Beitrag in Jahrbuch 2023

Traktoren Motoren und Getriebe bei Traktoren

Kurzfassung:

Im Berichtsjahr wurden wieder mehrere neue Dieselmotoren vorgestellt, darunter auch 4-Zylinder in der 5-l-Hubraumklasse. Der Trend zu Verbrennungsmotoren für alternative Kraftstoffe hält weiter an und auffallend viele Hersteller stellten auf der Agritechnica Prototypen für Wasserstoff aus. Weichai Lovol präsentierte den Traktor P 7240 (180 kW) mit einem in China produzierten CVT-Getriebe, das auf Entwicklungen von VDS basiert. ZF stellte verschiedene Konzepte zur Elektrifizierung von Traktoren vor, darunter auch eine E-Hinterachse. ARGO brachte in den letzten zwei Jahren neue Lastschaltgetriebe auf den Markt, die anhand von Getriebeplänen besprochen werden. Aus einem anderen Beitrag wird ein Diagramm mit äquivalenten Motorschleppmomenten wiedergegeben. Die Methoden des „Model Based Systems Engineering“ (MBSE) gewinnen in der Landtechnik an Bedeutung. Sie ermöglichen die Erstellung von "digitalen Zwillingen" der physischen Produkte und damit kürzere Entwicklungszyklen.

Volltext

Verbrennungsmotoren

Nach zwei etwas "ruhigeren" Jahren wurden 2023 wieder mehrere neue Dieselmotoren vorgestellt. Parallel dazu setzte sich der Trend zu Verbrennungsmotoren für alternative Kraftstoffe fort. In Tabelle 1 sind solche Kraftstoffe mit einigen Grunddaten aufgelistet (Auswahl).

Tabelle 1: Übersicht über alternative Kraftstoffe mit Diesel als Referenz [1].

Table 1: Overview of alternative fuels with diesel as a reference [1].

Die bei Umgebungsbedingungen flüssigen Alternativen (für dieselmotorische Verbrennung) weisen volumetrische Energiedichten (MJ/l) auf, die nahe bei Diesel liegen. HVO hat zudem ähnliche chemische Eigenschaften, weshalb an Motoren kaum Anpassungen erforderlich sind. Viele Hersteller haben ihre Aggregate für die Verwendung von HVO freigegeben.

Methan und Wasserstoff sind gasförmig und müssen entweder verdichtet oder verflüssigt werden, was neben angepasster Motortechnik auch spezielle Tank- und Druckbehälterkonzepte erfordert. Die auf das Volumen bezogenen Energiedichten sind im Vergleich zu Diesel aber dennoch wesentlich geringer.

Zur Senkung der CO2-Emissionen werden in [2] Batterie-basierte Antriebe, Brennstoffzellen und H2-Verbrennungsmotoren verglichen. Für Letztere beschreibt der Beitrag aus Sicht von Borg Warner nötige technische Anpassungen und berechnet für ein leichtes Nutzfahrzeug
(3,5 t) die Gesamtbetriebskosten (TCO) unter Annahme von 6 € je kg H2. Die Energiekosten je km unterscheiden sich danach für die drei Varianten nur wenig (bei leichten Vorteilen für die Brennstoffzelle). Für große Reichweiten bzw. Betriebsdauern (z. B. von Fern-Lkw, Traktoren, Baumaschinen) schneidet der H2-Verbrennungsmotor wegen der hier niedrigsten spezifischen Fahrzeug-Herstellkosten am günstigsten ab.

Wahrscheinlich stellten deswegen viele namhafte Motorenhersteller H2-Verbrennungsmotoren (H2-ICE) auf der Agritechnica aus. Mit dem B6.7H präsentierte Cummins einen 6-Zylinder
(6,7 l Hubraum), der ebenfalls auf dem im letzten Jahrbuch erwähnten Fuel-Agnostic-Konzept aufbaut (einheitlicher Grundmotor, unterschiedliche Zylinderkopfmodule für Diesel, Methan und Wasserstoff). FPT stellte die H2-Version des XC13 (6 Zylinder, 12,9 l Hubraum) aus, auch aus einem Baukasten mit einheitlichem Grundmotor und verschiedenen Zylinderkopfmodulen.

Daneben gab es H2-ICE-Prototypen u.a. von Kubota (4 Zylinder, 3,8 l Hubraum), Liebherr (H964, 4 Zylinder, 9 l Hubraum, Direkteinspritzung, 2-stufige Turboaufladung mit Zwischenkühlung) und MAN (H4576, 6 Zylinder, 16,8 l Hubraum, Direkteinspritzung). Dieser Motor basiert auf dem bekannten D3876 mit 15,3 l Hubraum und weist rund 80% Gleichteile auf. Wegen der geringeren Leistungsdichte von H2-ICE wurde beim H4576 die Bohrung und somit der Hubraum vergrößert (Leistung in beiden Motoren 368 kW) [3]. Zur Verminderung der bei H2-ICE auftretenden NOX-Emissionen setzen die Hersteller auf AGR und H2-SCR-Katalysatoren.

In [4] werden Entwicklungsansätze von Liebherr für H2-ICE diskutiert (6-Zylinder mit 13,5 l Hubraum mit Saugrohreinspritzung und 4-Zylinder mit 9.0 l Hubraum mit Direkteinspritzung). Als Vorteile von H2-Verbrennungsmotoren werden u.a. genannt: Unempfindlich gegen Vibra-tionen, CO2- und NOX-Emissionen nahezu null, geringe Ansprüche an die Reinheit von H2 und Luft sowie vergleichbare Schnittstelle wie beim Dieselmotor.

Klassische Dieselmotoren

Die Deutz AG präsentierte mit den neuen 4-Zylinder-Motoren TCD 3.9 und TCD 4.0 (beide 3,94 l Hubraum) Anfang 2023 eine erste gemeinsame Entwicklung aus der Ende 2020 angekündigten Kooperation mit John Deere. Die Motoren arbeiten mit DOC/DPF/SCR (keine AGR) und erreichen in der Ausführung "TCD 4.0 Performance" Leistungen bis 130 kW. Längerfristig sollen damit die bekannten Deutz-Aggregate mit 3,6 und 4 l Hubraum abgelöst werden. Bei John Deere läuft dieser Motor unter der Bezeichnung JD4.

Auf der Agritechnica zeigte Deutz den bereits 2021 vorgestellten 4-Zylinder-Motor TCD 5.2 mit 5,2 l Hubraum, der nun serienreif sei (komplette Eigenentwicklung mit den Abgasnachbehandlungssystemen DOC/DPF/SCR, ohne AGR). Traktor-Einbaubeispiele für die Motoren TCD 3.9, TCD 4.0 und TCD 5.2 sind noch nicht bekannt. Aus einer weiteren Kooperation mit Daimler Truck stellte Deutz zudem einen 6-Zylinder-Motor mit 7,7 l Hubraum vor. In [5] gab es ein Interview mit Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Kooperationen von Deutz.

Auch andere Hersteller bieten zunehmend 4-Zylinder-Motoren in der 5-l-Hubraumklasse an, Tabelle 2. Das dürfte dazu führen, dass der 4-/6-Zylinder-Übergang bei Traktoren weiter nach oben geschoben wird. AGCO Power ist mit dem 4,9-l-Aggregat in dieser Klasse schon länger vertreten und baut das Angebot mit dem CORE50 mit 5 l Hubraum weiter aus (DOC/DPF/SCR,

 

Tabelle 2: Übersicht mit 4-Zylinder-Motoren, die mehr als 4,5 l Hubraum aufweisen (Auswahl)

Table 2: Overview of 4-cylinder engines with more than 4.5 litre displacement (selection)

keine AGR). Erste Anwendung ist in der neuen Baureihe 600 von Fendt. Im Topmodell 620 mit einer Maximalleistung von 165 kW (224 PS) wird die 200-PS-Marke bei einem 4-Zylinder-Traktormotor erstmals deutlich überschritten - bei sogar nur 1900 min-1 Nenndrehzahl.

Überarbeitet hat AGCO Power den 6-Zylinder-Motor mit 8,4 l Hubraum, der als Typ 84 LXTN in den neuen Großtraktoren-Baureihen von Massey Ferguson und Valtra (9S resp. S-Serie) verbaut wird. Die zweistufige Turboaufladung (mit Zwischenkühlung) des Vorgängers wurde durch eine einstufige Version mit eWastegate ersetzt, die AGR fällt ebenfalls weg.

FPT stellte mit dem Cursor 16 TST eine neue Version des 6-Zylinder-Aggregats mit 15,9 l Hubraum vor. TST steht für zweistufig Turboaufladung (Two Stage Turbo) inklusive Zwischenkühlung. Die erste Serienanwendung ist im Knicklenker Case IH Quadtrac 715 (Maximalleistung 572 kW), der Common-Rail-Einspritzdruck liegt bei 2500 bar. FPT-typisch gibt es keine AGR, auf einen DPF wird ebenfalls verzichtet (möglich wegen den "milderen" Abgasgrenzwerten in der Leistungsklasse > 560 kW). Eine zweistufige Turboaufladung gab es bisher schon beim Cursor 13 TST im Case IH Quadtrac 645 (12,7 l Hubraum, Maximalleistung 514 kW).

Der in den neuen XERION-Modellen 12.590 und 12.650 verbaute Motor OM 473 von
Mercedes-Benz arbeitet ebenfalls mit zwei in Serie geschalteten Turbinen, die zweite wandelt die dem Abgasstrom entnommene Energie aber in mechanische um, die dem Schwungrad zugeführt wird (Turbocompound). Aus dem LKW-Bereich ist bekannt, dass sich der Kraftstoffverbrauch hiermit insbesondere bei hohen Lasten um einige Prozente senken lässt.

John Deere präsentierte auf der Agritechnica einen 6-Zylinder-Konzeptmotor mit 9 l Hubraum für den Betrieb mit Ethanol. Dieser arbeitet nach dem Otto-Verfahren und soll die bisherigen Lösungen für erneuerbare Dieselkraftstoffe (z.B. Pflanzenöle und HVO) ergänzen. Als Grund für diese Entwicklung wird u.a. die weltweite Verfügbarkeit von Ethanol genannt.

Bei schnellem Verzögern (insbesondere bei Traktoren mit stufenlosen Getrieben) und bei Talfahrten reicht das Motorschleppmoment (Motor wird über Antriebsstrang angetrieben, Einspritzmenge null) von Traktoren bei höheren Geschwindigkeiten oft nicht aus. Zur Verhinderung von Motorüberdrehen und zur Verschleißminderung an den Betriebsbremsen werden deshalb zunehmend Systeme zur Erhöhung der Motorschleppmomente eingesetzt.

An der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen wurden daher im Rahmen von Studierendenarbeiten [6; 7] die äquivalenten Motorschleppmomente von aktuellen Traktoren untersucht, Bild 1. Die rote Kurve zeigt das eigentliche Motorschleppmoment, welches u.a. durch die innere Reibung, Strömungsverluste und die Differenz zwischen der Verdichtungsarbeit im zweiten Takt und der Expansionsarbeit im dritten Takt zustande kommt. Mit zunehmender Motordrehzahl steigt die Kurve leicht an, was ein typischer Verlauf ist. Die grüne Kurve stellt das Motorschleppmoment bei zusätzlich betätigter Motorbremse (Stauklappe im Abgastrakt) dar. Aktiviert wird diese erst ab einer Motordrehzahl von 1100 min-1. Bei Nenndrehzahl (2200 min-1) liegt das äquivalente Schleppmoment dann fast auf gleichem Niveau wie das Volllastdrehmoment ohne Boost.

Gemessen wurden die Werte mit einem Drehmomentsensor von MANNER am Heckzapfwellenstummel, der Antrieb erfolgte von hinten über die Frontzapfwelle eines zweiten Traktors. Hieraus konnten die Schleppmomente berechnet werden (ohne Berücksichtigung von Verlusten). Durch die tatsächlich vorhandenen Verluste entstehen gewisse Fehler (die Volllastdrehmomente des Motors sind in Wirklichkeit etwas höher, die Schleppmomente etwas geringer). Die gezeigten Tendenzen werden aber nur unwesentlich beeinflusst.

Bild 1: Äquivalente Volllastdrehmomente (mit/ohne Boost) und äquivalente Schleppmomente (mit/ohne Motorbremse) des Traktors New Holland T7.225 (Zapfwellenmessungen).

Figure 1: Equivalent full load torques (with/without boost) and equivalent drag torques (with/without engine brake) of the New Holland T7.225 tractor (PTO measurements).

Stufengetriebe

ARGO stellte mit dem P6-Drive Ende 2022 ein neues 6-fach-Lastschaltgetriebe aus eigener Entwicklung und Produktion für die Baureihen McCormick X6.4 und Landini 6 RS vor, Bild 2. Das Lastschaltmodul mit sechs Lamellenkupplungen wird hier mit einem lastschaltbaren Wendegetriebe und einem synchronisierten 4-Gang-Getriebe kombiniert, woraus sich 24/24 Gänge ergeben (V/R). Mit der optionalen Kriechgang-Schaltstufe kann die Gangzahl auf 40/40 erhöht werden. Neben den Lastschaltstufen lassen sich auch die vier synchronisierten Gänge automatisch schalten. Bei der Heckzapfwelle sind bis zu vier Drehzahlen (540/540ECO/ 1000/1000ECO) möglich, als weitere Option gibt es eine Wegzapfwelle (in Bild 2 nicht eingezeichnet).

 

 

 

Bild 2: Neues P6-Drive-Getriebe von ARGO für die Baureihen McCormick X6.4 und Landini 6 RS.

Figure 2: New P6-Drive transmission from ARGO for the McCormick X6.4 and Landini 6 RS series.

 

Einen sehr breiten Getriebebaukasten bietet ARGO für die Baureihen McCormick X5 und Landini 5 an. Die zehn Varianten reichen vom sehr einfachen 12/12-Getriebe mit synchronisierter Wendeschaltung und 1-fach-Zapfwelle mit Betätigung über eine klassische Doppelkupplung bis zur Top-Variante mit insgesamt 48/16 Gängen (V/R), 3-fach-Lastschaltung, lastschaltbarer Wendeschaltung, Kriechgang, Wegzapfwelle und 4-fach-Motorzapfwelle.

In Bild 3 sind diese beiden Varianten dargestellt (ganz oben und unten). Dazwischen ist das 2-fach-Lastschaltmodul Speed-Shift mit dem lastschaltbaren Wendegetriebe sowie das Heckzapfwellengetriebe mit zwei Drehzahlen eingezeichnet. Die zwei Lastschaltstufen werden hier mit einem Planetengetriebe realisiert. Bei geschlossener Kupplung wird die Motordrehzahl 1:1 zum Wendegetriebe weitergeleitet, bei geschlossener Bremse (Kupplung offen) kommt es zu einer Übersetzung ins Schnelle. Beim 3-fach-Lastschaltmodul P3-Drive gibt es anstelle des Planetengetriebes zwei zusätzliche Lamellenkupplungen. In der mittleren Stufe gelangt die Leistung vom Motor direkt über die geschlossene Wendegetriebe-Kupplung KV zum 4-Gang-Synchrongetriebe. Bei den Lastschaltstufen 1 und 3 fließt die Leistung bei geschlossener Kupplungen KL resp. KH über die Vorgelegewelle zur Hohlwelle des Synchrongetriebes - bei offener Kupplung KV. Für die Rückwärtsfahrt steht damit nur die mittlere Lastschaltstufe zur Verfügung.

Bild 3: Getriebebaukasten für Baureihen McCormick X5 und Landini 5.

Figure 3: Modular gearbox system for McCormick X5 und Landini 5 series.

Stufenlosgetriebe

Auf der Agritechnica 2023 stand mit dem Lovol P 7240 (ca. 180 kW) erstmalig ein chinesischer Traktor mit einem in China produzierten hydrostatisch-leistungsverzweigten Getriebe, Bild 4. Der P 7240 (max. 40 km/h) ist das mittlere Modell einer Baureihe aus drei Typen des chinesischen Staatskonzerns Weichai Lovol, Hauptsitz in Weifang/Shandong. Weichai Power liefert das stufenlose Getriebe, das auf Entwicklungen von VDS Getriebe GmbH (Österreich) basiert. Nach Informationen aus China wurden erste Traktoren mit diesem Getriebe bereits ab Oktober 2021 in kleiner Stückzahl hergestellt. Die Entwicklung sei aber nicht ganz abgeschlossen, weshalb ein endgültiger Getriebeplan noch nicht verfügbar ist. Bekannt ist aus China, dass es sich um eine eingangsgekoppelte Struktur mit Summierung durch ein Standard-Planetengetriebe mit Fahrbereichen handelt und dass man Schrägscheiben-Axialkolbenmaschinen von Linde verwendet (Linde Hydraulics gehört mehrheitlich zum Weichai-Konzern).

Bild 4: Stufenloses hydrostatisch-leistungsverzweigtes Getriebe aus chinesischer Produktion auf der Agritechnica für Traktoren der Baureihe Lovol 7000. (Foto: Stirnimann)

Figure 4: Chinese hydrostatic power split CVT at Agritechnica for Lovol tractor models 7000.

 

Solche Strukturen mit Planetengetriebe als Summierer sind sehr übersichtlich, verlangen aber zusätzliche mechanische Fahrbereiche. Um nichtsynchrone Umschaltungen zu verbessern, wird in [8] für eine ebenfalls primär gekoppelte Struktur vorgeschlagen, zwei zusätzliche Lamellenkupplungen als „Brückenelemente“ zu integrieren (Getriebeplan) und in die Gesamtsteuerung einzubeziehen. Die mit einem detaillierten Modell erfolgte Optimierung zeigt erstaunliches Verbesserungspotenzial auf - erhöht allerdings auch wieder den konstruktiven Aufwand. In einem weiteren interessanten Beitrag [9] wird ein System vorgeschlagen (Strukturbild) und eingehend modelliert, bei dem elektrische Komponenten integriert werden können.

Elektrische Antriebstechnik

Die derzeitige Kombination von E-Maschinen mit kompletten, vorhandenen Antriebssträngen (mit dann eigentlich zu vielen Fahrbereichen) wird von Experten als Übergangslösung angesehen. Schon zwei Fahrbereiche, wie in [10] für Pkw <100 kW und Lkw als vorteilhaft aufgezeigt, könnten auch bei kleinen Traktoren genügen. Ein dafür mögliches Zweiganggetriebe wurde 2019 in [11] mit Bild 5.56 vorgeschlagen. Die Struktur mit Stufenplanet und kostengünstiger Schaltung (2 Außenbremsen) wurde jetzt in [12] als Lösung auch für elektrische Fahrantriebe von Pkw <100 kW und Lkw genannt und eine interessante Umschaltung vorgestellt.

ZF präsentierte auf der Agritechnica mit der Einheit eTMG11 ein hydrostatisch-mechanisches Leistungsverzweigungsgetriebe mit elektrischem Zentralmotor für batterieelektrische Traktoren und Kommunalfahrzeuge [13].

Vorgestellt wurde zudem eine Entwicklungsstudie für eine hochintegrierte, elektrifizierte Traktorhinterachse inklusive Antriebstechnik für das untere Leistungssegment bis 100 kW [14]. Ziel dieser Studie ist es, die elektrische Antriebstechnik sehr kompakt in der Hinterachse unterzubringen, so dass viel Bauraum für die mit geringer Energiedichte ausgestatteten, elektrischen Energiespeicher (Batterien) zur Verfügung steht. Im Vergleich zum eTMG11 mit elektrischem Zentralantrieb, leistungsverzweigtem Getriebe und klassischer Hinterachse kann der Bauraumbedarf in Fahrzeuglängsrichtung um 1575 mm verkürzt werden.

Der neu konzipierte Fahrantriebstrang (Getriebeplan in [14]) besteht aus einer quer eingebauten, ölgekühlten, permanent-erregten Synchron-E-Maschine, die mit der Sonnenradwelle eines Differentialgetriebes, bestehend aus zwei gekoppelten Planentengetrieben und einer Kupplung als Differentialsperre, verbunden ist. Der Abtrieb vom Differentialgetriebe zu den Radendantrieben erfolgt über die Stegwelle des ersten Planetengetriebes und die Hohlradwelle des zweiten Planetengetriebes. Als Radendantriebe dienen außenliegende Planeten-sätze. Somit verfügt das Konzept über einen direkten Fahrbereich und soll sowohl hohe Zugkräfte im unteren Geschwindigkeitsbereich als auch 50 km/h Höchstgeschwindigkeit in beide Fahrrichtungen ermöglichen. Außenliegende, trockenen Scheibenbremsen dienen zum Brem-sen, wenn durch die E-Maschine nicht rekuperiert werden kann. Für das Design der E-Maschine, des Differentialgetriebes und der Bremsen bediente man sich ZF-interner Komponenten aus dem Automobil-, dem Nutzfahrzeug- und dem Off-Highway-Bereich.

Der Vorderradantrieb erfolgt klassisch über Kegel- und Stirnräder sowie eine Allradkupplung, so dass übliche Vorderachsen verwendet werden können. Eine zweite, ölgekühlte Synchron-E-Maschine wird für den Antrieb der Zapfwelle und der Hydraulikpumpen eingesetzt, ebenfalls ohne veränderliche Getriebeübersetzung. Für langsame Zapfwellendrehzahlen müssen die Hydraulikpumpen so dimensioniert sein, dass ausreichende Volumenströme zur Verfügung stehen. Dieser zweite Antrieb kann stillgesetzt werden, wenn weder Hydraulik- noch Zapfwellenleistung benötigt werden.

Entwicklungswerkzeuge und konstruktive Grundlagen

Die Entwicklung der Antriebstechnik für Traktoren fokussiert sich weiterhin auf Energie-
effizienzsteigerungen, inklusive der Analyse und Auswahl alternativer Antriebstechnologien, um die künftigen Anforderungen zur CO2-Reduktion zu erfüllen. Die Vor- und Nachteile jeder Technologie müssen im Kontext der Einsatzdauer und der Lastzyklen bewertet werden und können die konventionelle Antriebstechnik nicht 1:1 ersetzen - u.a. wegen der schon aufgezeigten geringen Energiedichten, siehe Tabelle 1.

In [15] werden aktuell bestehende Referenzeinsatzzyklen vorgestellt und erwähnt, dass die meist synthetischen Zyklen keine ausreichend realen Traktoranwendungen abbilden, die aber zur vergleichenden Analyse neuer Antriebstechnologien nötig sind. Als Lösungsansätze werden eine Methode zur Entwicklung neuer „real-world farming cycles“ (RWFC) sowie ein exemplarischer Zyklus vorgestellt, der möglichst viele Arbeitspunkte des Antriebstrangs im Leerlauf, im Teillast- und im Vollastbetrieb abbildet. In [16] erfolgt ein Vergleich verschiedener Antriebstechnologien (paralleler und serieller Hybridantrieb, vollelektrischer Antrieb, Brennstoffzellenantrieb, Erdgasantrieb, Wasserstoffmotor) bezogen auf konventionelle Traktor-
antriebstränge. Die Analyse geschieht anhand von Simulationsmodellen, zur Nachbildung der Triebstrangkomponenten und mit Hilfe von selbst ermittelten, ebenfalls möglichst repräsentativen, realen Einsatzzyklen für Feld- und Straßenarbeit. Die Ergebnisse bekräftigen die in der Tendenz zu erwartenden Vor- und Nachteile der jeweiligen Technologien in Bezug auf Energieeffizienz und Einsatzzeiten.

Neben dem Vergleich der Antriebstrangtechnologien wird in [16] auch auf die Methoden des „Model Based Systems Engineering“ (MBSE) zurückgegriffen. Dieser in der Landtechnik noch wenig verbreitete Entwicklungsansatz beschreibt die formalisierte Anwendung von Modellen zur Unterstützung von Systemanforderungs-, Design-, Analyse-, Verifikations- und Validierungsaktivitäten über den kompletten Entwicklungsprozess [17]. Das heißt, es entsteht ein „digitaler Zwilling“ des physischen Produkts. Langfristig verspricht man sich kürzere Entwicklungszyklen durch einen schnelleren Datenaustausch zwischen einzelnen Entwicklungsdomänen [18]. Dies bedeutet zum Beispiel, dass Geometriemodelle und -daten mit Fahrdynamik- oder Triebstrangmodellen verknüpft sind oder dass die Entwicklung der einzelnen mechanischen Triebstrangfunktionen in direkter Datenverknüpfung mit der Steuerungssoftware- und der User-Interface-Softwareentwicklung stehen kann.

Wie die Methoden des MBSE für die Entwicklung von mechatronischen Antriebstechniksystemen eingesetzt werden können, wurde unter anderem auf der diesjährigen „Drive Train and Systems Engineering Conference“ (DSEC) in Aachen thematisiert. Einen allgemeinen Überblick der Herausforderungen und Erfahrungen während der Einführung von MBSE in beispielhafte Industrieprojekte gibt [19]. In [20] wird die Umsetzung von MBSE für die Entwicklung eines elektrifizierten Antriebstrangs anhand der Modellierung einer E-Maschine erläutert.

Für hydraulisch angesteuerte Lamellenkupplungen von Lastschaltungen sind Simulationsmodelle inzwischen ein bedeutendes Entwicklungswerkzeug, insbesondere für hohen Schaltkomfort bei geringem Lasteinbruch. Gute Ergebnisse verlangen den Einbezug des gesamten Antriebsstranges und weiterer Traktordaten. Über ein solches Modell wird in [21] für einen Traktor mit 105 kW berichtet. Sein 32/32-Gang-Getriebe besteht aus einem zentralen Doppelkupplungsgetriebe mit 8 lastschaltbaren Grundgängen, 4 nachgeordneten formschlüssig geschalteten Fahrbereichen und einem Power Reverser im Eingangsbereich. Der Steuerdruck der Aktorik wird bis 20 bar moduliert. Zentrale Komponente des Modells ist das Doppelkupplungsgetriebe, wobei auch das Verhalten der Synchronisationen einbezogen wird. Fernziel des erreichten Echtzeitmodells sind zeit- und kostensparende Hardware-in-the-loop-Testläufe.

Zusammenfassung

Im Berichtsjahr wurden wieder mehrere neue Dieselmotoren vorgestellt, darunter auch 4-Zylinder in der 5-l-Hubraumklasse. Der Trend zu Verbrennungsmotoren für alternative Kraftstoffe hält weiter an und auffallend viele Hersteller stellten auf der Agritechnica Prototypen für Wasserstoff aus. Weichai Lovol präsentierte den Traktor P 7240 (180 kW) mit einem in China produzierten CVT-Getriebe, das auf Entwicklungen von VDS basiert. ZF stellte verschiedene Konzepte zur Elektrifizierung von Traktoren vor, darunter auch eine E-Hinterachse. ARGO brachte in den letzten zwei Jahren neue Lastschaltgetriebe auf den Markt, die anhand von Getriebeplänen besprochen werden. Aus einem anderen Beitrag wird ein Diagramm mit äquivalenten Motorschleppmomenten wiedergegeben. Die Methoden des „Model Based Systems Engineering“ (MBSE) gewinnen in der Landtechnik an Bedeutung. Sie ermöglichen die Erstellung von"digitalen Zwillingen" der physischen Produkte und damit kürzere Entwicklungszyklen.

Literatur

[1]     Stirnimann, R.: Traktorantriebe werden in Zukunft vielfältiger. Eilbote 71 (2023) H. 45-45, S. 16-21.

[2]     Dober, G.; Piok, W.F.; Meissonier, G.; Hoffmann, G.: Wasserstoff-Einblassysteme – Ein smarter Weg zu CO2-freien Antrieben. MTZ 84 (2023) H. 1, S. 28-35.

[3]     N.N.: MAN Engines stellt wegweisenden Wasserstoffverbrennungsmotor für Offroad-Anwendungen vor. URL: https://press.mantruckandbus.com/corporate/de/man-engines-stellt-wegweisenden-wasserstoffverbrennungsmotor-fuer-offroad-anwendungen-vor/, Zugriff am 22.01.2024.

[4]      Wolfe, M.: Liebherr goes all in on hydrogen fuel. SAE Tech Briefs, Special Report Conexpo-Con/AGG 2023, S. 10-11.

[5]     Pawelzik, B.: Flexibel für die Verbrennerzukunft ausgerichtet. Eilbote 71 (2023) H. 25, S. 14-15.

[6]     Pochon, J.: Comparaison entre 4 procédés de mesure de taux de freinage des tracteurs agricoles. Semesterarbeit (2021), unveröffentlicht. Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen.

[7]     Ramer, M.: Ermittlung von Schleppmomenten bei Traktoren. Semesterarbeit (2023), unveröffentlicht. Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen.

[8]     Shu, Z.; Wang, J.; Yang, Y.; Wang, G.; Fu, S.: Optimization of Shifting Quality of Hydrostatic Power-Split Transmission with Single Standard Planetary Gear Set.
Agriculture 13 (2023), H. 8 (Man.1685), 18 Seiten. Open access.

[9]     Zhu, Z.; Yang, Y.; Wang, D.; Cai, Y.; Lai, L.: Energy Saving Performance of Agricultural Tractor Equipped with Mechanic-Electronic-Hydraulic Powertrain System. Agriculture 12 (2022) H. 3 (Man. 436), 22 Seiten. Open access.

[10]   Höhn, B.-R.; Zhang, Y.: Wie viele Getriebegänge für E-Antriebe in Fahrzeugen?
Konstruktion 74 (2022) H. 5, S. 70-74.

[11]   Renius, K.T.: Fundamentals of Tractor Design. Cham/Schweiz: Springer 2019.

[12]   Höhn, B.-R.; Zhang, Y.: How many speed ratios for electric cars? One example.
AGMA Technical Paper. Oct. 2023. Alexandria, Virginia 22314, USA: AGMA, American Gear Manufacturers Association.

[13]   N.N.: The Future of Farming: Intelligente in innovative Systemlösungen von ZF auf der Agritechnica 2023:  URL: https://press.zf.com/press/de/releases/release_63436.html, Zugriff am 28.01.2024.

[14]   Willems, S.; Himmelsbach, R.; Igl, S.: Electric powertrain solutions for tractors - An introduction to a highly integrated electric axle drive system. VDI-Berichte Nr. 2427 (2023), ISBN: 978-3-18-092427-4, S.295-300.

[15]   Mattetti, M.; Angelucci, L.: The development of a reference working cycles for agricultural tractors. VDI-Berichte Nr. 2427 (2023), ISBN: 978-3-18-092427-4, S.15-20.

[16]   Lajunen, A.: Numerical simulation of alternative powertrains and fuels in agricultural tractors. VDI-Berichte Nr. 2427 (2023), ISBN: 978-3-18-092427-4, S.29-38.

[17]   N. N: Was ist MBSE (Modellbasiertes Systems Engineering)? – Mit MBSE den Überblick behalten. Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. URL: https://www.ipk.fraunhofer.de/de/kompetenzen-und-loesungen/digital-engineering/modellbasiertes-systems-engineering/was-ist-model-based-systems-engineering.html, Zugriff am: 02.01.2023.

[18]   Maier, M.: Smart Energy – A System of Systems Engineering Perspective. Drivetrain and Systems Engineering Conference, Aachen, 21.-22. März, 2023, Conference Proceedings, S.57-58.

[19]   Kleiner, S.: Successful Planning, Development and Application of MBSE. Drivetrain and Systems Engineering Conference, Aachen, 21.-22. März, 2023, Conference Proceedings, S.40-45.

[20]   Hoepfner, G.; Mennicken, M.; Berges, J.; Jacobs, G.; Berroth, J.: Towards a Modular Structure for Solution Concepts in MBSE System Models. Drivetrain and Systems En-gineering Conference, Aachen, 21.-22. März, 2023, Conference Proceedings, S.47-56.

[21]   Han, G.; Ahn, D.-V.; Kwon, D.; Kim, H.S.; Park, Y.J.; Lee, J.W.: Development of a Real-Time Tractor Model for Gear Shift Performance Verification. Agriculture 13 (2023) H. 11 (Man. 2133), 24 Seiten.

 

Autorendaten

Dipl.-Ing. agr. FH, Dipl.-Ing. Wirtschaft FH, Executive MBA Roger Stirnimann ist AgrartechnikDozent an der Berner Fachhochschule.

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Karl-Theodor Renius ist Professor im Ruhestand am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München.

Dr.-Ing. Christian Birkmann ist Systemingenieur für elektronische Maschinenoptimierungssysteme in der Vorentwicklung für Traktoren bei CLAAS am Standort Paderborn.

Empfohlene Zitierweise:
Stirnimann, Roger; Renius, Karl Theodor; Birkmann, Christian: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2023. Braunschweig: TU Braunschweig / Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2024. – S. 1-13

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