Beitrag in Jahrbuch 2015

Technik für den Hackfruchtanbau Kartoffeltechnik

Kurzfassung:

Die Kartoffel zählt zu den wichtigsten Kulturen zur Ernährung der Menschheit [1]. Die Mechanisierung des Kartoffelanbaus hat damit eine besondere Bedeutung. Sie findet weltweit auf sehr unterschiedlichem Niveau statt. In hochtechnisierten Ländern stehen v.a. elektronische Aspekte (Bedienung, Datenmanagement, etc.) im Focus, mit denen die Effizienz, Präzision und Sicherheit der Maschinen weiter gesteigert werden kann. Daneben gibt es zahlreiche mechanische Weiterentwicklungen in der gesamten Verfahrenskette des Anbaus (u.a. in den Bereichen Bodenbearbeitungstechnik, Boden- und Pflanzenschutz, Antriebssysteme, Trennaggregate), auf die im Beitrag mit ausgewählten Beispielen eingegangen wird.

Volltext

Kartoffeltechnik

Michael Klindtworth, Grimme Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG

Kurzfassung

Die Kartoffel zählt zu den wichtigsten Kulturen zur Ernährung der Menschheit [1]. Die Me-chanisierung des Kartoffelanbaus hat damit eine besondere Bedeutung. Sie findet weltweit auf sehr unterschiedlichem Niveau statt. In hochtechnisierten Ländern stehen v.a. elektroni-sche Aspekte (Bedienung, Datenmanagement, etc.) im Focus, mit denen die Effizienz, Prä-zision und Sicherheit der Maschinen weiter gesteigert werden kann. Daneben gibt es zahl-reiche mechanische Weiterentwicklungen in der gesamten Verfahrenskette des Anbaus (u.a. in den Bereichen Bodenbearbeitungstechnik, Boden- und Pflanzenschutz, Antriebssysteme, Trennaggregate), auf die im Beitrag mit ausgewählten Beispielen eingegangen wird.

Schlüsselwörter

Kombinierte Arbeitsverfahren, Pflanzenschutztechnik in Legemaschinen, Erosionsschutz, Kartoffelernte, pneumatisches Trenngerät (AirSep), stufenloser Antrieb (VarioDrive), Assis-tenzsysteme im Kartoffelanbau

Potato Technology

Michael Klindtworth, Grimme Landmaschinenfabrik GmbH & Co.KG

Abstract

The global production of potatoes is characterized by an increase of mechanization. The process from planting to harvesting and storage is done at different levels of mechanization. Improvements in (high) developed countries are frequently related to electronic aspects (operation, data-management, etc.). Furthermore there are also numerous mechanical improvements in the whole production-process from cultivation to post-harvest processing (tillage equipment, drive systems, crop protection, etc.), which will be described with selected examples.

Keywords

Machinery for combining tillage and planting, application technologies for chemical treatment in potato planters, erosion protection, potato harvesting, pneumatic separator (AirSep), infinite drive systems (vario drive), electronic assistance systems

Einführung

Der Berichtszeitraum 2014-2015 ist durch eine weltweit angespannte Vermarktungssituation für Kartoffeln mit lang anhaltend niedrigen Erzeugerpreisen gekennzeichnet. Dies ist bemer-kenswert, da die Kartoffel nach Mais, Reis und Weizen als eine der wichtigsten Feldfrüchte zur Ernährung der Menschheit [1] gilt, die jährlich um ca. 100 Mio. Menschen wächst. In Fol-ge des Preisniveaus kam es zu einem eher verhaltenen Absatz von Neumaschinen auf den "etablierten" Märkten der Nordhalbkugel. Die europäischen Hersteller widmeten sich daher verstärkt aufstrebenden Märkten wie China, Indien und ausgewählten Ländern Südamerikas. Außerdem nutzten sie die Zeit für Neuentwicklungen und zahlreiche Detailverbesserungen an den Maschinen.

Rahmenbedingungen zum Einsatz von Technik im Kartoffelanbau

Die Weiterentwicklung moderner Kartoffeltechnik unterliegt vielschichtigen Bedingungen. Neben klimatischen und ackerbaulichen Rahmenbedingungen wie Niederschlagsmenge, Niederschlagsverteilung, Bodeneigenschaften, Stein- und Klutenbesatz hat das Lohnniveau der verfügbaren Arbeitskräfte eine besondere Bedeutung. Weiterhin hat die angestrebte Verwertung der angebauten Kartoffeln als Saatkartoffel, Frischware oder als industrieller Rohstoff für Flocken oder Kartoffelstärke einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Anbauverfahren und die eingesetzte Technik.

Für den erfolgreichen, globalen Vertrieb von Maschinen ist es daher notwendig, dass min-destens zu folgenden Aspekten möglichst detaillierte, regionale Kenntnisse vorliegen:

• die landwirtschaftlichen Anbaubedingungen

• das eingesetzte Sortenspektrum und dessen Verwertung

• die spezifischen Boden- und Klimabedingungen

• die "typische" Betriebsausstattung einschließlich der verfügbaren Traktorentechnik (u.a. Zugkraft, Hubkraft, Hydraulik, Elektronik)

• die Preferenzen und das verfügbare Know-How des Anbauers

Wie unterschiedlich die Technik im Kartoffelanbau sein kann, zeigen folgende Beispiele: Re-gionen mit hohen Bodenpreisen und hohen Löhnen (z.B. Westeuropa, insbesondere die Niederlande) setzen auf modernste Technik. Andere Regionen (z.B. die USA) sind weniger durch High-Tech, als vielmehr durch "Größe" charakterisiert. Große Flächen, große Trakto-ren, große Maschinen, die in der Regel deutlich breiter sind als in Europa, kennzeichnen den Markt. Bei den Kartoffelsorten stehen vor allem groß ausfallende, relativ dickschalige, un-empfindliche Sorten im Vordergrund.

Im Gegensatz dazu bauen Entwicklungsländer häufig Sorten an, die eher klein ausfallen und an die speziellen Klimabedingungen angepasst sind. Viele dieser Länder stehen derzeit auf der Schwelle von der Handarbeit zur mechanisierten Flächenbewirtschaftung. Sie erwarten vor allem einfache Maschinen, die mit vergleichsweise kleinen Traktoren betrieben werden können. Bei insgesamt niedrigen Löhnen sind leistungsfähige Schwadleger mit einfacher Krauttrennung die Türöffner für weitergehende Mechanisierungsstufen.

Allen Regionen gemeinsam ist, dass die Erwartungen an die Hersteller gestiegen sind. Dies betrifft nicht nur den klassischen Maschinenbau mit der Herstellung zuverlässiger Maschinen, sondern auch eine Optimierung der gesamten Verfahrenskette von der Bodenbearbeitung bis hin zur Einlagerung und Aufbereitung der Kartoffeln.

Technik zum Legen und Pflegen der Kartoffel

Bodenbearbeitung, Erosionsschutz

Die besondere Wurzelentwicklung der Kartoffel macht eine vergleichsweise tiefe Lockerung des Bodens erforderlich, um ein gleichmäßiges Knollenwachstum zu fördern. Der Anbau von Kartoffeln mit Minimal-Bodenbearbeitung spielt deshalb in Westeuropa eine vergleichsweise geringe Rolle. Mit der mechanischen Bodenlockerung steigt das Risiko, dass Starkregen-ereignisse zu unerwünschtem Bodenabtrag führen. Um diese Erosionen auf gefährdeten Standorten zu reduzieren, bieten verschiedene Hersteller neu entwickelte Querdammhäufler oder Sternradhäufler (so genannte Dyker) an. Wobei technisch zwischen abrollenden Häuf-lern (Bild 1, A und B) und aktiv, hydraulisch absenkbaren Häuflern (Bild 1, C und D) unter-schieden werden muss.

Bild 1 A-D: Querdammhäufler unterschiedlicher Bauart hinter 2-, 4- und 6-reihigen Kartoffel-Legema-schinen. Passiv abrollende Werkzeuge (A, B). Aktiv einstechende Werkzeuge, einzeln hydraulisch angesteuert (C) bzw. gemeinsam hydraulisch absenkbar (D)

Figure 1 A-D: Different versions of dykers mounted behind a 2-, 4- and 6-row potato planter.

Dykers are available as passive rolling device (A, B) or with active hydraulic lifting (C, D)

Es ist offensichtlich, dass sich die Werkzeugformen und damit auch die Querdämme der Varianten unterscheiden. Nachrollende Werkzeuge ragen hinter der Maschine hinaus. Sie haben in der Regel einen höheren Hubkraft- und einen geringen Zugkraftbedarf. Sie formen Querdämme in gleichmäßigen Abständen, die sich aus der Geometrie des Sternradhäuflers ergeben. Die alternative Bauart mit einzeln (Bild 1, C) oder gemeinsam hydraulisch absenk-baren Werkzeugen (Bild 1, D) kann dichter hinter der Legemaschine montiert werden und reduziert so den Hubkraftbedarf. Zudem ist es möglich, dass die Abstände der Querdämme variiert werden bzw., dass die Funktion vorrübergehend (auf ebenen Teilflächen) vollständig abgeschaltet wird. Aufgrund der hydraulischen Komponenten ist der Investitionsaufwand jedoch höher als bei den rein mechanischen Varianten. Auf trockenen Standorten wird die dargestellte Technik auch als "Stausystem" zwischen den Dämmen für Beregnungswasser eingesetzt.

Weiterentwicklungen bei Legemaschinen

Bei internationaler Betrachtung haben angebaute (getragene) Legemaschinen mit 2 bzw. 4 Reihen nach wie vor die größte Verbreitung. Viele aufstrebende Länder setzen Traktoren bis max. 75 kW (100 PS) ein, für die entsprechende, "leichte" Maschinen mit einfacher Aus-stattung und Bedienung zur Verfügung stehen. Daneben nimmt die Bedeutung gezogener Legemaschinen stetig zu. Durch das eigene Fahrwerk unter der Maschine bieten sie die Möglichkeit, zusätzliche Baugruppen, wie Reihendüngerstreuer, Fassanlagen für den chemi-schen Pflanzenschutz oder Bodenbearbeitungsgeräte zu integrieren [6].

Die präzise Applikation von Pflanzenschutzmitteln auf die Knolle und auf den Boden in der Furche unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben ist eine besondere maschinenbauliche Her-ausforderung. Inzwischen stehen erste, amtlich zugelassene Techniken zur Verfügung, mit denen sowohl eine geschwindigkeitsabhängige Dosierung als auch eine reihenspezifische Abschaltung am Vorgewende (so genanntes Section Control) möglich ist. Bild 2 zeigt eine entsprechende Maschinenkombination aus Bodenbearbeitung und angehängter Legema-schine mit integrierter Pflanzenschutztechnik und nachfolgender Dammformung.

6-, 8- und 12-reihige Legemaschinen spielen auf dem europäischen Markt nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle, weil für den Straßentransport Längsfahreinrichtungen und damit auch zusätzliche Rüstarbeiten nötig sind. Als Alternative stehen seit einigen Jahren 8-reihige Legemaschinen zur Verfügung, bei denen die beiden äußeren Legeelemente links und rechts einklappbar sind, um so die zulässige Straßentransportbreite einzuhalten. Nachteilig bei diesen Maschinen ist jedoch der erhebliche technische Aufwand für die Reihendüngung und ein vergleichsweise geringes Bunkervolumen, so dass häufiger Pflanzgut nachgefüllt werden muss [6].

Bild 2: Maschinenkombination aus Bodenbearbeitung und 4-reihiger Legemaschine mit einer Fassan-lage für den chemischen Pflanzenschutz [2]

Figure 2: Combination of tillage and potato planter with integrated barrel system for chemical treat-ment [2]

Technik zur Ernte, Reinigung und Transport von Kartoffeln

Weiterentwicklung von Arbeitsverfahren zur Abtrennung von Kluten und Steinen

Im Vergleich zur Getreideernte, bei der ein Mähdrescher ein Korn : Stroh - Verhältnis von etwa 1:1 bewältigen muss, ist das Verhältnis von Kartoffeln zu störenden Beimengen (v.a. Kraut, Steine, Kluten, anhaftender Boden) deutlich weiter. Es liegt nach groben Schätzungen in einem Bereich von ca. 1:15 bis ca. 1:25 und kann bei kritischen Witterungsbedingungen im Herbst noch deutlich zu Ungunsten der Kartoffel verschoben sein. Die Abtrennung störender Beimengen, insbesondere von Kluten und Steinen, hat damit aus zweierlei Sicht eine besondere Bedeutung. Einerseits sind jedwede Beimengen für die Vermarktung der Ware unerwünscht. Andererseits hat der Zeitpunkt, zu dem Beimengen getrennt werden, einen Einfluss auf die Knollenqualität, da scharfkantige Störstoffe ein Risiko zur Beschädigung der Kartoffelschale darstellen und so die Lagerfähigkeit und Vermarktung beeinflussen können.

Die Ansätze zur Trennung störender Beimengen sind deshalb technisch und verfahrens-technisch sehr unterschiedlich. Und wie eingangs beschrieben, kann nicht jedes Verfahren überall eingesetzt werden. Bild 3 gibt einen systematischen Überblick zum "wann" und "wie" der derzeit eingesetzten Verfahren.

Seit Anfang der 70er Jahre werden Separierungsverfahren im Kartoffelbau eingesetzt. Sie haben ihren Ursprung in Schottland und werden seit den 90er Jahren auch in anderen Regi-onen Europas eingesetzt. Je nach klimatischen Rahmenbedingungen kann der Separie-rungsprozess bereits im Herbst (zur Nutzung der Frostgare) oder im Frühjahr unmittelbar vor dem Legen der Kartoffeln erfolgen. Die Verfahrenskette besteht aus einem Pflug, mit dem das Beet geformt wird, einem Separierer, der das geformte Beet aufnimmt, Kluten zerkleinert und Steine absiebt sowie einer speziellen Legemaschine, mit der anschließend die Kartoffeln in die lose Erde gelegt werden. Obwohl bei diesem Vorgang aus dem gesiebten Beet einzelne Dämme geformt werden, wird der Anbau üblicherweise als Beetlegeverfahren bezeichnet.

Die Vorteile des Separierungsverfahrens sind in der Literatur beschrieben [9] und können wie folgt zusammengefasst werden: Gleichmäßigeres Wachstum der Knollen, ein erhöhter Anteil vermarktungsfähiger Ware, reduzierter Verschleiß bei der Erntemaschine, verringerter Personaleinsatz zum Verlesen von Beimengen auf dem Roder. Demgegenüber stehen zu-sätzliche Investitionskosten für die eingesetzte Technik. Diese zusätzlichen Kosten sind maßgeblich dafür, dass sich das Verfahren bisher nur beschränkt durchsetzen konnte.

Die Trennung von Kartoffeln, Kluten und Steinen erfolgt derzeit üblicherweise mechanisch, überwiegend während der Ernte. Nahezu alle Kartoffelerntemaschinen weisen als mechani-sche Trennprinzipien schwingende und rotierende Absiebmechanismen für Kluten auf. Die "klassische" Steintrennung in 1- und 2-reihigen Erntemaschinen erfolgt mit Hilfe eines (Gummi-) Igelbandes, über dem ein umlaufendes Bürstenband angeordnet ist. Die Trennung im Strömungsverfahren mit dem Medium Wasser wurde vor etwa 10 Jahren vorgestellt [5]. Sie konnte sich wegen der besonderen Risiken bei der Einlagerung der häufig noch feuchten Kartoffeln jedoch nicht durchsetzen.

Bild 3: Systematische Einordnung der Technik und der Verfahren zur Reduzierung von störenden Beimengen, insbesondere Kluten und Steine, beim Anbau von Kartoffeln

Figure 3: Systematic approach to describe the available technology and procedures for the separation of cluds and stones in potato production

Die Trennung im Strömungsverfahren mit dem Medium Luft wurde bereits im letzten Beitrag dieser Reihe [4] beschrieben. Zwischenzeitlich wurde die Technik des so genannten "AirSep" weiterentwickelt und auch das Einsatzspektrum erweitert. Damit steht die beschriebene Technik sowohl für den mobilen Einsatz auf Erntemaschinen als auch im quasi-stationären Einsatz der Einlagerungstechnik am Feldrand / an der Lagerhalle zur Verfügung. Bild 4 zeigt schematisch den Trennvorgang.

Bild 4: Funktionsprinzip des pneumatischen Trenngerätes "AirSep" (verändert nach [9])

Figure 4: Principle of the pneumatic separator "AirSep" (modified [9])

Der gemeinsame Produkt- und Beimengenstrom wird von links zugeführt und von unten mit Luft durchströmt. Auf einem oszillierenden, perforierten Förderboden werden die Kartoffeln im Luftstrom zum nachfolgenden Siebband im Bild 4 nach rechts "angehoben", während Steine und Kluten absinken und so abgetrennt werden. Ein nicht zu unterschätzender Ne-beneffekt ist, dass leichtes Restkraut nach oben weggeblasen wird. Dies hat insbesondere in Getreide-Mais-Kartoffel-Fruchtfolgen erhebliche Vorteile, um unerwünschte Pflanzenreste (z.B. Maisstengel, Maisspindeln, siehe Bild 4 auf dem oberen rechten Siebband) abzutrennen. So wird sichergestellt, dass sie nicht versehentlich in die nachfolgende Verarbeitungskette (Pommes-Frites etc.) gelangen.

Die Hersteller von Kartoffelerntetechnik streben danach, Trenn- und Reinigungsaggregate modular kombinieren zu können, um regionalen Ansprüchen des Anbaus und der Vermark-tung - bei gleichem Grundkonzept der Maschine - besser Rechnung tragen zu können. Es ist offensichtlich, dass die Wirkung der Trenngeräte von der "Wirkfläche" (z.B. Größe/Fläche des Siebbandes) und von der "Wirkintensität" abhängig ist. Letztere wird dabei maßgeblich vom eingesetzten Material (z.B. Stahl, Polyurethan, Gummi) und der Passage-Geschwindig¬keit des Produktstroms beeinflusst. Bei allen derzeit üblichen, mechanischen Trenngeräten hat die Antriebsdrehzahl damit eine besondere Bedeutung.

Um den Ansprüchen an die Variabilität der Drehzahl gerecht zu werden, wurde erstmals in einer gezogenen Erntemaschine ein hydromechanisches Variogetriebe in das Antriebskon-zept integriert [3]. Diese Getriebebauart, die bisher vor allem aus dem Traktorenbau bekannt ist, vereint die Vorteile mechanischer und hydraulischer Antriebskonzepte und verbessert so die Effizienz der Leistungsübertragung in der Maschine. Bild 5 zeigt exemplarisch den An-triebsstrang eines gezogenen, 2-reihigen Kartoffelvollernters. Mit der neuen Getriebebauart wird es erstmalig möglich, die Geschwindigkeit der Siebbänder bei mechanischem Basisan-trieb stufenlos den jeweiligen Rodebedingungen anzupassen und bei Verstopfungen per Knopfdruck sogar zu reversieren.

Bild 5: Schematische Darstellung des Antriebsstranges am Beispiel eines 2-reihigen Kartoffelvollern-ters, mit exemplarischen Einbauort des Variogetriebes [3]

Figure 5: Schematic view of the power-train of a trailed potato harvester [3]

Weiterentwicklungen bei Überladefahrzeugen mit zusätzlicher Reinigungseinrichtung

Entsprechend der einordnenden Übersicht in Bild 3, in der Trennverfahren vor dem Legen und bei der Ernte beschrieben wurden, soll nachfolgend auch auf jüngere Entwicklungen bei Überladefahrzeugen eingegangen werden.

Überladefahrzeuge steigern die Leistungsfähigkeit der Erntemaschine, indem sie die geern-tete Ware während des Rodens aufnehmen, ohne dass die Erntemaschine dazu anhalten muss. In der Regel haben diese Transportfahrzeuge eine besonders bodenschonende Berei-fung. Der Transport der Ware erfolgt bis zum Feldrand und wird dort auf ein weiteres Fahr-zeug mit üblicher Straßenbereifung übergeben.

In den vergangenen Jahren wurden mehrfach neu entwickelte Überladewagen mit Technik für die zusätzliche Erdabreinigung vorgestellt. Maßgeblich für diese Entwicklung sind folgende Gründe:

• potentielle Steigerung der Ernteleistung, da zusätzliche Reinigungskapazität (nach dem Roden) generiert wird

• Reduzierung des Abtrags von fruchtbarem Boden

• Reduzierung der Transportkosten, da verfügbares Transportvolumen nicht für die Er-de, sondern für die Kartoffeln genutzt wird

• monetäre Abzüge bei Anlieferung von stark verschmutzten Kartoffeln an die verarbei-tende Industrie

Derzeit stehen am Markt verschiedene Bauarten von Überladenwagen zur Verfügung. So werden Fahrzeuge mit seitlicher Entladung oder mit Heck-Entladung angeboten.

Seitlich entladende Fahrzeuge sind sehr flexibel in verschiedenen Verfahrensketten mit Überladerodern und Bunkerrodern einsetzbar. Bei Überladerodern dienen sie als mobiler "Pufferbunker", der Non-Stopp auf ein weiteres Transportfahrzeug überlädt. In Kombination mit Bunkerrodern übernehmen sie direkt die Transportarbeit zum Feldrand.

Rückwärts entladende Überladefahrzeuge müssen dagegen zum Entleeren rückwärts ran-giert werden und anhalten. Dieser zusätzliche Zeitaufwand schränkt den Einsatz in vielen Verfahrensketten ein. Bild 6 zeigt exemplarisch 2 Beispiele für Überladefahrzeuge mit seitli-cher (A) und rückwärtiger Überladetechnik (B) und unterschiedlichen, bodenschonenden Fahrwerken.

Bild 6: Vergleichende Darstellung von Überladewagen mit seitlicher Entladung vorn (A) bzw. hinten, sowie rückwärtiger Entladung (B)

Figure 6: Comparison of different types of transfer trailers with sidely discharge in the front (A), in the back or discharge at the rear side of the trailer (B)

Feldverladestationen

Eine technische Alternative zu den dargestellten Transportfahrzeugen stellen quasistationäre Aufbereitungsanlagen, so genannte Kartoffel-Feldverladestationen, dar. Im Vergleich zu den Transportfahrzeugen mit Reinigungseinheit sind sie für deutlich höhere Verladeleistungen konzipiert. Die Anlagen werden in der Regel elektrisch betrieben und benötigen deshalb ein mobiles Stromaggregat, das zusammen mit der Maschine am Feldrand aufgestellt wird. Am Eingang der Aufbereitungslinie steht üblicherweise ein groß dimensionierter Pufferbunker, in den die Überladefahrzeuge vom Acker zügig entladen. Danach erfolgt eine Aufbereitung der Rohware mit entsprechender Reinigung und gegebenenfalls auch mit zusätzlicher Kalibrie-rung. Bild 7 zeigt schematisch den Aufbau einer solchen Anlage nach amerikanischer Bau-art. In der Praxis wird diese Anlage um einen Pufferbunker an der Aufgabeseite (links) und ein Übergabeband zum Straßenfahrzeug (rechts) ergänzt.

Bild 7: Schematische Darstellung einer quasi-stationären Aufbereitungsanlage amerikanischer Bauart mit integrierter Beimengentrennung nach dem Luft-Strömungs-Prinzip ("AirSep", blaue Pfeile) [8]

Figure 4: Schematic drawing of a mobile separator/eliminator, including an "AirSep" [8]

Elektronikeinsatz und "Big Data"

Moderne, leistungsstarke Kartoffeltechnik ist ohne den Einsatz von Elektronik nicht mehr vorstellbar. Im letzten Beitrag wurde bereits darauf eingegangen, wie die Sensorik der ange-bauten/angehängten Maschine dabei immer stärker mit den Regelmechanismen des Traktors vernetzt wird [4]. Exemplarisch wurden verschiedene funktionelle Anwendungen für ef-fektives Traktor-Implement-Management (TIM) vom Legen der Kartoffeln bis zur Ernte vor-gestellt. Die beschriebenen technischen Entwicklungen wurden im Berichtszeitraum weiter-entwickelt, wobei vor allem sicherheitstechnische Aspekte der Kommunikation zwischen Traktor und Maschine im Vordergrund standen.

Die Praxis zeigt, dass vom Menschen gesteuerte Erntegespanne vorwiegend defensiv be-trieben werden, um mögliche Verstopfungen der Trennorgane und damit Stillstandzeiten präventiv zu vermeiden. Elektronisch geregelte Gespanne werden zum "modularen Selbst-fahrer". Sie nutzen die verfügbaren technischen Leistungsreserven besser aus und können so ohne großen Aufwand zu einer deutlichen Leistungssteigerung während der Erntesaison beitragen. Es ist zu erwarten, dass mit der Weiterentwicklung elektronisch geregelter, stufen-loser Antriebssysteme (vgl. VarioDrive) ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Ernteleistung bei gleichzeitiger Produktschonung realisiert werden kann.

Big Data in der Kartoffelproduktion

Der Begriff "Big Data" wird allgemein mit einer eher unstrukturierten Datenflut assoziiert. Für den weltweiten Anbau von Kartoffeln ist Big Data eine technische Herausforderung mit vielen Chancen, wenn es gelingt, die verfügbaren Daten besser zu analysieren. Schon heute er-wartet die verarbeitende Industrie eine gute Dokumentation der gesamten Produktionskette. Diese wird derzeit in der Regel mit einem hohen personellen Aufwand realisiert. Praxisstudien zeigen, dass auf vielen Ebenen bereits technische Lösungen für eine automatisierte Datenerfassung zur Verfügung stehen [4]. Die erhobenen Daten zukünftig stärker gezielt zu vernetzten und dabei dem Datenschutz Rechnung zu tragen, wird eine zentrale Herausforde-rung. Für den Kartoffelanbau fehlt es außerdem noch an Softwarelösungen, die eine langfris-tige Analyse ermöglichen, die sich nicht nur auf eine Vegetationsperiode, sondern auf min-destens eine komplette Fruchtfolge beziehen. Dabei ist hierbei zu beachten, dass der Anbau von Kartoffeln häufig auch auf Pacht- und Tauschflächen erfolgt, so dass dem Anbauer häu-fig nur lückenhafte Daten zur Verfügung stehen.

Zusammenfassung

Von den zahlreichen Neu- und Weiterentwicklungen im Bereich der Kartoffeltechnik geht der vorliegende Beitrag zunächst besonders auf die erosionsmindernden Maßnahmen beim Legen von Kartoffeln ein. Danach werden kombinierte Arbeitsverfahren beim Legen von Kartoffeln erörtert wobei die Applikationstechnik für Pflanzenschutzmittel im Mittelpunkt steht. Nachfolgend werden technische und verfahrenstechnische Alternativen zur Reduzierung störender Beimengen vorgestellt. Dabei wird ein Schwerpunkt auf das neu entwickelte AirSep und seine Anwendungsbereiche bei und nach der Ernte gelegt. Abschließend geht der Beitrag kurz auf Weiterentwicklungen im Bereich der Elektronik ein und leitet notwendige Konsequenzen für ein überbetriebliches Datennutzungsmodell in der Produktionskette des Kartoffelanbaus ab.

Literatur

[ 1] Diouf, J. [2008]: International year of the potato 2008. New light on a hidden treasure. An end-of-year review, FAO, Rome 2008.

(URL http://www.fao.org/potato-2008/pdf/IYPbook-en.pdf)

[ 2] Grimme [2015] Pressemitteilung zu Fassanlagen für Kartoffellegemenschinen.

URL http://www.grimme.com/de/news/beizen-von-kartoffeln-erste-anlage-mit-zulassung.152.html - Aktualisierungsdatum: September 2015.

[ 3] Grimme [2015] Pressemitteilung zum VarioDrive Antriebskonzept. URL http://www.grimme.com/de/news/neuheit-mit-variodrive-stufenlos-roden.265.html -

Aktualisierungsdatum: September 2015.

[ 4] Klindtworth, M. und Sonnen, J. [2013]: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, L. (Hrsg.): Jahr-buch Agrartechnik 2013. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahr-zeuge, 2014. S. 1-8.

[ 5] Nitsch, A. [2006]: ROWADEST - Ein neues Ernteverfahren für Kartoffeln.

In: Landpost, Ausgabe 09.12.2006, S. 48.

(URL http://www.lksh.de/fileadmin/user_upload/Presse/BB_4906_09.12.2006/48-48_Nitsch1.pdf)

[ 6] Peters, R. [2015]: Trends bei der Kartoffeltechnik. In: Kartoffelbau Heft 11/2015 (66. Jg), S. 8-11.

[ 7] Sonnen, J. und Klindtworth, M. [2014]: Assistenzsysteme in der Kartoffelproduktion. In: Kartoffelbau Heft 1&2 / 2014 (65 Jg.), S. 52 – 56.

[ 8] Spudnik [2015]: Produktinformationen zum 991 AirSep Eliminator. URL http://www.spudnik.com/products.php - Aktualisierungsdatum: 29.01.2016

[ 9] Wulf, B. [2005]: Beetseparierung im Kartoffelbau. KTBL-Schrift 434. Hrsg.: Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) Darmstadt.

ISBN 3-7843-2181-X.

 

Bibliografische Angaben / Bibliographic Information

Empfohlene Zitierweise / Recommended Form of Citation

Klindtworth, Michael: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2015. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2016. – S. 1-12

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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00055125

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http://www.jahrbuch-agrartechnik.de/index.php/artikelansicht/items/253.html

Empfohlene Zitierweise:
Klindtworth, Michael: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2015. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2016. – S. 1-12

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