Beitrag in Jahrbuch 2017

Automatisierungstechnik Arbeitswissenschaft

Kurzfassung:

Die arbeitswissenschaftliche Forschung verändert sich inhaltlich im Kontext zur zunehmenden Digitalisierung. Die dritte industrielle Revolution hat in der landwirtschaftlichen Praxis mittlerweile Einzug gehalten. Dadurch wird der Landwirt bei der Datenerfassung und der Informationsanalyse entlastet, bei der Entscheidungsfindung unterstützt und bei der Ausführung noch präziser. Die Entwicklungen im Kontext der vierten industriellen Revolution sollen im Rahmen eines Systemansatzes zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette beitragen. Durch den Einbezug zeitgemäßer, benutzerfreundlicher und fehlertoleranter Sensor-Sensor-Aktor-Kombinationen und die intelligente sowie zeitnahe Verbindung benutzereigener mit öffentlichen Daten werden neue Perspektiven für eine effiziente und effektive Unternehmensführung eröffnet.

Volltext

Arbeitszeitbedarf

Die menschliche Arbeitszeit ist immer noch der teuerste Produktionsfaktor in den meisten landwirtschaftlichen Betriebszweigen. Deshalb sind exakte Messmethoden, professionelle Aufbereitungs- und Auswertungsmethoden sowie zeitgemäße Kalkulationssysteme Gegenstand aktueller arbeitswissenschaftlicher Forschung [1]. Die Messung von Arbeitszeiten über direkte und indirekte Methoden werden vermehrt sensorgestützt durchgeführt [2]. Dabei werden Arbeitszeiten und darauf wirkende Einflussgrößen exakt erfasst und sind für Kalkulationen und Bewertungen verfügbar [3]. Zur persönlichen Arbeitszeiterfassung bis zur Ebene Teilvorgang stehen mittlerweile auch vermehrt App-basierte und vernetzte Systeme zur Verfügung. Diese erfassen Fortschrittszeiten, gewährleisten damit eine lückenlose Datenerfassung und dienen ergänzend zu exakten Arbeitsanalysen [4].

Bild 1: Personengebundene Arbeitszeiterfassung mit Hilfe von Apps [4].

Figure 1: Person-related timekeeping using apps [4].

 

Unternehmensführung

Die arbeitswissenschaftliche Forschung im Rahmen der klassischen Betriebsführung entwickelt sich zunehmend in Richtung Unternehmensführung innerhalb eines Systemforschungsansatzes [5 bis 7]. Dabei werden gesondert die Bereiche Prozesserfassung, Schwachstellenanalyse, Fehlerbehebung und Optimierung wissenschaftlich analysiert. Durch den Einbezug von Managementregelkreisen auf jeder Analysestufe können sowohl die Ebenen Prozessleitung und -steuerung als auch die eigentliche Unternehmensführung mit ihren strategischen Elementen einbezogen werden [4]. Somit stehen auch die Grundelemente für ein Managementinformationssystem (MIS) zur Verfügung. Die Verknüpfung der Systemelemente aus Innenwirtschaft (z.B. Herdenmanagement), Außenwirtschaft (z.B. Schlagkartei) und Betriebsführung (z.B. Buchhaltung) ist mittlerweile technisch machbar, aber noch nicht verbreitet. Vorteile des MIS sind insbesondere bei der administrativen Vereinfachung und der schnellen systematischen Entscheidungsunterstützung zu sehen. Die Nachteile liegen in der Datensicherheit, der Datenhoheit sowie in der zeitnahen Verfügbarkeit von cloudbasierten Daten.

Bild 2: Die Betriebsführung entwickelt sich mehrheitlich in Richtung Unternehmensführungsansätze [4].

Figure 2: The majority of management is moving toward management approaches [4].

 

Arbeitsorganisation

Die Forschung im Bereich der Arbeitsorganisation beschäftigt sich mehrheitlich mit Optimierungssystemen zur verbesserten Arbeits- und Zeitplanung. Dadurch bedingt, dass landwirtschaftliche Arbeitsabläufe noch Optimierungspotential bzgl. Rationalisierungsmöglichkeiten haben, werden diesbezüglich im Hochschulbereich viele studentische und auch wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt [8; 9].

Kalkulations- und Bewertungssysteme

Die Berechnung von Planzeiten für standardisierte Arbeitsverfahren gehört zu den grundlegenden Arbeiten der arbeitswirtschaftlichen Forschung. Zeitgemäße Kalkulationssysteme sind datenbankbasiert und in einem Systemansatz aufgebaut. Es können damit sowohl die produktionsbezogenen Arbeitsverfahren in der Innen- und Außenwirtschaft als auch die anfallenden Sonder- und Betriebsführungsarbeiten modelliert und teilweise auch optimiert werden [10]. Dynamische Kalkulationssysteme zeigen hier deutliche Vorteile gegenüber statischen oder getrennten Systemen [11 bis 14].

Arbeitsplatzbedingungen

Die Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen in der Landwirtschaft erfolgt wissenschaftlich vorwiegend über sensorgestützte Videosysteme. Neben den physischen Belastungskomponenten werden vermehrt auch die psychischen Belastungen analysiert [15]. Optimierungsstrategien finden sich derzeit sowohl bei der Melkplatzgestaltung als auch der Bedienerergonomie bei Traktoren und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen.

Schlussfolgerungen

Der Sektor Landwirtschaft hat im Rahmen eines schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfelds ein großes Bedürfnis zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Nachfrage nach validen und reliablen arbeitswissenschaftlichen Kennzahlen ist deshalb sehr hoch. Mit der Vergrößerung der Landwirtschaftsbetriebe nehmen auch die physischen und psychischen Belastungskomponenten zu. Deshalb gibt es auch hier eine hohe Nachfrage nach wissenschaftlichen und praxistauglichen Arbeiten. Durch den vermehrten Trend zur Digitalisierung stehen den Landwirten mittlerweile sehr viele einzelbetriebliche Daten zur Produktion und zur Produktionsführung zur Verfügung. Der Nutzen dieser großen Datenmengen erschließt sich allerdings häufig erst durch die Bereitstellung professioneller Hilfsmittel zur Betriebsführung. Hier ist noch weiterer Forschungsbedarf vorhanden.


Literatur

[1]     Mačuhová J.; Jakschitz-Wild S.; Haidn B.; Thurner, S.: Labour requirement for barndried hay production and feeding on dairy farms. In: L. Rajčáková (Eds) Forage Conservation, 17th International Conference Forage Conservation, 27th – 29th September, 2016, Horný Smokovec, Slovak Republic, (2016), S. 175-176.

[2]     Kortenbruck D.; Griepentrog H.W.; Paraforos, D. S.: Machine operation profiles ge-nerated from ISO 11783 communication data. Computers and Electronics in Agricul-ture 140 (2017) p. 227-236.

[3]     Mačuhová J.; Haidn, B.: Tools zur arbeitswirtschaftliche Ist- und Soll- Analyse in Milchviehbetrieben. 17. Jahrestagung der WGM, 18. - 20. Oktober 2016 an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf, (2016), S. 46-49.

[4]     Schick, M.: Ressource Arbeit: Arbeitsfalle Landwirtschaftsbetrieb. In: Ressourcen effizienter nutzen. KTBL-Tagung (2016) S. 118-138.

[5]     Mittenzwei, K.; Mann, S.: The rationale of part-time farming: Empirical evidence from Norway. International Journal of Social Economics 44 (1) 53-59 (2017).

[6]     Mann, S.; Besser, T.: Diversification and work satisfaction - testing a claim by Marx and Engels for farmers. Rural Sociology 82 (2) 349-362 (2017).

[7]     Freyens, B.; Mann, S.: Part-time Farming and Farm Resilience from Australia. In W. Britz, S. Bröring, M. Hartmann, T. Heckelei, K. Holm-Müller: Agrar- und Ernährungswirtschaft: Regional vernetzt und global erfolgreich. Münster: Landwirtschaftsverlag (2017).

[8]     Savary, P.; Schick, M.: 6. Tänikoner Melktechniktagung : Aspekte zur Optimierung der maschinellen Milchgewinnung. Agroscope Science. 45, (2017), S. 1-81.

[9]     Heitkämper K.; Umstaetter C.; Schick, M.: Administrative Vereinfachung in der Land-wirtschaft. Agrarforschung Schweiz. (2016) 7, (9), S. 390-395.

[10]   Haas, Th.; Hofstetter, P.: Milchproduktion: Verkaufte Milchmenge und Weideanteil beeinflussen den Arbeitsverdienst. Agrarforschung Schweiz (2017) 8 (9): 356–363.

[11]   Sperling P.; Thalmann, Ch.; Reidy, B.; Kneubühler, L.; Grenz, J.; Hofstetter, P.: Nachhaltigkeit von drei graslandbasierten Milchproduktionssystemen in der Schweiz mit der Bewertungsmethode RISE. 14. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, (Hrsg. S. Wolfrum, H. Heuwinkel, H. J. Reents, K. Wiesinger, K.-J. Hülsbergen), Freising-Weihenstephan, 7. bis 10. März 2017, (2017) S. 804-807.

[12]   Mačuhová J.; Haidn, B.: Zeitfalle Melkstand. Bayer. Landw. Wochenblatt (2017), H.2 S. 26-28.

[13]   Macuhova J.; Jakschitz-Wild S.; Haidn B.; Thurner, S.: Creation of calculation models for estimation of labour requirement for barn dried hay production and its feeding     on dairy farms. Ciosta Proseedings, Chemical Engineering Transactions, 58 (2017),         55-60; DOI: 10.3303/CET1758010.

[14]   Zehner N.; Umstaetter C.; Niederhauser J.; Schick, M.: System specification and validation of a noseband pressure sensor for measurement of ruminating and eating        behavior in stable-fed cows. Computers and Electronics in Agriculture. 136, (2017),         S. 31-41.

[15]  Cockburn M.; Schick M.; Maffiuletti, N. A.; Gygax, L.; Savary P.; Umstaetter, C.: Lower working heights decrease contraction intensity of shoulder muscles in a her-ringbone 30° milking parlor. Journal of Dairy Science. (2017) 100 (6): 4914-4925. doi: 10.3168/jds. 2016-11629.

Empfohlene Zitierweise:
Schick, Matthias: Arbeitswissenschaft. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2017. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2018. – S. 1-6

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