungen erreicht worden sind, sind die Schweineställe selbst noch relevante Emissionsquellen. Der Umbau der Schweinehaltung soll zu einer tiergerechteren Haltung mit deutlich mehr Platz und Außenklimakontakt für die Tiere führen. Hierdurch wird eine Reduzierung des Tierbestandes erforderlich werden, was wiederum zur Emissionsminderung beiträgt. Viele Forschungsarbeiten konzentrieren sich daher auf stallinterne Maßnahmen zur Emissionsminderung und die Gewinnung von Emissionsfaktoren, die für die Genehmigung von Stallanlagen sehr wichtig sind. Aktuelle Forschungsarbeiten zur Abluftreinigung bestätigen neben hohen Reinigungsleistungen, dass diese Technik vor allem bei größeren, zwangsbelüfteten Tierhaltungen eine wirksame Emissionsminderung bietet.

Volltext

Ziele der Bundesregierung für eine zukunftsfähige Tierhaltung

Zur kontinuierlichen Verbesserung der Tierhaltung in Deutschland hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Nutztierstrategie erarbeitet [1]. Ziel der Nutztierstrategie ist es, das Tierwohl in der Nutztierhaltung deutlich zu verbessern und negative Umweltwirkungen zu minimieren. Um diese Ziele zu erreichen, hat das BMEL das Bundesprogramm Nutztierhaltung aufgelegt [2], in dem Forschungsarbeiten zur Verbesserung des Tierwohls und zur Minderung von Umweltauswirkungen gebündelt werden. Das Bundesprogramm gliedert sich in insgesamt sieben Module mit den Schwerpunkten Tierwohl-Monitoring, praxisnahe Forschung und Auswertung laufender Projekte, Innovationsnetz „Stall der Zukunft“, Wissenstransfer und Umsetzung praxistauglicher Erkenntnisse in die breite Landwirtschaft, Information und Kommunikation, Automatisierung und Digitalisierung sowie einer Wissensplattform. Einen aktuellen Überblick über die Fülle geförderter Forschungsprojekte liefert das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft [3]. Ziel eines Projektes (NaTiMon) ist es beispielsweise, Grundlagen für ein regelmäßiges, indikatorgestütztes Monitoring und eine Berichterstattung über den aktuellen Status des Tierwohls und dessen Veränderung über die Zeit zu erarbeiten. Im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Landwirtschaftliches Bauen“ werden zukunftsfähige Stallbaulösungen gefördert, die den Ansprüchen an eine tiergerechte Haltung bei minimalen Umweltauswirkungen und einer hohen Verbrauchertransparenz gerecht werden.

Tierwohlkennzeichen und Haltungsformen

Ein staatliches Tierwohlkennzeichen für Schweine, das eine Fülle von Kriterien umfasst (u.a. Platzansprüche, Beschäftigungsmaterial, Buchtenstrukturierung, Eigenkontrolle mit Stallklima- und Tränkewasser-Check) befindet sich in der Vorbereitung [4]. Eine Grundlage für das staatliche Tierwohl sind Kriterien der Branchen-Initiative Tierwohl, die über die aktuell geltenden gesetzlichen Standards hinausgehen [5]. Tierhalter, die an der Initiative Tierwohl teilnehmen, müssen bestimmte Tierwohlkriterien erfüllen, die für die Schweine- und Geflügelhaltung in Abhängigkeit von der Anzahl der gehaltenen Tiere entwickelt wurden. Für die freiwillig umgesetzten Maßnahmen erhält der Tierhalter dann ein Tierwohlentgelt, um den Aufwand bei der Umsetzung der Kriterien auszugleichen. Generelle Voraussetzung für die Tierhalter ist allerdings die Teilnahme am Qualitätssicherungssystem QS mit seinen Anforderungen an Herstellungs- und Vermarktungskriterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Einen anderen Weg verfolgen viele Lebensmitteleinzelhändler mit einer transparenten Darstellung von vier Haltungsformen „Stallhaltung“ (Haltungsform 1), „Stallhaltung Plus“ (Haltungsform 2), „Außenklima“ (Haltungsform 3) und „Premium“ (Haltungsform 4) [6]. Die Kriterien und Mindestanforderungen der jeweiligen Haltungsformen sind für Schweine, Hähnchen, Puten, Jungbullen / Ochsen, Färsen und Mastkälber, Milchkühe, Pekingenten und Kaninchen vergleichend und gut verständlich beschrieben [7]. Beispielsweise steigt die Mindestanforderung je Tier in der Schweinemast von 0,75 m2 (Haltungsform 1) über 0,825 m2 (Haltungsform 2) auf 1,05 m2 (Haltungsform 3) bis hin zu 1,5 m2 (Haltungsform 4). Die Haltungsform 3 muss Außenklimareize bieten (mindestens Offenfrontstall) und die Haltungsform 4 muss ständigen Auslauf ermöglichen oder eine Freilandhaltung sein. Vertiefende Informationen zu Offenfrontställen zu Bauweise, Betriebsergebnissen, Vor- und Nachteilen sowie genehmigungsrechtlichen Fragen finden sich in der Literatur [8; 9]. Zur Förderung von Tierwohlställen wurden Förderprogramme aufgelegt [10]. Ein Forschungsprojekt zur Beurteilung von Immissionsschutzanforderungen bei der Errichtung von Tierwohlställen mit dem Schwerpunkt Schweinehaltung läuft aktuell in Bayern [11].

Wie groß die Aufgabe in Hinblick auf den Umbau der Schweinehaltung zu Tierwohlställen in Deutschland ist, können die nachfolgenden Zahlen verdeutlichen. Die Tönnies-Gruppe ist der größte Schweineschlachter Deutschlands mit 16,3 Millionen Schlachtungen im Jahr 2020 [12]. Nach Firmenangaben entfallen aktuell 78 % der Schlachtungen auf die Haltungsform 1 (Stallhaltung), 20 % auf die Haltungsform 2 (Stallhaltung Plus), 0,5 % auf die Haltungsform 3 (Außenklima) und 1,5 % auf die Haltungsform 4 (Premium) [13].

Emissionen aus der Schweinehaltung und deren Minderung

Nach der Emissionsberichterstattung entfallen 70 % der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen auf die Tierhaltung, wobei hiervon 43 % aus der Rinder-, 19 % aus der Schweine- und 8 % aus der Geflügelhaltung stammen. In der Schweinehaltung stammt der Großteil der Emissionen direkt aus den Ställen, während bei der Rinder- und Geflügelhaltung Lagerungs- und Ausbringungsverluste überwiegen [14]. Darüber hinaus fallen weitere Ammoniakverluste bei der Ausbringung von Gärresten an. Da die Vergärung von Wirtschaftsdüngern aber im erheblichen Umfang zur Einsparung fossiler Energieträger und auch zur Minderung von Methanemissionen bei der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern beitragen kann [15], dürfte die Vergärung von Wirtschaftsdüngern zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Aufgrund des höheren pH-Wertes und einer weitgehenden Mineralisierung organischer Stickstoffverbindungen (N) zu Ammonium in vergorener Gülle können bei der Lagerung und Ausbringung aber erhöhte Ammoniakemissionen auftreten [16; 17].

Das wirksamste Mittel zur Reduzierung der Ammoniakemissionen aus der Schweinehaltung ist die Reduzierung der Tierbestände. Bundesweit sind die Schweinebestände kontinuierlich von 28,1 Mio. Tiere im Jahr 2015 auf 24,7 Mio. Tiere im Jahr 2021 gefallen [18]. Die Zahl der Schweinehalter ist von 60.100 (2010) auf 31.900 (2020) gesunken. Allerdings haben sich mit dieser Entwicklung auch deutliche Veränderungen in den Bestandsgrößenklassen ergeben. Während im Jahr 2010 rund 17,5 Mio. Schweine in Beständen mit mehr als 1.000 Tieren gehalten wurden, waren es im Jahr 2020 bereits 20,6 Mio. Tiere. Für diese Entwicklung gibt es viele Gründe, wie der in Deutschland sinkende Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch sowie sinkende Erlöserpreise [19], altersbedingte Betriebsaufgaben, aber sicher auch die steigenden Anforderungen an die Tierhaltung z.B. durch die Initiative Tierwohl oder den Lebensmittel-Einzelhandel mit wachsenden Platzvorgaben, die bei den vorhandenen Stallanlagen zwangsläufig zur Verringerung des Tierbestandes führen müssen.

Ein weiteres sehr wirksames Instrument ist die Verbesserung der bedarfsgerechten Fütterung verbunden mit einer Anpassung des Stickstoffanteils in den Futtermitteln, passend zum Bedarf der Tiere [20; 21]. Beispielsweise kann die mittlere N-Ausscheidung von Mastschweinen bei einer vergleichbaren Tageszunahme von 850 g/Tier von 12,2 kg N je Tierplatz und Jahr (Standardfutter) über 11,7 (N-reduziertes Futter) auf 10,6 kg N je Tierplatz und Jahr (stark N-reduziertes Futter) reduziert werden [22]. Dies würde einer N-Minderung von 13,1 % entsprechen. Mit der Umsetzung der neuen Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft werden für die Mastschweinehaltung Minderungen der N-Emissionen durch verbesserte Fütterung in Höhe von 20 % für genehmigungspflichtige Schweinehaltungs-Anlagen gefordert [23].

Die Abdeckung von Lagerbehältern trägt vor allem zur Minderung von Geruchs- und Ammoniakemissionen bei. Eine umfassende Literaturauswertung über die Verluste an Ammoniak und klimarelevanten Gasen bei der offenen und abgedeckten Lagerung sowohl für unbehandelte als auch behandelte Gülle liefern Kupper et al. [24]. Ein zusätzliches Minderungspotenzial kann sich ergeben, wenn durch tragfähige verfahrens- und sicherheitstechnische Lösungen sogar eine gasdichte Lagerung mit entsprechender Verwertung der freigesetzten Gase ermöglicht werden kann. Alternativ würde auch eine verstärkte Güllevergärung zur Reduzierung klimarelevanter Emissionen bei der anschließenden Lagerung beitragen können [25]. Die TA Luft [23] fordert für genehmigungspflichtige Lagerstätten Abdeckungen, die eine Minderung von NH3- und Geruchsemissionen von mindestens 90 % gegenüber nicht abgedeckten Lagerstätten erreicht. Nach Angaben des Bauernverbandes [19], die auf den Zahlen des Statistischen Bundeamtes basieren, waren von insgesamt 101.770 Lagerstätten für Wirtschaftsdünger im Jahr 2020 nur 15 % ohne Abdeckung, während 47,5 % der Lagerstätten eine feste Abdeckung aufwiesen, 33 % mit einer natürlichen Schwimmdecke und 4,5 % mit einer Folienabdeckung ausgestattet waren. Natürliche Schwimmdecken sind bei feststoffreichen Güllen, insbesondere im Rinderbereich, weit verbreitet. Im Vergleich zu den festen Abdeckungen sind diese aber weniger wirksam und werden durch das erforderliche Homogenisieren vor der Ausbringung auch wiederkehrend zerstört. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass es hier in Hinblick auf die Emissionsminderung noch relevante Potenziale zu nutzen gibt.

Eine weitere, sehr wirksame Maßnahme zur Emissionsminderung sind emissionsarme Ausbringungstechniken für flüssige Wirtschaftsdünger. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes [19], die auf Angaben des Statistischen Bundesamtes basieren, wurden im Jahr 2010 69,5 % der flüssigen Wirtschaftsdünger (insgesamt 190,9 Mio. m3) mit Breitverteilern ausgebracht, die zu hohen Emissionen beitragen. Im Jahr 2020 wurden nur geringfügig kleinere Mengen an flüssigen Wirtschaftsdüngern landwirtschaftlich verwertet (187,8 Mio. m3). Allerdings ist der Anteil der Breitverteiler bei der Gülleausbringung auf nur noch 35 % gefallen. Die Breitverteilung ist im Grünlandbereich noch bedeutsam, da viele emissionsarme Ausbringungstechniken auf Grünland nicht oder nur mit hohem energetischem Aufwand (Injektionstechniken, Schlitztechniken) anwendbar sind. Für die Ausbringung von Gülle auf Grünland bieten sich die Verdünnung mit Wasser (1:1) und die Ansäuerung der Gülle unmittelbar vor der Ausbringung an [22]. Als besonders wirksam in Hinblick auf die Emissionsminderung ist die schnelle Einarbeitung der Wirtschaftsdünger auf unbestellten Ackerflächen zu bewerten. Während im Jahr 2010 lediglich 35,4 % der flüssigen Wirtschaftsdünger unmittelbar oder innerhalb einer Stunde eingearbeitet wurden, erhöhte sich dieser Anteil im Jahr 2020 auf 86,5 % [19].

Eine relevante Quelle für Geruchs-, Ammoniak- und Staubemissionen sind die Schweineställe selbst. Während für zwangsbelüftete Tierhaltungen eine Fülle von Emissionsfaktoren dokumentiert und für Genehmigungsverfahren anwendbar sind [26], bestehen für die tiergerechten Ställe noch erhebliche Erkenntnislücken hinsichtlich ihres Emissionsverhaltens. Bei der Genehmigung von Stallanlagen muss aber sichergestellt sein, dass Anwohner vor Geruchsbelästigungen und Gesundheitsgefahren geschützt und übermäßige Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme wie Wälder oder Flora-Fauna-Habitate (FFH-Gebiete) vermieden werden. Hinsichtlich dieser Anforderungen gibt es keine Bevorzugung bei der Genehmigung tiergerechter Ställe [28]. Weil tiergerechte Ställe mit freier Lüftung und Auslauf nach dem aktuellen Kenntnisstand höhere Emissionen verursachen [27], sind sie daher oft schwieriger zu genehmigen als zwangsbelüftete Ställe, bei denen die Abluft über hohe Kamine in der Atmosphäre stärker verdünnt wird. Beispielsweise führt der Auslauf bei der Schweinehaltung nach Experteneinschätzung zu einer Erhöhung des Ammoniak-Emissionsfaktors um 30 % gegenüber der Haltung ohne Auslauf [26]. Bei frei belüfteten Ställen mit Auslauf treten die Immissionen vor allem im Nahbereich verstärkt auf. Um dennoch zu einer Genehmigung zu kommen, muss daher im Regelfall der Tierbestand gegenüber zwangsbelüfteten Varianten reduziert werden. Hinsichtlich den Geruchsemissionen wird aktuell davon ausgegangen, dass diese bei Schweinehaltungen mit Auslauf um 30 % über dem Emissionswert von Haltungen ohne Auslauf liegen. Durch eine Überdachung sinkt dieser Anteil auf 20 % [27]. Diese erhöhten Emissionen an Gerüchen und Ammoniak werden verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Ausläufe auch dem Ziel dienen, den Tieren das Koten und Harnen im Auslauf zu ermöglichen und damit die Liegeflächen im Stallinneren sauber halten zu können [22].

Dass die Abluftreinigung ein sehr wirksames Mittel zur Minderung von Ammoniak-, Geruchs- und Staubemissionen aus Tierställen ist, zeigt nicht nur die Fülle der inzwischen eignungsgeprüften Abluftreinigungsverfahren [29].  Auch aktuelle Untersuchungen in Österreich an drei Abluftreinigungsanlagen für die Schweinemast ergaben für alle getesteten Systeme (Chemowäscher plus Biostufe, Rieselbettreaktor und Biofilter mit anerkannter N-Abscheidung) eine „sehr gute Ammoniak- und Geruchsabscheidung“ [30]. Als Abscheidegrad für Ammoniak werden 81-93 % angegeben und für Geruch-Abscheidegrade von 80-93 %. Die Autoren kommen bei ihren Untersuchungen zu Gesamtkosten von 20-40 € pro Tierplatz und Jahr für Anlagen von ca. 500 Mastschweinen, bei noch kleineren Anlagen sogar auf Kosten von bis zu 80 €. Dementsprechend sehen die Autoren die Ammoniakreduktion mit Abluftreinigungsanlagen für kleinere Tierhaltungsanlagen nicht als kosteneffiziente Maßnahme an. Weil für kleinere Tierhaltungen die Abluftreinigung nicht wirtschaftlich zu betreiben ist, ist diese u.a. für Neuanlagen in Deutschland auch erst ab einer Bestandsgröße von mehr als 2.000 Mastschweinen zukünftig vorgeschrieben [23]. Für Anlagen ab 1.500 Mastschweinen und darüber kann sie im Teilstromreinigungsverfahren oder im Vollstromreinigungsverfahren nachgerüstet werden, wenn die Nachrüstung wirtschaftlich verhältnismäßig ist [23]. Die Tabelle 1 verdeutlicht anhand eigener Auswertungen, wie deutlich beispielsweise der spezifische Stromverbrauch je Tierplatz und Jahr mit der Anzahl der gehaltenen Tiere – also der Anlagengröße – bei biologisch arbeitenden Rieselbettfiltern sinkt. Insofern ist es außerordentlich wichtig, bei Berechnungen von Gesamt- und Betriebskosten immer die zugrunde liegende Anlagengröße anzugeben. Bei den Untersuchungen in Österreich lag die Anzahl der Mastschweine, an die die Abluftreinigungsanlagen angeschlossen waren, bei lediglich 138 Mastschweinen.

 

Tabelle 1: Einfluss der Größe der Schweinehaltung auf den Energieverbrauch in kWh je Tierplatz und Jahr für die Abluftreinigung des gesamten Abluftvolumenstromes mit biologisch arbeitenden Rieselbettfiltern

Table 1: Influence of pig keeping size on energy consumption in kWh per animal place and year for complete exhaust air treatment with biotrickling filters

Die Schweizerische Gesellschaft der Lufthygiene-Fachleute hat bereits vor Jahren Empfehlungen zum Einsatz der Abluftreinigung formuliert [31]. Zum Hintergrund dieser Empfehlungen wird beschrieben, dass mehr als 90 % der Ammoniakemissionen in der Schweiz aus der Landwirtschaft kommen und dass es angesichts des Zieles, die Ammoniakemissionen in der Schweiz zu halbieren, erheblichen Handlungsbedarf gibt. Ferner führe der Strukturwandel in der Schweiz auch zu immer größeren Anlagen. Hierauf aufbauend wird das Ziel formuliert, eine gezielte Rückhaltung der in der Abluft solcher Anlagen enthaltenen Stickstoffmengen anzustreben. Basierend auf diesen Empfehlungen hat das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartment des Kantons Luzern aktuelle Hinweise zu Planung und Betrieb von Abluftreinigungsanlagen herausgegeben [32].

 

Tabelle 2: Überblick über verschiedene und mögliche Maßnahmen zur Minderung von NH3-Emissionen aus Schweineställen

Table 2: Overview on different and possible measures to reduce ammonia emissions from pig stables

Allerdings steht zur Minderung von Ammoniakemissionen aus Schweineställen auch eine Reihe baulicher und verfahrenstechnischer Möglichkeiten zur Verfügung, die in der Neufassung der TA Luft, Anhang 11, beschrieben und zugelassen sind [23]. Zu diesen gehören u.a. Maßnahmen zur Verringerung emittierender Oberflächen, Einbau von Unterflurschiebern zur regelmäßigen Kotabfuhr sowie Maßnahmen zur Güllekühlung und Ansäuerung, die mit Minderungspotenzialen von 50-75 % angegeben werden. Einzelne Techniken und deren Funktionsweise haben Christ et al. in übersichtlicher und verständlicher Form beschrieben [33]. Im Verbundvorhaben Emissionsminderung Nutztierhaltung (EmiMin) werden aktuell verfahrensintegrierte Maßnahmen zur Emissionsminderung in der Schweinehaltung untersucht. Zu diesen Maßnahmen gehört u.a. der Einsatz von Urease-Inhibitoren zur Oberflächenbehandlung. Durch Aufbringen dieser Stoffe soll die Harnstoffhydrolyse und damit die Freisetzung von Ammoniak z.B. von Spaltenböden reduziert werden. Ferner werden in dem Projekt die Güllekühlung, Güllekanalverkleinerungen sowie Verfahren zur Kot-Harntrennung untersucht und bewertet [34; 35]. Diese Untersuchungen mit Laufzeit bis zum 30.06.2023 werden zu einer besseren Bewertung der verfahrensintegrierten Maßnahmen zur Emissionsminderung in Deutschland beitragen können.

Einen Überblick über verschiedene mögliche NH3-Minderungsmaßnahmen bei der Stallhaltung von Schweinen liefert Tabelle 2.

Zusammenfassung

Aktuell stammen ca. 19 % der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen aus der Schweinehaltung. Da konventionelle Schweinehaltungsverfahren in geschlossenen Tierställen neben relevanten Emissionen von vielen Menschen auch als nicht tiergerecht empfunden werden, ist die Forderung nach der Entwicklung von neuen oder veränderten und zugleich emissionsarmen Schweinehaltungsanlagen nachvollziehbar. Während viele Maßnahmen zur Minderung von Ammoniakemissionen aus der Schweinehaltung inzwischen einen recht hohen Umsetzungsgrad in der Praxis erreicht haben (nährstoffangepasste Fütterung, Lagerung von Wirtschaftsdünger in abgedeckten Lagerstätten, emissionsarme Ausbringung), ist die Entwicklung tiergerechter und zugleich emissionsarmer Schweineställe noch in vollem Gange. Tiergerechtere Schweineställe erfordern mehr Stallfläche je Tierplatz, was im Regelfall jedoch mit erhöhten tierplatzbezogenen Emissionen verbunden ist. Um diese Effekte zu kompensieren, muss der Tierbestand dementsprechend reduziert werden, um nach geltenden gesetzlichen Bestimmungen überhaupt genehmigungsfähig zu sein. Denn die Mindestabstände zu Wohnbebauung und empfindlichen Ökosystemen sind unabhängig von der Tierhaltungsform einzuhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass bei tiergerechten Ställen mit Außenklima die Emissionen verstärkt im Nahbereich auftreten und dort entsprechend zu Konflikten führen können. Die laufende Abstockung der Schweinebestände, der vermehrte Einsatz von verfahrensintegrierten Maßnahmen, die Neuerrichtung emissionsarmer Ställe sowie die Abluftreinigung bei großen Schweinehaltungsanlagen werden zu einer weiteren, kontinuierlichen Minderung der Emissionen aus diesem Sektor beitragen.

Literatur

[1]     Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Nutztierstrategie - Zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland. URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Nutztierhaltungsstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff am 11.01.2022.

[2]     Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Nutztierstrategie. URL: https://www.nutztierhaltung.de/nutztierstrategie/, Zugriff am 09.02.2022.

[3]     Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Bundesprogramm Nutztierhaltung BUNTH. URL: https://www.nutztierhaltung.de/nutztierstrategie/bundesprogramm/, Zugriff am 11.01.2022.

[4]     Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Staatliches Tierwohlkennzeichen für Schweine. URL: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierwohl-kennzeichen/tierwohlkennzeichen.html, Zugriff am 11.01.2022.

[5]     Initiative Tierwohl: Kriterien. URL: https://initiative-tierwohl.de/tierhalter/kriterien/, Zugriff am 11.01.2022.

[6]     Haltungsform.de (Hrsg.): Haltungsform: Informativ, transparent, bewusst. URL: https://www.haltungsform.de/, Zugriff am 11.01.2022.

[7]     Haltungsform.de (Hrsg.): Haltungsform: Informativ, transparent, bewusst - Kriterien und Mindestanforderungen für Tierwohlprogramme. URL: https://www.haltungsform.de/kriterien-und-mindestanforderungen/, Zugriff am 11.01.2022.

[8]     Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft: Schweinemast in zwei unterschiedlich gestalteten Offenfrontställen. URL: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/schriftenreihe/p_19788.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[9]     Verein zur Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen E.V.: Das Schwein als Baumeister. URL: info@offenstall.com, Zugriff am 11.01.2022.

[10]   Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Förderung für Tierwohlställe: Verlängerte Antragsfrist tritt in Kraft. URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/062-Stallumbau.html, Zugriff am 11.01.2022.

[11]   Bayerisches Landesamt für Umwelt: Immissionsschutzanforderung bei der Errichtung von Tierwohlställen in Bayern – Schwerpunkt Schweinehaltung. URL:  https://www.lfu.bayern.de/luft/immissionsschutz_tierwohlstaelle/index.htm, Zugriff am 11.01.2022.

[12]   Statista: Anzahl der Schlachtungen von Schweinen durch die Tönnies-Gruppe in den Jahren 2015 – 2020. URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/827687/umfrage/schlachtungen-von-schweinen-der-toennies-gruppe/, Zugriff am 11.01.2022.

[13]   Tönnies: Tierwohl in der Tierhaltung. Unsere Verantwortung gemeinsam mit den Erzeugern. URL: https://www.toennies.de/verantwortung/nachhaltigkeitsthemen/tierwohl-in-der-tierhaltung/, Zugriff am 11.01.2022.

[14]   Umweltbundesamt: Ammoniak, Geruch und Staub. URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/ammoniak-geruch-staub#emissionen-der-landwirtschaft, Zugriff am 11.01.2022.

[15]   Deutsches Biomasseforschungszentrum: Stand und Perspektiven der Biogaserzeugung aus Gülle. URL: https://www.dbfz.de/fileadmin/user_upload/Referenzen/Broschueren/Broschuere_Peggue.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[16]   Bayern Biogas Forum: Biogasgärreste. Einsatz von Gärresten aus der Biogasproduktion als Düngemittel. URL: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ipz/dateien/leitfaden_2012-03_biogasforum.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[17]   DLG-Merkblatt 397: Gärreste im Ackerbau effizient nutzen. URL:  https://www.dlg.org/fileadmin/downloads/landwirtschaft/themen/publikationen/merkblaetter/dlg-merkblatt_397.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[18]   Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Visualisierte Auswertung der Schweinehaltung und Bestandsklassen. URL: https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/schweinehaltung/, Zugriff am 11.01.2022.

[19]   Deutscher Bauernverband: DBV-Situationsbericht 2021/2022. URL: https://www.bauernverband.de/situationsbericht, Zugriff am 11.01.2022.

[20]   DLG (2014): Bilanzierung der Nährstoffausscheidungen landwirtschaftlicher Nutztiere. Arbeiten der DLG, Band 199, 2. Auflage, 120 Seiten, DLG-Verlag Frankfurt a.M.

[21]   DLG: DLG-Merkblatt 418: Leitfaden zur nachvollziehbaren Umsetzung stark N/P-reduzierter Fütterungsverfahren bei Schweinen. URL: https://www.dlg.org/fileadmin/downloads/landwirtschaft/themen/publikationen/merkblaetter/dlg-merkblatt_418.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[22]   Umweltbundesamt und Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (Hrsg.): Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/2021_fb_ammoniakemissionen_in_landwirtschaft_mindern_final_bf.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[23]   N.N.: Neufassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft). URL: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Glaeserne_Gesetze/19._Lp/ta_luft_neu/Entwurf/ta_luft_neu_refe_bf.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[24]   Kupper, T; Häni, C.; Neftel, A.; Kincaid, C.; Bühler, M.; Amon, B.; VanderZaag, A.: Ammonia and greenhouse gas emissions from slurry storge – A review. Agriculture, Ecosystems and Environment 300 (2020) 106963, https://doi.org/10.1016/j.agee.2020.106963, Zugriff am 11.01.2022.

[25]   KTBL (Hrsg.): Gasdichte Lagerung von Rinder- und Schweinegülle. URL: https://www.ktbl.de/fileadmin/user_upload/Artikel/Energie/Guelle/Gasdichte_Guellelagerung.pdf, Zugriff am 11.01.2022.

[26]   Landesamt für Umwelt Brandenburg (Hrsg.): Ammoniak-Emissionsfaktoren Tierhaltungsanlagen, Stand: November 2020. URL: https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Ammoniakemmissionsfaktoren-Tiere-Biogas-Wirtschaftsduenger.pdf, Zugriff am 18.01.2022.

[27]   Landesamt für Umwelt Brandenburg (Hrsg.): Ammoniak-Emissionsfaktoren Tierhaltungsanlagen, Stand: November 2020. URL: https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Geruchsemissionsfaktoren-Tiere-Biogas-Wirtschaftsduenger.pdf, Zugriff am 18.01.2022.

[28]   Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL): Schweinemastställe der Zukunft: Mehr Platz und Wohlbefinden fürs Schwein. URL: https://www.praxis-agrar.de/tier/schweine/schweinemaststaelle-der-zukunft/, Zugriff am 11.01.2022.

[29]   Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG): Prüfberichte. https://www.dlg.org/de/landwirtschaft/tests/suche-nach-pruefberichten/?unterkategorie=95&page=1&pruefgebiet=3, Zugriff am 19.01.2022.

[30]   Kropsch, M.; Fritz, C.; Zehnter, E.: Untersuchung von drei Abluftreinigungsanlagen für die Schweinemast. URL: https://raumberg-gumpenstein.at/forschung/infothek/downloads/download.html?path=Tagungen%252FBautagung%252FBautagung_2021%252F3n_2021_tagungsband%2Bgesamt.pdf, Zugriff am 19.01.2022.

[31]   Cercl’Air-Empfehlung Nr. 21-D: Abluftreinigung bei Tierhaltungsanlagen. URL: https://cerclair.ch/assets/pdf/21D_2011-05-19_D_Abluftreinigung_bei_Tierhaltungsanlagen.pdf, Zugriff am 24.02.2022.

[32]   Kanton Luzern (Hrsg.): Abluftreinigung in der Tierhaltung. URL: https://uwe.lu.ch/-/media/UWE/Dokumente/Themen/Luft/Abluftreinigung_in_der_Tierhaltung.pdf?la=de-CH, Zugriff am 24.01.2022.

[33]   Christ, F.; Dr. Wagner, K.; Zang, S.; KTBL e.V.: Schweinestall: Alternativen zur Abluftreinigung. URL: https://www.wochenblatt-dlv.de/feld-stall/tierhaltung/schweinestall-alternativen-abluftreinigung-566696, Zugriff am 19.01.2022.

[34]   KTBL (Hrsg.): Ermittlung von Emissionsdaten für die Beurteilung der Umweltwirkungen der Nutztierhaltung (EmiDat). URL: https://www.ktbl.de/fileadmin/user_upload/Allgemeines/Download/Tagungen-2018/EmiDaT-EmiMin.pdf, Zugriff am 24.01.2022.

[35]   KTBL (Hrsg.): Verbundvorhaben Emissionsminderung Nutztierhaltung (EmiMin). URL: https://www.ktbl.de/themen/emimin/, Zugriff am 24.01.2022.

Autorendaten

Dr. rer. nat. Jochen Hahne ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Thünen-Institut für Agrartechnologie in Braunschweig.

Empfohlene Zitierweise:
Hahne, Jochen: Ammoniak-Emissionen mindern und mehr Tierwohl in der Schweinehaltung erreichen. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2021. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2022. – S. 1-11

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