Beitrag in Jahrbuch 2014

Agrartechnik in Tropen- und Transformationsländern Transformationsländer

Kurzfassung:

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden in den ehemaligen Sowjet-Staaten große Flächenanteile aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen. Ein großer Teil dieser Flä-chen wurde trotz guter landwirtschaftlicher Bedingungen aufgegeben. Der Importstopp der russischen Regierung auf ausgewählte Lebensmittel im Jahr 2014 be-scherte den Lieferländern einen erheblichen Rückgang an Exporten nach Russland. Der Landmaschinenmarkt in den Transformationsländern gestaltete sich für westliche Her-steller überwiegend schwierig. Als Ursache dafür sind Importbeschränkungen, der Rückgang an Subventionen und Währungsabwertungen zu nennen.

Volltext

Agrarpolitische Entwicklung

Mit Transformationsland wird ein Land bezeichnet, das sich in einem Übergangsstadium von einer auf einer zentralistischen Planung beruhenden Wirtschaftsform in eine markt¬wirt-schaftlich organisierte Gesellschaftsform befindet. Zu den Transformationsländern zählen die mittel- und osteuropäischen Länder (MOE), die Gruppe der neuen Unabhängigen Staaten (NUS) auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion sowie die Länder Vietnam, Laos und Kambodscha [1].

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 mussten die Landwirtschaftsbetriebe in Russland und in den anderen ehemaligen Sowjet-Staaten ihre Wirtschaftsweise grundlegend ändern. Viele Betriebe haben die Umstellung nicht überstanden, sodass erhebliche Anteile der Flächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung fielen. Wie hoch dieser Flächenanteil ist, war Gegenstand einer umfangreichen Analyse [2]. Bei der Analyse wurde mithilfe von Satelli-tendaten die Flächenbewirtschaftung in einzelnen Regionen ermittelt (Bild 1). Es wurde dif-ferenziert nach bewirtschaftetem Agrarland, Wald, stillgelegtem Agrarland und anderem Land, sowie nach Flächen für die Pflanzenproduktion und für die Tierproduktion. Zusätzlich ermittelte man, ob auf den Flächen die Bedingungen für eine landwirtschaftliche Nutzung gut oder schlecht sind. Im Ergebnis der Analyse offenbart Russland mit 32,2 Mio. ha in absoluten Zahlen den höchsten Umfang an stillgelegten Flächen. Es folgen Weißrussland (3,4 Mio. ha), Polen (1,5 Mio. ha), Rumänien (1.0 Mio. ha), Litauen (0.9 Mio. ha) und Lettland (0.6 Mio. ha). In relativen Werten ausgedrückt hat Weißrussland mit 34 % die höchste Stilllegungsrate. Lettland mit 27,6 %, Litauen mit 23,7 % und Russland mit 22,5 % folgen auf den nächsten Plätzen.

Die meisten Länder haben höhere Stilllegungsraten auf Flächen, die weniger für die Land¬wirt-schaft geeigneten sind. Aber in Russland, Lettland, Estland und Kroatien sind die höch¬sten Stilllegungsraten in Bereichen festzustellen, die durchschnittlich oder gut für die Land¬wirt-schaft geeignet sind [2].

Insgesamt werden 27,7 Mio. ha stillgelegten Landes als Agrarland identifiziert, bei denen ei¬ne landwirtschaftliche Nutzung machbar wäre. In Russland sind 19 Mio. ha stillgelegt mit gu¬ter bis sehr guter Eignung für die Landwirtschaft, in der Ukraine 6 Mio. ha, in Weißrussland 1 Mio. ha [2].

Auf den aufgegebenen Flächen wachsen inzwischen Gräser, Büsche und Bäume. Diese Ent-wicklung hat auch eine positive Seite. Mit dieser Vegetation wird der Atmosphäre Kohlen-dioxid entzogen und festgelegt, sodass diese Flächen neben der Tatsache, dass sie Lebens-räume für wildlebende Pflanzen und Tiere bieten, einen hohen klimawirksamen Wert besit-zen. Werden nur jene 4 Mio. Hektar wieder rekultiviert, die im europäischen Teil Russlands nach 2000 aufgegeben wurden, könnten etwa 6 Mio. t Weizen je Jahr erzeugt werden [3].

Bild 1: Geographische Regionen mit zugeordneten Stilllegungsraten [3]

Figure 1: Geographical regions with allocated abandonment rates [3]

Agrarbetriebe, die verwahrloste Flächen wieder in die Bewirtschaftung nehmen wollen, müs-sen dafür erheblichen Aufwand betreiben. Berichtet wird von einem Betrieb, der mit 50 Ar-beitskräften 6.100 ha Ackerfläche bewirtschaftet [4]. Davon sind 1.900 ha Getreide, 1.550 ha Körnermais und 2.300 ha Raps. Der Betriebsleiter schätzt ein, dass für die Rekultivierung verwahrloster Flächen bis zu 10.000 EUR/ha notwendig sind. Es reicht nicht, nur das Land zu bewirtschaften und die Bodenfruchtbarkeit zu steigern. Oft muss erst ein Meliorationssystem aufgebaut und das Wegenetz instandgesetzt werden. Dank umfangreicher Maßnahmen und neuer Sorten konnte in diesem Betrieb der Getreideertrag von vormals 22 dt/ha auf 65 dt/ha gesteigert werden.

Aus der Schwarzerde-Region im Gebiet Belgorod wird von einem landwirtschaftlichen Unter-nehmen berichtet, dass 88.000 ha bewirtschaftet [5]. Neben 30.000 ha Winterweizen werden 8.000 ha Körnermais, 10.800 ha Zuckerrüben, 6.500 ha Sonnenblumen, und 12.000 ha Grä-ser angebaut. Als Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Unternehmens anstanden, entschied man sich für den Anbau der subtropischen Kurztagspflanze Soja. Nach sechs-jährigen Anbauversuchen, die in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftlichen Akademie Belgorod stattfanden, steht Soja heute mittlerweile auf 20.700 ha. Soja hinterlässt 100 bis 120 kg Stickstoff je Hektar im Boden und ist eine gute Vorfrucht für Weizen. Weizen kann di-rekt in die Stoppeln des zuvor geernteten Sojas gedrillt werden.

Am 7. August 2014 setzte die russische Regierung ein Importstopp u.a. für Rind,- Schweine- und Geflügelfleisch sowie Milch und Milchprodukte in Kraft [6]. Vom Importstopp betroffen sind die EU-Länder, Norwegen, Kanada, USA und Australien. Seitdem verringerte sich der Import bei Gemüse (-44 %), bei Milchprodukten (-57,2 %), Geflügelfleisch (-38,9 %), Schwei-ne¬fleisch (-44,6 %) und Rindfleisch (-46,9 %) merklich. Nicht vom Importstopp betroffene Länder nutzen nun vermehrt die Chance, waren nach Russland zu verkaufen. So liefert die Schweiz mehr Käse und aus Argentinien und Brasilien kommt mehr Fleisch.

Die EU-Agrar- und Ernährungswirtschaft hat mit Russland einen Absatzmarkt von fast 12 Mrd. EUR je Jahr. Das jetzige Einfuhrverbot betrifft jetzt ca. 5,1 Mrd. EUR [7].

Mit dem verringerten Nahrungsmittelangebot aus den westlichen Ländern erleichterte sich für die einheimischen Produzenten der Zugang zum Markt.

So auch für Biobauern, die hochwertiges Fleisch aus eigener Produktion anbieten [8]. Bei ei-nem Betriebsumfang von 5.000 ha landwirtschaftlicher Nutzflächen wird eine Herde von 600 Angus-Rindern gehalten. Dazu kommen 6.000 Hühner und Enten. Das erforderliche Ge-treide und das Halmfutter werden selbst erzeugt.

Wesentlich intensiver und kostengünstiger wird die Mast von Rindern nach dem Vorbild ka-nadischer Feedlots betrieben [9]. Bei dieser Haltungsform kommen jeweils 200 Jungbullen in umzäunte Mastparzellen (feedlot). Die Tiere werden bei wenig Bewegung innerhalb von 250 - 300 Tagen auf bis zu 550 kg Lebendgewicht gemästet.

Insgesamt hat Russland in den vergangenen Jahren Anstrengungen unternommen, um den Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln zu erhöhen. Bei Geflügel hat man inzwischen ei-nen Selbstversorgungsgrad von 96 % erreicht und bei Schweinefleisch von 80 %. Weniger erfolgreich war man bei der Entwicklung der Milchwirtschaft, hier kommen nur 66,5 % der Menge aus dem eigenen Land [10]. Bei Getreide erzeugt Russland 98,4 % der benötigten Menge selber, bei Kartoffeln sind 97,5 % [11].

Landmaschinenmarkt

Polen ist der fünftgrößte Landtechnikmarkt in der EU. Den überwiegenden Teil der neuen Maschinen muss Polen importieren. Ungünstige Marktentwicklungen und rückläufige Finan-zierungszuschüsse aus der EU hatten zur Folge, dass zunehmend weniger Neuanschaffun-gen getätigt wurden. So wurden im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr 23 % weniger Trak-toren neu zugelassen. Besonders betroffen waren die beiden Leistungsklassen 76 bis 99 PS und 100 bis 130 PS [12].

Auch der ungarische Landtechnikmarkt wurde maßgeblich durch Subventionen vorangetrie-ben. Nachdem die Subventionen ausliefen, schrumpfte der Markt auf ein Drittel. Ab 2012 zeichnete sich aber wieder eine Belebung ab [12].

Rumänien erzielte 2013 Rekordernten bei Weizen, Mais und Sonnenblumen. Aufgrund der hohe Erlöse und angelaufenen Subventionsprogrammen konnten rumänische Landwirte neue, moderne Landmaschinen kaufen. Momentan wird die einfache und preiswerte Agrar-technik aus der Türkei, Weißrussland und auch aus China und Indien stark nachgefragt, aber die Landtechnik aus Deutschland findet zunehmend Interessenten. Da Rumänien und Bul-garien zu den Ländern der EU zählen, die das niedrigste Niveau bei der technischen Aus-stattung haben, wird hier ein großes Potential für die Zukunft vorausgesagt [12].

Kroatien konnte 2013 das fünfte Jahr in Folge kein Wirtschaftswachstum erzielen. Der Land-technikmarkt befand sich ebenfalls in einer schwachen Verfassung. Seit dem 1. Juli 2013 ist Kroatien jedoch Mitglied der EU. Für die Förderperiode 2014 bis 2020 sind mit EU-Hilfe In-vestitionen in Höhe von 2,3 Mrd. EUR für die Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehen. Dazu kommen noch 2,6 Mrd. EUR als Direktzahlungen. Bei Kroatien ist somit ein Auf-schwung in der Landwirtschaft und damit auch beim Landtechnikmarkt zu erwarten [12].

Die ukrainische Landwirtschaft ist auf einem relativ guten Niveau. 2013 wurde erstmals mengenmäßig mehr Getreide geerntet als im Durchschnitt der 1980er Jahre. Im Land zeich-net sich ein Trend ab, die Erntemengen nicht mehr über die Fläche bereitzustellen, sondern über höhere Erträge bei rückläufigem Anbauumfang. Einige Betriebe erzielen Hektarerträge von 6 bis 7 Tonnen. Die positive Entwicklung in der Landwirtschaft vollzog sich, ohne dass Subventionen gezahlt wurden. Mit dem Einsetzen der politischen Unruhen verschlechterte sich aber die Situation im Land insgesamt und damit auch in der Landwirtschaft. Vor den Unruhen besaß die Ukraine einen relativ stabilen Landtechnikmarkt. Vor allem neue Trakto-ren und Anbaugeräte wurden gekauft. Mähdrescher wurden auch gekauft, aber hier domi-nierte der Trend zur Gebrauchtmaschine aus dem westlichen Ausland. Jedoch bereits im ersten Quartal 2014 brach der Markt um 40 % ein. Wann sich die Lage wieder bessert, ist nicht absehbar [12].

Kasachstan ist bekannt für seinen hochwertigen Hartweizen. 2013 konnte eine überdurch-schnittlich gute Getreide- und Ölsaatenernte eingefahren werden, sodass die Landwirte gute Einkommen hatten. Im Februar 2014 brach jedoch die nationale Währung Tenge ein und wurde um 20 % abgewertet. Durch die Abwertung verteuerten sich Investitionen für kasa-chische Landwirte. Westliche Hersteller rechnen deswegen mit einer schwierigen Marktlage. Weil die Währungen in den Nachbarländern Russland und Weißrussland ebenfalls abgewertet wurden, können sich die dortigen Hersteller gute Chancen auf dem kasachischen Markt ausrechnen [12].

Der große Nachbar Russland erzielte 2013 mit etwa 90 Mio. t Getreide eine gute Ernte. Die Ernten bei Sonnenblumen und Soja fielen ebenfalls gut aus. Weil die Lebensmittelpreise insgesamt gestiegen waren, konnten die Landwirte und Agrarholdings gute Gewinne erzielen. Dennoch ging der Landtechnikmarkt zurück. Zum einen wurden Subventionen spürbar reduziert, zum anderen verteuerten Importzölle Neuanschaffungen aus dem westlichen Aus-land. Am stärksten betroffen waren Traktoren und Mähdrescher. Aufgrund eines starken Preisverfalls bei Kartoffeln und Zuckerrüben verschlechterte sich auch der Markt bei der Kar-toffel- und Zuckerrübenerntetechnik. Lediglich weniger preisintensive Bereiche wie Boden-bearbeitungs-, Sä- und Pflanzenschutztechnik konnten eine gute, gleichgebliebene Marktlage feststellen. Alles in allem konnte Deutschland um 20 % weniger Landtechnik nach Russland exportieren (Bild 2). Die vor Ort montierten Komponenten sind in der Kalkulation enthalten [12].

Bild 2: Landtechnikexport nach Russland für ausgewählte Länder [12]

Figure 2: Export of agricultural machinery to Russia for selected countries [12]

Zusammenfassung

Mithilfe von Satellitenaufnahmen wurde abgeschätzt, wie viel landwirtschaftliche Fläche in den Transformationsländern nicht landwirtschaftlich genutzt wird. Das Ergebnis zeigte, das vor allem Russland und Weißrussland aber auch Polen, Rumänien, Litauen und Lettland im größeren Umfang Flächen stillgelegt haben. Ein großer Teil dieser Flächen wurde aufgege-ben, obwohl gute Bedingungen für eine landwirtschaftliche Nutzung vorliegen.

Der Importstopp der russischen Regierung aus 2014 führte zu einem drastischen Rückgang von Exporten aus dem westlichen Ausland nach Russland. Für die russischen Landwirte dagegen erleichtert der Importstopp den Zugang zum einheimischen Markt.

Der Landmaschinenmarkt war in den Transformationsländer in den letzten Jahren eher schwierig. Wegfallende Subventionen oder Währungsabwertungen verteuerten für die an-sässigen Landwirte die Investitionen.

Literatur

[1] -.-: Transformationsland. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). (Hrsg.), http://www.bmz.de/de/service/glossar/T /transformationsland.html, Zugriff am 13.01.2015

[2] Alcantara, C.; Kümmerle T.; Baumann, M.; Bragina, E. V.; Griffiths, P.; Hostert, P.; Knorn, J.; Müller, D.; Prishchepov, A. V.; Schierhorn, F.; Sieber, A. und Dadeloff, V. C.: Mapping the extent of abandoned farmland in Central and Eastern Europe using MODIS time series satellite data. Environmental Research Letters 8 (2013), 9 S. open access, doi:10.1088/1748-9326/8/3/035035

[3] Schierhorn, F.; Müller, D. und Balmann, A: Klimaschutz und Welternährung: Russland macht Hoffnung. In: Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (iamo) (Hrsg.), 2015, S. 59-64, www.iamo.de.

[4] Andrejew, A.: Mit weniger mehr schaffen. agrarmanager, 25 (2013) H. 11, S. 126-129.

[5] Saizewa, I.: Von Null auf 20.000 Hektar. agrarmanager 25 (2013) H. 3, S. 108-111.

[6] Politikowa, M.: Russland ist nicht nur Moskau. agrarmanager 26 (2014) H. 11, S. 108-110.

[7] AGE: Putins Dekret. Bauernzeitung, 55 (2014) 33. Woche, S. 18.3

[8] Politikowa, M.: Zarenhof mit Ökobetrieb. agrarmanager 26 (2014) H. 9, S. 110 – 113.

[9] Andrejew, A.: Feedlot auf Russisch. agrarmanager 26 (2014) H. 11, S. 126 – 129.

[10] Jurko, E.: Die Situation wichtiger zweige der russischen Landwirtschaft. agrarmanager 26 (2014) H. 11, S. 110.

[11] -.-: Russland war im Jahr 2013 durch eigene Produktion „ernährungsgesichert“. Aber nur halbwegs. Deutsch-Russischer Agrarpolitischer Dialog (Hrsg.), http://de.agrardialog.ru/news/details/id/861, Zugriff am 14.01.2015.

[12] -.-: Wirtschaftsbericht VDMA Landtechnik 2014. VDMA (Hrsg.) , Frankfurt am Main, 2014, 53. S.

Empfohlene Zitierweise:
Hoffmann, Thomas; Brunsch, Reiner: Transformationsländer. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2014. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2015. – S. 1-7

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