Beitrag in Jahrbuch 2023

Geschichte Frühe Mähdrescherentwicklung – Bonner Professoren und die Firma Claas

Kurzfassung:

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann im deutschsprachigen Raum die Entwicklung weg vom Standdrusch hin zu mobilen Mähdreschern. Dabei hatte die Kooperation zwischen der Firma Claas und den derzeitigen Bonner Professoren des Instituts für Landtechnik (ILT) einen maßgeblichen Anteil. Der Artikel beruht auf den Informationen aus Veröffentlichungen der Professoren Vormfelde, Brenner und Dencker von 1910 -1931. Es gibt darin keine gemeinsame Veröffentlichung mit August Claas, dem maßgeblich Verantwortlichen für die technische Produktentwicklung im Unternehmen Claas, aber die Quellen geben eine guten Einblick in die Situation und Diskussion um die Ablösung des Standdrusches.

Volltext

Einleitung

Die im Titel angesprochenen Zusammenarbeit erstreckt sich auf den Zeitraum des Wirkens der Professoren Karl Vormfelde, Walter Gustav Brenner und Carl-Heinrich Dencker. Wobei Brenner in dieser Zeit nicht in der Position eines Professors an der Landwirtschaftlichen Akademie Poppelsdorf war, aber als Mitarbeiter von Vormfelde maßgeblich zu der Mähdrescherentwicklung und Mechanisierung der Getreideernte beigetragen hat, insbesondere in Zusammenwirken mit der Firma Claas. Darüber wird im Folgenden chronologisch berichtet mit einer erweiterten Sicht auf die landtechnischen Entwicklungen zur Getreideernte Ende der 20iger und in den 30iger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.

Das Wirken von Karl Vormfelde in Bonn (1919-1944) fällt in die Epoche der stationären Dreschtechnik, der Mähbinder und Strohpressen. In den beiden letzten Bereichen war die Firma Claas tätig.  Auch seine Vorgänger am Bonner Institut Eberhard Giesler und Hans Holldack haben sich mit den Entwicklungen der Mechanisierung der Getreideernte beschäftigt. In die Zeit Holldacks fiel die Mitwirkung von Max Eyth an der Landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf von 1882 bis 1886, in der er sich insbesondere der Gründung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft widmete.

Karl Vormfelde hatte bereits Kenntnisse in dem Bereich der Getreideernte aus seiner Tätigkeit bei der Firma Heinrich Lanz/Mannheim. In dieser Zeit veröffentlichte er eine Abhandlung über die Entwicklungen des Dreschbetriebes [1], in der er auf die Unterschiede zwischen Stiftentrommel, die in Amerika weite Verbreitung gefunden hatte und Schlagleistentrommel, die in Deutschland verwendet wurde, eingeht. In den sogenannten Breitdreschmaschinen wurden Schlagleisten-trommeln eingesetzt, deren Merkmal eine geringe Beschädigung des Strohs war aber auch ein stark diskontinuierlicher Durchsatz durch gabenweise Eingabe in das Dreschorgan. Lanz stellte in dieser Zeit Dreschmaschinen und Dreschsätze (bestehend aus Dampfantrieb, Dreschmaschine und Strohpresse) her. In einem Brief an einen Freund (W. A. Müller) im Jahr 1913 schreibt Vormfelde als Exportingenieur der Firma Heinrich Lanz über den Einsatz eines Lanz Dreschsatzes in Griechenland: „Der Befehl unserer Firma ist ausgeführt, Thessalien ist erobert. Ich habe den Rauch aus dem Feuer deutscher Maschinen am Fuße des Olymps aufsteigen lassen, und die Götter haben mich nicht zermalmt und nicht in den Tartarus geschickt. Gnädig waren sie meinem Beginnen. Zwar ging es nicht ganz ohne Blutvergießen ab; Scharen von Moskitos drohten mich und meinen Maschinisten kampfunfähig zu machen“ [2]. Sein Werdegang und die beruflichen Stationen sind im Folgenden in kurzer Form dargestellt.

Prof. Dr.-Ing. Karl Heinrich Vormfelde - 8. März 1881 in Bielefeld - 9. März 1944 in Bonn

 

  • 1900- 1904 Studium an der Technischen Hochschule Hannover danach 2 Jahre DLG Stipendiat
  • 1906 Promotion an TH Hannover über theoretische Probleme bei Milchschleudern
  • 1910 - 1914 internationale Aufgaben bei Heinrich Lanz, Exportingenieur
  • Nach Kriegsende Technischer Direktor der Landmaschinenfabrik Dehne, Halberstadt
  • ab 1919 Leiter des Instituts in Bonn-Poppelsdorf zum damaligen Stand Landwirtschaftliche Hochschule Bonn-Poppelsdorf bis 1944 (Bild 1)

Bild 1: Prof. Dr.-Ing. Karl Vormfelde [3].

Figure 1: Prof.-Dr.-Ing. Karl Vormfelde [3].

 

Bereits 1910 berichtet Vormfelde über die Prüfung von Riesendreschmaschinen in den Mitteilungen des Verbandes landwirtschaftlicher Maschinen-Prüfungs-Anstalten [4]. Erste Informationen über eine Verbindung zu Claas liegen aus dem Jahr 1924 vor, als Vormfelde über die Neuerungen an dem Knüpfapparat der Firma Claas (Bild 2) berichtet. Eine Verbesserung lag in der sicheren Bindung auch bei starken Bindegarnen. Weiterhin wurde die untere Halteplatte mit einer Nut versehen, die dazu führte, dass auch bei lockerer Garnspannung die Haltefunktion erhalten blieb. Eine dritte Verbesserung bestand in dem sicheren Trennen des Bindegarns durch eine Nut in der Gegenschneide, in die das Messer eingreift und auch bei stumpferen Messern zum sicheren Trennen des Bindegarns führt [5]. Im Jahre 1922 bei einem Besuch Vormfeldes in Harsewinkel im Zusammenhang mit einem Gutachten zur Bindesicherheit von Knotern lernte Vormfelde August Claas kennen. Vormfelde war auch bereits durch seine Tätigkeit bei Lanz und später als Professor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf als Fachmann für die Getreideernte und Technik des Dreschens ausgewiesen, was auch durch seine Wahl zum Vorsitzenden des Getreideernte-ausschusses des RKTL belegt wird [6].

Bild 2: Claas Knoter, 1924 [5].

Figure 2: Claas Knotter bills [5].

 

1925 berichtet er einem Vortrag auf der DLG Herbsttagung in Königsberg [7] über die Wirkung von Wurfentgrannern und Rollschüttlern, die Eingang in die Stationärdrescher gefunden hatten. Einen guten Einblick in den Stand der Entwicklung und Einführung von Mähdreschern in die Landwirtschaft gibt die 1. Ausgabe des Fachheftes Getreideernte der Zeitschrift „Die Technik in der Landwirtschaft“ im Jahre 1930 herausgegeben vom VDI-Verlag in Berlin, mit 9 Beiträgen (darunter die Autoren Vormfelde, Brenner und Knolle) zur Technik in der Getreideernte, in der sich die Autoren mit dem Mähdrusch und auch bereits mit technischen Einrichtungen zur Trocknung von Körner befassen [8]. Vormfelde war Vorsitzender des RKL Getreideausschusses, der 1929 einen Vergleichstest mit 13 Maschinen in Auftrag gegeben hatte und damit eine bereits 1928 begonnene Untersuchungen von 7 Mähdreschern fortsetze. Vormfelde resümiert, dass Mähdrescher unter den klimatischen Verhältnissen in Deutschland einsetzbar sind, 50% Arbeitszeit können im Vergleich zum weit verbreiteten Mähen-Binden-Standdrusch eingespart werden. Die Schwierigkeiten liegen bei der Stroh-Spreubergung.  Die Körnerverluste sind deutlich geringer als bei dem Ernteverfahren mit Mähbinder und Standdrusch.

Im selben Jahr befasst sich Vormfelde in einem Beitrag zur Wanderausstellung Köln [9] auch mit den sozialen Umbrüchen, die durch die Einführung von Mähdreschern erwartet wurden. Er beschreibt sie als ähnlich den Umwälzungen verursacht durch die Dampfmaschine und befürchtet insbesondere eine Landflucht und das Entstehen einer Getreideindustrie gleich der Großindustrie, wie sie durch die Dampfkraft entstanden war. Aber auch bei dem geteilten Ernteverfahren, das in den landwirtschaftlichen Betrieben eingeführt war, vollzogen sich Fortschritte der Mechanisierung. Der Stahldrescher wurde von Vormfelde [9] als leichter wie auch billiger beschrieben. Mit Ferneinleger und Garbenaufschneider wurden wesentliche arbeitswirtschaftliche Einsparungen erreicht. In seinem Bericht geht er auf einen weiteren Zusammenhang ein, der in Verbindung mit dem eingeführten stationären Drusch verbunden war. Die sogenannte Breitdrusch-Maschinen lieferten Langstroh, wie es in vielen Betrieben bevorzugt wurde, aber auch vom preußischen Militär per Reglement gefordert wurde [9]. Eine Einnahmequelle, auf die viele landwirtschaftliche Betriebe nicht verzichten wollten.

Im Rückblick wird deutlich, dass dieser Absatz von Langstroh mit der zunehmenden Technisierung des Militärs schnell versiegte. In seinem Bericht zu der Ausstellung geht Vormfelde auch auf die Trommeltechnik ein. Den Stifttrommeln, die in den USA weit verbreitet waren, wurde zugeschrieben, besseres Streustroh (Kurzstroh) zu erzeugen. Und er schloss daraus, dass „diese Entwicklung auch wie von selbst zur Einführung von Miststreumaschinen führen würde“. Als ungelöstes Problem wurde die Notwendigkeit, Spreu und Stroh zu bergen, angesprochen, wofür durch das mobile Dreschen auf dem Feld eine Lösung gefunden werden musste. In Bezug auf den Antrieb der Dresch- und Reinigungseinrichtungen war die Situation geprägt von einem schnellen Fortschritt im Bereich des Standdrusches. In dieser Zeit wurden von den Herstellern Komplett-Sätze angeboten mit wahlweisem Antrieb über Dampfkraftmaschinen, Verbrennungsmotoren oder Elektromotoren.

In einem Artikel über die Royal Agricultural Show in Manchester 1930 [10] berichtet er über den ersten in Europa gezeigten Mähdrescher der amerikanischen Fa. Rumely (Bild 3). In dem Artikel „Ein neues Weltbild durch Mähdrescher“ in der Zeitschrift des VDI [11] stellt Vormfelde 1931 die bereits in den USA eingesetzten Mähdrescher vor und spricht von den Mähdrescherländern, zu denen er Deutschland nicht zählte. Für die Einführung des Mähdrusches seien die notwendigen Voraussetzungen in den bäuerlichen Betrieben nicht gegeben. Eine große Rolle spielte dabei die Arbeitskräftesituation in Deutschland, die zunächst durch Arbeitslosigkeit und später aber durch Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft geprägt war.

            

Bild 3: Rumely Mähdrescher 1929 [12].
Figure 3: Rumely combine 1929 [12].

 

Trotz der kritischen Auseinandersetzung mit der Einführung der Technologie der Mähdrescher war er überzeugt, dass diese Technik sich durchsetzen würde und fand in August Claas einen Gleichgesinnten. Beide verband auch ihre Herkunft, Vormfelde stammte aus Bielefeld nur 30 km von Harsewinkel entfernt und beide sprachen dasselbe Platt. Eine kongeniale Epoche entstand dadurch, dass Vormfelde Walter Brenner (1929-1933) für das Bonner Institut gewinnen konnte, wodurch die Verbindung zur Firma Claas intensiviert wurde.

Walter Gustav Brenner befasste sich nach seinem Studium an der TH München mit den Strömungseigenschaften von Körnern sowie den Trenneigenschaften von Steigsichtern und promovierte darüber an der TH Stuttgart. Vor seiner Tätigkeit an dem Bonner ILT bei Vormfelde übte er eine industrielle Tätigkeit bei der Firma Röber, einem Hersteller von Getreidereinigern aus.  Die enge Verbundenheit von Brenner mit der Firma Claas ergibt sich aus seinem Werdegang.

Prof. Dr.-Ing. Walter Gustav Brenner - 28. Juli 1899 in Münchberg/Oberfranken - 8. Dez. 1973 in Tegernsee

  • 1920 – 1924 Studium an der Technischen Hochschule München
  • 1927 Promotion an der Technischen Hochschule Stuttgart mit einer Arbeit über den Sortiervorgang bei der Sichtung von Saatgetreide durch Windströme
  • anschließend Tätigkeiten bei der Firma Röber, Getreidereinigung
  • 1929 wieder zurück zu Forschung und Lehre als Assistent von Prof. Karl Vormfelde
  • 1932 Habilitation an der Landwirtschaftlichen Hochschule Poppelsdorf
  • 1932 Patent – Poppelsdorfer Zapfwellenmähdrescher
  • 1933 Tätigkeit bei der Firma Claas im Bereich Entwicklung Mähdrescher
  • 1949 Direktor des neu errichteten Instituts für Landmaschinenforschung der Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig Völkenrode
  • 1952 von den Gebr. Claas als Konstruktionsleiter und Prokurist nach Harsewinkel zurückberufen
  • 1955 - 1967 Ordinarius am Institut für Landtechnik in Weihenstephan der TH-München
  • 1960 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn verliehen (Bild 4)

 

Bild 4: Prof. Dr.-Ing. Walter Gustav Brenner [3].

Figure 4: Prof. Dr.-Ing. Walter Gustav Brenner [3].

 

1930 berichtet Brenner in „Die Technik in der Landwirtschaft“ über die technische Bewährung der Mähdrescher 1930 [13]. In diesem Jahr, so führt er aus, sind in Deutschland 16 Mähdrescher im Einsatz und resümiert in dem Ausblick, dass die Verbilligung bei Mähdreschern von dem Antrieb über die Zapfwelle des Schleppers erfolgen könnte und damit der Aufbaumotor nicht mehr notwendig sei. Dadurch würden der Bau von kleineren Mähdreschern in der Größe eines Mähbinders möglich werden.

In seiner Habilitation, die er in Bonn bei Vormfelde durchführte, baute er eine Dreschtrommelprüfstraße auf (Bild 5) und führte damit zahlreiche Untersuchungen zu Wirkungsgraden durch.  Auf dieser Einrichtung wurde u. a. sehr schnell die höhere Leistung bei einer gleichmäßigen schleierartigen Zuführung des Getreides gegenüber dem Garbeneinlegen bei stationären Dreschmaschinen nachgewiesen.

Bild 5: Poppelsdorfer Dreschtrommel- versuchsstand, 1932 [3].

Figure 5: Poppelsdorfer threshing drum test bench, 1932 [3].

 

Was sicherlich auf eine enge Zusammenarbeit mit August Claas hindeutet, sind seine Ambitionen, nicht nur durch grundlegende Untersuchungen zur Druschtechnik zur Forschung beizutragen, sondern auch konstruktiv tätig zu werden. Als Ergebnis dieser Aktivitäten in seiner Bonner Zeit kann der um den Schlepper herum gebaute und mit senkrechter Anordnung der Dreschtrommel ausgestattete Mähdrescher gesehen werden, den er zum Patent anmeldete (Bild 6) [14].

Bild 6: Poppelsdorfer Zapfwellenmähdrescher, 1932 [3].

Figure 6: Poppelsdorf PTO driven combine, 1932 [3].

 

In der bereits erwähnten 1. Ausgabe der Zeitschrift „Die Technik in der Landwirtschaft“ [15] gingen Brenner und Coautoren auf Untersuchungen über Körnerverluste bei verschieden Ernteverfahren ein und stellten fest, dass die Druschverluste bei Mähdreschern höher sein als bei Standdreschern, was auf die kleineren Schüttlerflächen der Mähdrescher zurückgeführt wird. Dem stünden jedoch die Verluste beim Binden, Aufsetzen der Garben, Auf- und Umhocken und Einfahren beim Standreschen gegenüber.

1960 verlieh ihm die Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn die Würde eines Dr. agr. h. c. für „von zielklarer und unbeirrbarer Folgerichtigkeit getragene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Landtechnik. Der landtechnischen Wissenschaft ist zu wünschen, dass sie auch in Zukunft noch solche Vorbilder wie Professor Brenner finden möge, die bereit sind, die in erfolgreicher Industrietätigkeit gewonnenen Erfahrungen aus erster Hand den Studenten und Doktoranden als dem Nachwuchs für Industrie und Wissenschaft zu vermitteln“ [16].

Helmut Claas schreibt in der Jubiläumszeitschrift Agrartechnik Aktuell 2011, 75 Jahre Claas Mähdrescher 1936 bis 2011 „Die Claas Mähdrescher Pioniere der 1930er sowie der 1940er Jahre, Professor Vormfelde, Dr. Brenner mit August Claas an der Spitze hatten mit der Entwicklung und der Markteinführung des ersten europatauglichen Mähdreschers die Tür zum Mähdruschverfahren in Europa aufgestoßen“[17]. Von 1936 bis 1942 stellte Claas 1400 Mähdreschbinder in seinem Werk in Harsewinkel her. Der zweite Weltkrieg zwang zu einer Unterbrechung der Produktion und nach dem zweiten Weltkrieg folgte 1956 Markteinführung des Claas Super mit dem Quer-Längs-Flussprinzip.

Ergänzend sei an dieser Stelle auf Wilhelm Knolle hingewiesen, Assistent von Vormfelde von 1926 bis 1928 und damit Vorgänger von Brenner in dieser Position. Er befasste sich in seiner Dissertation mit „Untersuchungen an Breitdreschtrommeln“ intensiv mit der Dreschtechnik und es kann davon ausgegangen werden, dass er später als Leiter der Konstruktion bei Lanz zur Entwicklung der frühen Mähdrescher maßgeblich beitragen hat. Kriegsbedingt musste er die Tätigkeit aufgeben und wurde später auf eine Professur in Halle berufen. In seinem weiteren Lebensweg gründete er in Eschwege ein Unternehmen, das sich der Aufbereitung von einkeimigen Zuckerrübensamen (technisch monogerm) widmete und bis heute besteht. [18]

Carl-Heinrich Dencker kam sicherlich als Doktorand am ILT Bonn (1923-1926) aufgrund Vormfeldes Engagement für die Mechanisierung der Getreideernte mit der Thematik in Verbindung. Als ausgebildeter Elektroingenieur sah Vormfelde für ihm im Institut eine Aufgabenstellung in der aufkommenden Elektrifizierung der Landwirtschaft vor, was sich auf in dem Thema seiner Dissertation widerspiegelt.

 

 

 

Prof. Dr.-Ing. Carl-Heinrich Dencker - 23. Mai 1900 in Hamburg - 9. Okt. 1967 in Bonn

  • 1920 Studium Elektrotechnik TU Hannover
  • 1923 – 1925 wissenschaftlicher Assistent in Bonn bei Prof. Vormfelde
  • 1925 Promotion über Windkraftnutzung in der Landwirtschaft TU Hannover
  • Ab 1926 LWK Schleswig-Holstein, Geschäftsführer Maschinen-Beratungsstelle
  • 1927 Habilitation an der Universität Kiel mit einer Arbeit zur Gebläseförderung
  • 1928 Professor und Direktor, Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt
    in Landsberg/Warthe sowie Aufbau einer Gutsberatung
  • 1932 Berufung zum Professor und Ordinarius für landwirtschaftliche Maschinenkunde an die Universität Berlin
  • 1946 -1967 Professur zur Systematisierung und Mechanisierung an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn (Bild 7)

Bild 7: Prof. Dr.-Ing. Carl-Heinrich Dencker [3].
Figure 7: Prof. Dr.-Ing. Carl-Heinrich Dencker [3].

 

In seiner Tätigkeit als Direktor des Institutes für Landmaschinenwesen an der Preußischen Landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Landsberg/Warthe setzte auch er sich mit der Mechanisierung der Getreideernte auseinander. Sein Beitrag zur Strohfrage in der Zeitschrift Technik in der Landwirtschaft [19] aus dem Jahr 1930 gibt er einen umfassenden Überblick über die Verfahren der Strohernte in der Nachkriegszeit (1. Weltkrieg). Er stellt darin fest, dass der Strohtransport eine wesentliche Aufgabe im betrieblichen Ablauf darstelle und rechnete mit einem Strohaufkommen von dem 1,5 bis 2-fachen des Kornertrages, das zur Dreschmaschine transportiert werden musste und anschließend in Diemen oder Scheunen gelagert wurde. Von dort gelangte es in die Ställe zur Einstreu und schlussendlich musste es als Mist wieder auf die Felder ausgebracht werden – ein umfassende Transportaufgabe in der Landwirtschaft. Der Hockendrusch auf dem Felde könne den Transport des Strohs in die Scheunen und im Winter und dessen Entnahme zum stationären Dreschen vereinfachen, war jedoch auf 200 bis 250 ha abzudreschende Fläche begrenzt. Der Schmaldrescher sollte als Einmanndrescher wesentliche Einsparungen an Arbeitskräften ermöglichen. Das ausgedroschene Stroh konnte lose mit Gebläsen zu Diemen aufgehäuft oder zu Ballen gepresst werden. Die dafür verwendeten Strohpressen waren jedoch besser für Langstroh (Breitdrescher) geeignet [20]. Zur pneumatischen Förderung von Stroh in loser oder Ballenform hat er sich intensiv beschäftigt und über diese Forschungsarbeiten von 1927 bis 1931 in 17 Veröffentlichungen berichtet.

In seiner Berliner Zeit (1930 bis zur kriegsbedingten Unterbrechung am Institut für landwirtschaftliches Maschinenwesen) befasste er sich mit Körnergebläsen, einer wesentliche Komponente der losen Körnerkette im Getreideanbau und den Grundlagen der Pneumatik zusammen mit G. Segler, der später den Lehrstuhl für Agrartechnik in Hohenheim übernahm.  Die Zeit war geprägt von der Diskussion zur Einführung des Mähdrusches in Deutschland. Auch Dencker trug dazu bei, wie aus der Betreuung der Dissertation von W. Glasow mit dem Titel: Untersuchung über die Einsatzmöglichkeit des Mähdrescherbinders in der deutschen Landwirtschaft hervorgeht

In seiner Zeit an als Lehrstuhlinhaber an der Universität Bonn galt sein Forschungsinteresse einem weiten Bereich der Landtechnik, darunter auch die Getreideernte. Hier setzte er frühzeitig seine Forschungsziele auf den Bereich der Nachernte. Insbesondere die Trocknung von Körnern ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen darunter 16 Dissertationen gewesen. Die Verbindungen zur Firma Claas waren damit nicht mehr produktbezogen, sondern bestanden in dem gemeinsamen Interesse, die Getreideernte mit dem Mähdrescher und der damit verbundene lose Körnerkette fort zu entwickeln. Die Konservierung von Getreide, die bei der stationären Druschkette und Absackung des Getreides etabliert und zuverlässig war, musste nun mit technischen Mitteln erfolgen und in ihren thermodynamischen Grundlagen erschlossen werden.

Es bedurfte keiner Überzeugungsarbeit für die Verwendung des Mähdreschers mehr, aber die Schwierigkeit, die mit dem Anfall großer Mengen von Getreide in kurzen Ernteperioden anfielen, musste bewältigt werden. Nach anfänglichen Versuchen mit der Belüftungstrocknung wurde schnell klar, dass ein Anwärmen der Trocknungsluft notwendig war, um unter den klimatischen Bedingungen Deutschlands anfallende Feuchtgetreide in kurzer Zeit konservieren zu können. Die Zeitspannen für die Getreideernte im Mähdruschverfahren waren zu gering, um das Korn unter 14% Feuchte einbringen zu können.  Aus heutiger Sicht bleibt unverständlich, dass die Bergung des Strohs, das bei Feuchtgetreide auch nicht lagerungsfähig auf dem Felde anfiel, keine wissenschaftliche Beschäftigung erfuhr, obwohl es weiterhin in der Viehhaltung unabdinglich gebraucht wurde. In diesem Punkt überließ die Wissenschaft den Landwirten die Bewältigung der Probleme, die sich aus dem Mähdrusch ergaben, die schnell ihre Erfahrungen aus der Heuernte auf die Strohbergung anwendeten.

Zu seinem 60igsten Geburtstag (1960) wurde Carl-Heinrich Dencker ein Claas Super Junior als Anschauungsobjekt für Vorlesungen von August Claas zum Geschenk gemacht. Das Exemplar war mit Sichtfenstern für den Innenraum (Dreschtrommel und Schüttler) versehen und erleichterte vielen Studentengenerationen das Verständnis über die Vorgänge im Mähdrescher. In den 2000er Jahren nach Einführung von digitalen Methoden in der Lehre wurde dieser Mähdrescher in einem feierlichen Akt im Beisein von Helmut Claas der Firma Claas zurückgegeben und steht heute im Innenhof des Atrium-Gebäudes in Harsewinkel.

Die Denckerfamilie, die Gemeinschaft der Lehrenden und Forschenden am Institut für Landtechnik in Bonn war stark geprägt von der Not und dem Mangel der unmittelbaren Nachkriegszeit (2. Weltkrieg). Wolfgang Brinkmann als Nachfolger war sein Schüler und verkörperte den Geist dieser Ära bis in 1980er Jahre. Prof. Steffen als vormaliger KTL-Geschäftsführer, späterer Professor für Betriebslehre an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn und Schwiegersohn Dencker`s sorgte dafür, dass die Denckeraura nicht verblasste.

Auch in der heutigen Zeit gibt es gute Beziehungen zwischen der Firma Claas und dem ILT-Bonn. So wird das Fach Landmaschinen an der RWTH Aachen in einem gemeinsamen Lehrauftrag zwischen der Firma Claas (Prof. Dr.-Ing. Ludger Frerichs, 2002-2008 und Dr.-Ing. Andreas Brunnert ab 2014) und ILT- Prof. Schulze Lammers (2015-2022) vertreten.

Literatur

[1] Vormfelde, K.: Die Entwicklung des Dreschbetriebes. Maschinen-Praxis (1912), Nr. 25, 4. Jhrg, Landes-Verlag Berlin, S. 429-431.

[2] Vormfelde, K.: Deutsche Technik am Olymp. Mitteilungen der Landwirtschaft 5 (1913) Hrsg. Heinrich Lanz Mannheim, S. 6-9.

[3] N.N.: Archiv des Instituts für Landtechnik der Universität Bonn (2023).

[4] Vormfelde, K.: Die Prüfung von Riesendreschmaschinen. Mitteilungen des Verbandes landwirtschaftlicher Maschinen-Prüfungs-Anstalten (1910), 4. Jhrg, H1, S. 12.

[5] Vormfelde K.: Knüpfapparat der Gebrüder Claas in Harsewinkel. Mitteilungen der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (1924), 34. Jhrg, 16, S. 289-291.

[6] Schulze Lammers, P.: Karl Vormfelde 1881-1944. Neue Deutsche Biographie 26 (2013), Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaft, München.

[7] Vormfelde, K.: Aus der Landwirtschaftlichen Maschinenpraxis. Die Landmaschine (1924), Verlag Parey, Berlin, 4. Jhrg, 20, S. 285-288.

[8] Vormfelde, K., Ries L.W.: Arbeiten aus dem Getreide=Ausschusses 1929. Die Technik in der Landwirtschaft, Die Landmaschine. 11. Jhrg, Nr. 1, VDI-Verlag Berlin (1930), 1-2.

[9] Vormfelde, K.: Wanderausstellung Köln - Landwirtschaftliche Maschinen. Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, 45/28, (1930), 603 605.

[10] Vormfelde, K.: Die 89. Royal Agricultural Show in Manchester. Die Technik in der Landwirtschaft (1931), 12/11, VDI-Verlag, Berlin, S. 312-315.

[11] Vormfelde, K.: Ein neues Weltbild durch den Mähdrescher. Zeitschrift des Vereins der Deutschen Ingenieure (1931), Bd 75, Nr. 6, Sonderausgabe, S. 1-7.

[12] Bildquelle: Rumely: Mähdrescher 1929. Die Technik in der Landwirtschaft (1929), Jhrg 11, Nr.1, VDI Verlag Berlin, S. 7.

[13] Brenner W. G.: Die technische Bewährung der Mähdrescher 1930. Die Technik in der Landwirtschaft (1931), Bd 12, Nr.1, VDI-Verlag, Berlin, S. 9-16.

[14] Brinkmann, W., Schiffgen, C.: Beitrag zur Geschichte der Agrartechnik im Rheinland zwischen 1777 und 1997. Arbeiten aus dem Institut für Landtechnik der Rheinischen Friederich-Wilhelms-Universität Bonn (1997), H25, S. 152.

[15] Brenner W. G., Jürges, Knolle, Diederichsen: Untersuchungen über Körnerverluste bei verschiedenen Ernteverfahren. Die Technik in der Landwirtschaft (1930), Nr. 1/16 VDI-Verlag Berlin, S. 16-25.

[16] Söhne W.: Geschichte des Instituts für Landmaschinen der TU München und Entwicklung des Landtechnischen Institute in der Bundesrepublik. Institut für Landmaschinen (1990).

[17] Claas, H.: Pioniere des Mähdreschers. Jubiläumszeitschrift Agrartechnik Aktuell, 75 Jahre Claas Mähdrescher 1936 bis 2011 (2011). DLG-Verlag München.

[18] Krombholz, K.: Über die Institutionen und Personen der landtechnischen Ausbildung und Forschung im 19. und 20. Jahrhundert in Deutschland. Hohenheim: Förderverein des Deutschen Landwirtschaftsmuseums e.V. (Hrsg.) 2015.

[19] Dencker, C.H.: Die Strohfrage. Technik in der Landwirtschaft. VDI-Verlag (1930), Berlin, S. 307 -309.

[20] Dencker, C.H.: Schmal- oder Breitdrescher? Technik in der Landwirtschaft 11 (1930), S. 235 - 236.

Autorendaten

Prof. i. R. Dr.-Ing. Peter Schulze Lammers als ehemaliger Leiter des Instituts für Landtechnik der Universität Bonn.

Empfohlene Zitierweise:
Schulze Lammers, Peter: Frühe Mähdrescherentwicklung – Bonner Professoren und die Firma Claas. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2023. Braunschweig: TU Braunschweig / Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2024. – S. 1-14

Zurück