Beitrag in Jahrbuch 2023

Technik für den Hackfruchtanbau Rübenerntetechnik – aktueller Stand und Entwicklungen

Kurzfassung:

Der Zuckerrübenanbau hat weiterhin ein hohes Anbauvolumen. Bei der Erntetechnik haben Detailverbesserungen in allen Bereichen stattgefunden. Betriebssicherheit und Funktionsoptimierungen beim Roden und die Übersicht über relevante Prozessdaten, aber auch die Gestaltung eines komfortablen Arbeitsplatzes stehen im Fokus. Möglichkeiten der Betriebskostensenkung durch geringeren Verschleiß der Bauteile, aber auch Einsparungen beim Verbrauch von Betriebsmitteln bieten dem Landwirt die Möglichkeit Stückkosten weiter zu senken.

Volltext

Zuckerrübenanbau in Deutschland

Das Anbauvolumen von Zuckerrüben lag im Anbaujahr 2022/2023 bei 360.691 ha. Schätzungen der Wirtschaftsvereinigung Zucker ergaben für 2023/2024 Liefermengen von 28.870.135 t Zuckerrüben bei durchschnittlichen Erträgen von über 79,2 t/ha. Ein Indiz für die Bedeutung der Zuckerrübe für den Landwirt [1, 2].

Erntetechnik

Auf der Agritechnica 2023 in Hannover stellten Grimme, Holmer, ROPA und Vervaet die neuesten Modelle ihrer Rübenerntetechnik aus. Die drei deutschen Firmen bieten jeweils bauähnliche Roder mit 2 oder 3 Achsen an. Die Anzahl an Reihen in der Köpfrodegruppe kann nach Wunsch zwischen 6, 8 und 9 Reihen gewählt werden. Holmer bietet zusätzlich 12 Reihen an.  Exaktköpfer oder Entblatter, Polder- oder Radrodeschare sind weitere Optionen. Um 10 % der bei ROPA nachgefragten Roder besitzen eine Entblattung, der Anteil an Radrodescharen liegt bei 4-10 %. Exaktköpfer und Polderschar haben hier somit die größte Bedeutung. Laut Grimme werden rund 70 % der Rexoren mit Multihäckslern und Radrodescharen ausgestattet.

Als wesentliche Herausforderungen wurden von den Herstellern folgende Punkte genannt:

  • Senkung der Betriebskosten
  • Erhalt der Betriebs- und Funktionssicherheit
  • Komfort und Ergonomie für einen attraktiven Arbeitsplatz auf dem Roder
  • Weiterentwicklung der Digitalisierung und des Datenhandlings
  • Förderung des Bodenschutzes
  • Nachhaltigkeit als weiteres Optimierungsziel
  • Einhaltung von gesetzlichen Normen, wie Abgasregelungen

Senkung der Betriebskosten

Leichtere Konstruktionen mit verschleißarmem Stahl, wie Hardox, finden sich in mehreren Baugruppen wieder: In den Polderscharen, der Siebsternreinigung, Antriebsräder des Elevatorgurtes und im Kratzboden an Blechen, Ketten und Leisten. Der Elevatorgurt wird nun bei Holmer nicht mehr durch Rollen, sondern durch eine gleichmäßig beanspruchte Gleitleiste aus Kunststoff geführt. Durch Langlebigkeit der Komponenten können somit Betriebskosten gesenkt werden.

Wartungsmaßnahmen sind wesentliche Treiber der Betriebskosten. So konnte bspw. beim Terra Dos 5 durch Zusammenarbeit mit dem Motorhersteller das Wartungsintervall um 50% auf 1000 h verlängert werden. Der Ersatz der Hydraulikfilter erfolgt dort nun nach Bedarf und nicht mehr nach festen Zeitintervallen. Sensoren überwachen hier jeweils den Beladungszustand der einzelnen Filter und warnen, wenn die Beladungsschwelle erreicht wird.

Erhalt der Betriebs- und Funktionssicherheiten

Entblättern, Exaktköpfen und Roden

Steigender Herausforderungen bezüglich steigendem Unkrautdruck und neuer Krankheiten/Schädlinge werden durch flexiblere Anpassungsmöglichkeiten des Roders begegnet. Die neue Schleglergeneration HS3 von Holmer besitzt verschleißärmere geschmiedete T-Messer und eine neue Haubengeometrie mit gesteigerter Saugleistung. Trockenes Blatt und Beikraut werden besser entfernt. Die Höhenführung der Schleglerwelle und der Rodeschare kann über Stützräder und den Köpftaster manuell durch den Fahrer geschehen (Abbildung 1).

Bild 1: Automatische Einstellung der Schleglerhöhe und der Rodetiefe nach [4].
Figure 1: Automatic adjustment of the chopper height and share depth [4].

 

Um verlustarmer zu roden, kann bei Holmer die Roderzwangseinzugswelle horizontal verstellt und an schwere oder leichte Bedingungen angepasst werden (Abbildung 2). Die Einstellbarkeit verhindert das Verlieren von Rüben aus der Reihe bei sandigen Bedingungen, lockeren oder hochstehenden Rüben und hilft bei schweren Böden die Rüben auf den Walzentisch zu schieben. Überarbeitete 850er Tasträder sorgen für weniger Anhaftungen und Verunkrautungsproblemen an der Zwangseinzugswelle und ein optimales Abtasten des Bodenhorizonts. Ein vertikal und im Winkel verstellbarer Walzentisch sorgt für sauberes Roden der Wurzelspitzen ohne Verschleißrisiko für die Walzen.

Die Radrodeschare besitzen bei ROPA eine neue Reversiereinrichtung. Kommt es zu Verstopfungen können jeweils zwei benachbarte Scharpaare hydraulisch reversiert werden. Zur Dokumentation und Qualitätsüberwachung bietet sich dem Roderfahrer die Möglichkeit, georeferenziert Fotos von der Front (Sicht auf das Köpfen und Roden) des Roders und vom Entladeband aufzuzeichnen und auch zu versenden.

Bild 2: Automatische Einstellung der Tasträder und der Einzugswalzen nach [4].
Figure 2: Automatic adjustment of the support wheels and feed rolls [4].

Reinigen

Die Größe der Reinigungsfläche wurde von Holmer nochmal um ca. 12 % erhöht (Abbildung 3). Durchsatzabhängige Maschineneinstellungen finden vermehrt Einzug. Die adaptive Reinigung von Holmer regelt die Einstellung der Siebband-, Siebsterndrehzahl und Elevatorgeschwindigkeit mit dem Ziel der Rübenschonung [4]. Hierüber wurde bereits im Jahrbuch 2021 berichtet.

Über Speedtronic-Cruise wird bei Grimme [3] der Fahrantrieb aktiv gesteuert und der Fahrer damit entlastet. Je nach gewähltem Fahrmodus regelt die Maschine vollautomatisch die Rodegeschwindigkeit in Abhängigkeit der Auslastung relevanter Baugruppen, die über Drucksensoren ermittelt wird. Der Fahrer hat dabei die Möglichkeit das Steuerungsverhalten des Tempomaten selbst zu wählen und eine maximale Rodegschwindigkeit vorzugeben.

Bild 3: Reinigungsstrecke des Holmer Terra Dos 5 [4].
Figure 3: Cleaning area of the Holmer Terra Dos 5 [4].

Bunkern

Schonendes Zwischenbunkern der Rüben kann mit einer Bunkerauskleidung verbessert werden. Dazu gehören bspw. bei Grimme PE-Platten hinten am Bunker gegenüber des Entladebandes, um Spitzenbrüche und die Beschädigungen der Rüben während des Überladens zu reduzieren. An der Bunkerrückwand ist vor dem Motorraum ein Gummi-Tuch angebracht, damit sich dort keine Erde aufbaut oder dort anhaftet [3].

Überladen mit dem Reinigungslader

Der Reinigungslader von ROPA [5] besitzt eine neue CAN-Bus Wiegeeinrichtung. Sie ist nun weitestgehend vom Rahmen des Überladebandes entkoppelt. Auch die Messtechnik befindet sich direkt am Messort (Abbildung 4).

Bild 4: Integration der neue CAN-Bus Wiegeeinrichtung in das Überladeband einer Reinigungsladers [5].

Figure 4: Integration of the new CAN bus weighing system into the transfer conveyor of a cleaning loader [5].

Komfort und Ergonomie für einen attraktiven Arbeitsplatz auf dem Roder

Um den Arbeitsplatz für Fahrer attraktiver zu gestalten, bieten alle Hersteller nun mehr Arbeitskomfort und verbesserte Ergonomie in Kabinen an, die geräumiger wurden und mit einer Fußbodenheizung ausgestattet sind. Die individuellen Maschineneinstellungen können gespeichert und vom Fahrer, z.B. beim Feld- oder Fahrerwechsel oder beim Anhäckseln, erneut geladen werden. Ergonomischere Multifunktionsarmlehnen, individuell verstellbare Sitze, Digitalkameras zur Arbeitsüberwachung, Hifi-Systeme und Handyladestationen sind zwar keine technischen Innovationen, aber gehören mittlerweile zur Standardausstattung.

Digitalisierung und Datenhandling

Der Roder als zentrale Maschine der Rübenernte wird auch digital mehr in die Prozesskette eingebunden. Holmer und ROPA haben Ihre Roder inkl. Bordrechner und Datenleitungen auch konzeptionell aufgerüstet. Prozessdaten und Kameraaufnahmen werden im Roder angezeigt und können zur Qualitätsüberwachung oder Diagnostik zusätzlich in die Cloud geladen werden. Die Agrirouter-Cloud ist für die Rübenernte eine standardisierte Datendrehscheibe für den Daten- und Informationsaustausch.

Der Maschineneigentümer kann aber immer entscheiden, an wen er welche Daten weitergeben möchte. Er kann so die Dokumentation seiner Tätigkeit an seinen Kunden weiterleiten und diese gegebenenfalls mit Prozessdaten erweitern (Fahrgeschwindigkeiten, Drehzahlen, …). Daten zu Mengen und Erntebedingungen (aus Drehzahlen am Fahrzeug abgeleitet) können an die Transportlogistik oder die Zuckerunternehmen weitergeleitet werden.

Über Kundenprotale, wie MyGrimme, MyHolmer und MyROPA, werden verschiedene Anwendungen gebündelt:

  • online und Echtzeit Bereitstellung des Arbeitsfortschritts, relevanter Maschinendaten und der aktuellen Roderposition,
  • Datenauswertung für einen Überblick über die gefahrene Erntekampagne,
  • bequeme Bestellung der passenden Ersatzteile über das Portal,
  • spätere Datennutzung durch Lohnunternehmen und Landwirte in einem Farm-Management-System bzw. einer Agrarsoftware, wie Farmpilot oder AGRARMONITOR
  • Auftragsverwaltung, -dokumentation und Rechnungsstellung.

Förderung des Bodenschutzes

Beim Bodenschutz gilt weiter das Eigengewicht der Fahrzeuge zu reduzieren. Hier finden sich besonders bei Holmer konstruktive Lösungen in Kombination mit besonders hartem Stahl (Hardox). Die 2-achsigen Maschinen besitzen ein Eigengewicht von 27 t, die 3-achsigen ab 30,8 t. Der Holmer 5 hat eine maximale Reifendimension von 1250/50 R32 an der Hinterachse und 900/60 R38 an der Vorderachse. Mit geringen Reifeninnendrücken reduziert sich der Kontaktflächendruck.

Nachhaltigkeit als weiteres Optimierungsziel

Der Einsatz von Bio-Hydrauliköl ist teilweise freigegeben. Durch Mikrofiltration und Überwachung der Ölqualität sind längere Laufzeiten zu erzielen, was wiederum ein Beitrag zur Nachhaltigkeit darstellt.

Einhaltung von gesetzlichen Abgasnormen

Zwei Motoren werden derzeit für die Rübenernte (Roder und Reinigungslader) eingebaut (Abbildung 5). Der neue Motor von Volvo verfügt über eine höhere Leistung und verbraucht – laut Angaben von ROPA, die diesen Motor einsetzen – durch Betrieb im niedrigeren Drehzahlbereich ca. 7% weniger Diesel. Die Einsparung wird jedoch durch den Mehrverbrauch an AdBlue wieder aufgehoben. Im Vergleich zu anderen Motoren soll der Volvo-Motor auch robuster hinsichtlich Probleme bei der Abgasreinigung und Kühlung (ADR) sein.

Bild 5: Mercedes-Benz und Volvo Motoren werden in der Erntetechnik eingesetzt [4 (oben); 5 (unten)]
Figure 5: Mercedes-Benz and Volvo engines are used in harvesting technology [4 (top); 5 (down)]

Literatur

[1]     N.N.: Jahresbericht der Zuckerwirtschaft 2022/2023. Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V. und Verein der Zuckerindustrie (Hrsg.), 2023, URL: https://www.zuckerverbaende.de/wp-content/uploads/2023/05/WVZ_VdZ_Jahresbericht_2022-2023.pdf, Zugriff am 13.02.2024.

[2]      N.N.: Bericht zur Markt- und Versorgungslage Zucker. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Hrsg.), 2023, URL: https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Zucker/2023BerichtZucker.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff am: 13.02.2024.

[3]     N.N.: Produktinformationen. GRIMME Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG, URL: https://products.grimme.com/de?group=3, Zugriff am: 01.02.2024.

[4]     N.N.: Produktinformationen. HOLMER Maschinenbau GmbH, URL: https://www.holmer-maschinenbau.com/produkte/rodetechnik/terra-dos-5/terra-dos-5.html, Zugriff am: 01.02.2024.

[5]     N.N.: Produktinformationen. ROPA Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH, URL: https://www.ropa-maschinenbau.de/produkte/, abgerufen am: 01.02.2024.

[6]     N.N.: Produktinformationen. Frans Vervaet B.V., URL: https://www.vervaet.nl/de/produkte/rubenernte/, Zugriff am: 01.02.2024.

 

Autorendaten

Dr.agr. Oliver Schmittmann ist Teil der Abteilung Agrartechnik und Robotik am Institut für Landtechnik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Empfohlene Zitierweise:
Schmittmann, Oliver: Rübenerntetechnik – aktueller Stand und Entwicklungen. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2023. Braunschweig: TU Braunschweig / Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2024. – S. 1-8

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