Beitrag in Jahrbuch 2020

Traktoren Akteure der Mobilhydraulik im Ausnahmezustand

Kurzfassung:

Das Jahr 2020 wird kurz- bis mittelfristig mit der SARS-CoV-2-Pandemie verknüpft sein. Die daraus resultierenden Maßnahmen stellten besondere Herausforderungen für Unternehmen, Verbände und Universitäten dar. Für Dienstreisen, Tagungen und sonstige Besprechungen zwischen den Akteuren der Mobilhydraulik mussten organisatorische sowie technische Lösungen gefunden werden. Glücklicherweise haben die im Jahr 2020 größtenteils virtuell ausgerichteten Events gezeigt, dass die Branche mit den massiven Einschnitten in den gewohnten Umgangsformen gut umzugehen wusste. Einen Überblick über den digitalen Umgang der Branche gibt der nachfolgende Artikel.

Volltext

Einleitung

Wenn man nach dem meist gegoogelten Wort für das Jahr 2020 sucht, kommt man an dem Begriff Coronavirus nicht vorbei. Während man sich beim Anblick der Bilder aus China zur Jahreswende 2019/2020 noch in vermeintlicher Sicherheit wiegen wollte, musste man zu Beginn des Jahres miterleben, wie schnell sich das Virus weltweit ausbreiten konnte. Auch wenn man vielleicht nicht unmittelbar mit einer hieraus resultierenden Krankheit zu tun hatte, so trafen die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie dann doch den Großteil der Bevölkerung in Europa. Aus diesem Grund soll dieser Jahrbuchartikel einen kurzen Überblick über die Konsequenzen für einige Fluidtechnik-Akteure geben. Natürlich findet auch eine Auswahl im Jahr 2020 publizierter, wissenschaftlich interessanter Arbeiten Platz in diesem Artikel.

Stimmungsbild in den Unternehmen

Als im September das IFAS der RWTH Aachen Umfrageergebnisse zum Umgang der Fluidtechnik-Branche mit der Pandemie veröffentlichte, war der zweite Lockdown über die Jahreswende 2020/21 noch weit weg. Teilnehmer der Umfrage zeigten ein insgesamt optimistisches Stimmungsbild, obgleich mit Auftragsrückgängen gerechnet wurde. Neben fehlenden Zulieferprodukten und umzusetzenden Schutzmaßnahmen für das Unternehmenspersonal wurde die Unsicherheit über den Verlauf der Krise als Geschäftshindernis wahrgenommen. Darüber hinaus wurden mittelfristige Themen wie eine zunehmend schwierigere Wettbewerbslage, technologische Veränderungen und auch Klimaschutzmaßnahmen als herausfordernd wahrgenommen. Ein Ergebnis der Umfrage war zudem, dass viele Unternehmen die aktuelle Zeit für F&E-Vorhaben gezielt nutzen wollten, um mit einer gestärkten Position aus der Krise hervorzugehen. [1], siehe auch [2 bis 4]

Konsequenzen der Pandemie auf Messen und Tagungen

Die Hannover Messe als international wichtige Plattform für Technologien rund um die industrielle Transformation, ursprünglich vom 20. bis 24. April 2020 terminiert, konnte nicht in gewohnter Weise stattfinden. Zunächst wurde Anfang März mitgeteilt, dass umfassende Maßnahmen zur Gesundheitssicherung bei der Ausrichtung von Großveranstaltungen kurzfristig nicht realisierbar waren, sodass die Messe auf die Woche vom 13. bis 17. Juli verschoben werden sollte. Ende März erfolgte dann infolge von Einreisebeschränkungen, Kontaktverboten und einer Untersagungsverfügung der Region Hannover die Absage der Messe für das Jahr 2020. Nachfrage- und Umsatzrückgänge der Industrie, Lieferengpässe, Produktionsstopps und Kurzarbeit untermauerten diese Entscheidung. Im Herbst wurden dann unter dem Titel „Hannover Messe 2021: Analog. Digital. Hybrid.“ Wege zur Verknüpfung der analogen und digitalen Messewelt sowie ein umfassendes Hygienekonzept für die mittlerweile vom 12. bis 16. April 2021 terminierte Veranstaltung angekündigt. Ziel sollte sein, Ausstellern Pakete vom analogen Stand, über hybride Angebote bis hin zu einer rein virtuellen Präsenz anzubieten. Dieses Angebot musste im Dezember auf eine rein digital ausgerichtete Weltleitmesse hin angepasst werden. Mittels eines Konferenzprogramms, der Digitalisierung von Produktpräsentationen sowie einem softwarebasierten Business-Dating sollen die Kontakte zwischen Ausstellern und Besuchern hergestellt werden. [5]

Das 11. Kolloquium Mobilhydraulik war für den 10. und 11. September 2020 in Karlsruhe geplant. Die im Frühjahr 2020 getroffenen, einschneidenden Regelungen im Rahmen der Covid19-Pandemie hatten terminliche Verlegungen von Veranstaltungen der ersten Jahreshälfte in den Herbst des Jahres zur Folge mit dem Ergebnis einer massiven Häufung bzw. Wettbewerbssituation von Tagungen und Events. Der Programmausschuss des MHK beschloss daraufhin im April, das Kolloquium im Jahre 2020 sowohl als Präsenzevent als auch als virtuelle Veranstaltung auszusetzen. Da das Tagungsprogramm festgelegt und die Vortragenden bereits Arbeit in ihre Publikationen investiert hatten, beschlossen die Organisatoren, den Autoren der zugesagten Beiträge die Möglichkeit zu geben, ihre Beiträge in dem Tagungsband zum Kolloquium Mobilhydraulik zu publizieren. Thematisch wurden die insgesamt neun Beiträge des Tagungsbandes des MHK 2020 in die Sessionüberschriften „Daten, eine Bereicherung für die Hydraulik?“, „Antriebe mit Potential“, „Elektrik trifft Hydraulik“ und „Auslegung hydraulischer Systeme“ untergliedert. [6]

Unter dem Motto „Fluid Power – Future Technology“ fand zwischen dem 12. und 14. Oktober das 12. Internationale Fluidtechnische Kolloquium (IFK) statt, das in diesem Jahr vom Lehrstuhl für Fluid-Mechatronische Systeme der TU Dresden ausgerichtet wurde. Während im Herbst vereinzelte Präsenzveranstaltungen durchgeführt wurden, setzten die Organisatoren des diesjährigen IFK, das ursprünglich für März 2020 geplant war, pandemiebedingt auf ein Online-Format. Hierbei wurde besonders darauf geachtet, dass der im Rahmen von Online-Veranstaltungen häufig genannte Nachteil des schwierigen, direkten Austausches zwischen Teilnehmenden belebt und so einfach wie möglich gestaltet wurde. Im Rahmen von 27 Sessions beleuchteten 108 Vorträge die gesamte Bandbreite aktueller Arbeiten in der Fluidtechnik und angrenzender Themen. Das Format erhielt positive Resonanz der Teilnehmenden. [7]

Der Umgang mit SARS-CoV-2 an den Universitäten

Während die Vorlesungszeit des Wintersemesters 2019/20 unter den gewohnten Bedingungen stattfinden konnte, kam es im März zu einer ersten einschneidenden Maßnahme für den Lehrbetrieb an den Universitäten. Gegen Ende der Prüfungszeit wurden alle schriftlichen Prüfungen gestoppt und Studierende wie Lehrende vor die Wahl gestellt, die angesetzten Klausuren in mündliche Prüfungsformate zu überführen oder ins Sommersemester zu verlegen. Während die Option mündlicher Prüfungen bei geringen Teilnehmerzahlen präferiert wurde, war dieses Vorgehen für große Lehrveranstaltungen nicht zu stemmen. Zudem mussten Lösungen für die Lehre im Sommersemester gefunden werden mussten, die u. a. mit Vorlesungsaufzeichnungen, Screencasts und Videokonferenzen vielfältig umgesetzt wurden. Das Feedback der Studierenden (u. a. im Maschinenbau der TU Braunschweig) zu den neuen Formaten am Semesterende war überaus positiv. Im Prüfungszeitraum des Sommersemesters wurden dann umfangreiche Maßnahmen ergriffen, die Prüfungen in Präsenz durchführen zu können. Der Mehraufwand durch die einzuhaltenden Platzbedarfe, großzügiger getaktete Raumbelegungen und sonstigen Hygienemaßnahmen sorgte für eine längere Prüfungsphase und kürzere Semesterferien. Im Wintersemester 2020/21 wurde die nun mittlerweile routinierte Online-Lehre fortgesetzt. Versuche, das wichtige Netzwerken von Studienanfängern durch Hybridvorlesungen zu ermöglichen, mussten aufgrund des Pandemieverlaufes gestoppt werden. Mit Spannung erwartet werden die Erfahrungen der Lehrenden und das Feedback der Studierenden zu Online-Prüfungen, die für den Prüfungszeitraum Frühjahr 2021 angesetzt sind. Zudem wurden Lösungen zur verlängerten Regelstudienzeiten (Visa, Bafög) oder Prüfungs-Freiversuchen stellenweise erarbeitet. Aber nicht nur aktiv Studierende mussten lernen, mit den Einschränkungen umzugehen. Auch Schülerinnen und Schüler, die kurz vor ihrem Abschluss standen und Entscheidungen hinsichtlich eines Studiums zu treffen hatten, mussten sich auf Basis anderer Wege als den gewohnten Präsenz-Studieninformationstagen eine Entscheidungsgrundlage schaffen.

Forschungsprojekte an den Instituten und Lehrstühlen waren in einem geringeren Umfang durch die Maßnahmen betroffen, als es vielleicht zu erwarten war. Selbstverständlich wurden an den Instituten Bürokontakte durch Homeoffice oder Präsenz-Arbeitszeitregelungen verringert und der Aufbau von Versuchsständen musste personell präziser geplant werden. Gründe für größere Projektverzögerungen waren dann aber eher in längeren Lieferzeiten von Bauteilen zu finden. Auch die Kommunikation mit Projektpartnern und Fördermittelgebern konnte weitestgehend ohne Einschränkungen mit Hilfe digitaler Angebote fortgesetzt werden. Es wird sich allerdings noch herausstellen müssen, inwieweit Anschlussprojekte und neue Forschungsvorhaben durch eingefrorene Entwicklungsbudgets und stärker frequentierte öffentliche Fördergeldtöpfe umsetzbar sein werden. Vgl. [8]

Weiterentwicklung und Auslegung hydrostatischer Antriebe für mobile Maschinen

Selbstverständlich mündeten auch im Jahr 2020 Forschungsprojekte in Publikationen, wovon nachstehend einige für den Bereich der Mobilhydraulik interessante erwähnt werden sollen.

In [9] wurde eine hydrostatisch-mechanische Antriebslösung vorgestellt, die das Konzept der primären Drehmomentsteuerung nutzt. Beginnend mit Simulationsreihen wurden druckbasierte und schwenkwinkelbasierte Schaltstrategien verglichen. Fahrzeugtests dienten der Validierung des schwenkwinkelbasierten Regelalgorithmus. Die experimentellen Ergebnisse zeigten, dass sich mit der neuartigen hydrostatisch-mechanischen Getriebesteuerungsstrategie die Schaltleistung eines hydrostatischen Antriebsstrangs mit synchronisiertem Getriebe verbessern lässt.

In [10] wird eine Entwicklungsstudie eines neuartigen hydrostatischen Antriebssystems vorgestellt, bei dem sowohl die Arbeits- als auch Fahrhydraulik von nur einer Verstellpumpe versorgt werden. Das Konzept basiert auf sekundärgeregelten hydrostatischen Axialkolbeneinheiten, die an einem Versorgungsnetz mit variablem Druck arbeiten. Eine Regelstrategie zur Definition des Betriebsdrucks wurde entwickelt und auf einem Prüfstand verifiziert sowie das dynamische Verhalten und das Energiesparpotenzial des hydrostatischen Antriebs in verschiedenen Arbeitszyklen anhand von Testergebnissen analysiert.

Forstmaschinen und insbesondere den Ladeprozessen von Rückezügen widmete sich [11]. Es wurde gezeigt, dass durch die Verwendung eines neuartigen Hydraulikkonzepts mit hydraulischem Transformator eine Reduktion der bei Ladeprozessen eingebrachten Energie von knapp 16 % erreicht werden kann. Der Beitrag beschreibt den simulationsgestützten Entwicklungsprozess des Systems für Forstkräne, dessen Inbetriebnahme auf einer Forstmaschine sowie die Messung der Energiereduktion.

In [12] wurde die Elektrifizierung der Arbeitshydraulik von Off-Road-Maschinen diskutiert. Mit Hilfe elektrifizierter Hydraulikantriebe konnten Verbesserungen hinsichtlich des Wirkungsgrads erzielt werden. Die Kombination von Permanentsynchronmotor mit Bruchlochwicklung und SiC-basierter Leistungselektronik wurde als vielversprechende Lösung für pumpengesteuerte Systeme mit hoher Leistung und hoher Leistungsdichte identifiziert. Ein hoher Gesamtwirkungsgrad, Kompaktheit und ein schnelles Drehmomentverhalten wurden als Merkmale des vorgestellten Systems genannt.

Elektrische Schwenkantriebe von Baggern wurden in [13] als Möglichkeit zur Reduzierung von Emissionen und Betriebskosten erörtert. Dazu wurden Systemanpassungen erarbeitet und verglichen. Hierzu zählten u. a. der Einsatz von Konstantpumpen mit variablen Drehzahlen, wodurch Wirkungsgrade der Komponenten verbessert und Pumpensteuerungsverluste vermieden werden konnten, sowie Systeme mit Verstellpumpen, die in effizienteren Betriebspunkten mit variablen Motordrehzahlen betrieben wurden. Im simulierten Kompaktbagger wurden Effizienzverbesserungen von über 21 % in Aussicht gestellt.

In [14] und [15] wurde der Einsatz einer rechnergestützten Antriebssynthese diskutiert, mit dessen Hilfe sich große Lösungsräume für Antriebsstrangkonfigurationen anhand von Simulations- sowie Bewertungsergebnissen sukzessive auf einen handhabbaren Lösungsraum reduzieren lassen. Zudem wurde auf Basis repräsentativer Langzeitmessungen nach optimalen Antriebslösungen gesucht. Das in Form von Matlab-Skripten gestaltete Tool wird als Entwickler-Werkzeug zur automatisierten Multidomain-Simulation in Entwicklungsprozessen beschrieben. Die zur Anwendung kommende technologieübergreifende Beschreibungsform ermöglicht hierbei für die parallele Betrachtung elektrischer und hydraulischer Antriebe eine objektive Entscheidungsbasis für künftige Antriebsentwicklungen.

Literatur

[1]     Haas, C. et al.: ifas-Fluidtechnik-Umfrage – Ergebnisse. O+P Fluidtechnik 09/2020, S. 12-15.

[2]     Greuloch, I.: Corona und die Folgen. O+P Fluidtechnik 04/2020, S. 8-10.

[3]     N.N.: ifas-Fluidtechnik-Umfrage – Erste Einblicke. O+P Fluidtechnik 06/2020, S. 12-13.

[4]     Lauther, F. und Ringel, A.: So wirkt das Coronavirus auf die Fluidtechnik – Wie Hydraulik-, Druckluft- und andere Unternehmen auf die Krise reagieren. Fluid 02/2020, S. 10-13.

[5]     N.N.: Hannover Messe. URL – https://www.hannovermesse.de, Zugriff am 16.02.2021.

[6]     Geimer, M.: Vorwort. 11. Kolloquium Mobilhydraulik 2020, 10.09.2020, Karlsruhe, S. i-iii.

[7]     Meier, M.: IFK2020: Ein digitaler Event. O+P Fluidtechnik 11-12/2020, S. 14.

[8]     Schmitz, K.: Herausforderungen für den Lehr- und Forschungsbetrieb im Maschinenbau aufgrund von SARS-CoV-2. O+P Fluidtechnik 05/2020, S. 10-11.

[9]     Xiang, Y. et al.: Optimization of hydrostatic mechanical transmission control strategy by means of torque control. Proceedings of the 12th International Fluid Power Conference, 12.-14.10.2020, Vol. 1, S. 421-431.

[10]   Guo, J. und Frerichs, L.: Compact hydrostatic drive based on secondary control with regulated variable pressure. 11. Kolloquium Mobilhydraulik 2020, 10.09.2020, Karlsruhe, S. 27-41.

[11]   Geiger, C. et al.: Reduzierung des Energieverbrauchs bei Ladevorgängen von Forstmaschinen durch hydraulische Transformatoren. 11. Kolloquium Mobilhydraulik 2020, 10.09.2020, Karlsruhe, S. 115-131.

[12]   Palavicino, P. C. et al.: Electrification of hydraulic systems using high efficiency permanent magnet motors. Proceedings of the 12th International Fluid Power Conference, 12.-14.10.2020, Vol. 1, S. 461-.469.

[13]   Opgenoorth, A. et al.: Challenges and possibilities of the integration of electric drives in mobile machinery. Proceedings of the 12th International Fluid Power Conference, 12.-14.10.2020, Vol. 1, S. 471-480.

[14]   Neurath, H. und Frerichs, L.: Automatisierte Multidomain-Simulation zur computergestützten Antriebsstrangsynthese – Teil 1. O+P Fluidtechnik 06/2020, S. 38-42.

[15]   Neurath, H. und Frerichs, L.: Automatisierte Multidomain-Simulation zur computergestützten Antriebsstrangsynthese – Teil 2. O+P Fluidtechnik 07-08/2020, S. 38-42.

Autorendaten

Dipl.-Ing. Philipp Winkelhahn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der TU Braunschweig.

Empfohlene Zitierweise:
Winkelhahn, Philipp: Akteure der Mobilhydraulik im Ausnahmezustand. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2020. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2021. – S. 1-6

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