Beitrag in Jahrbuch 2018

Digitalisierung und Automatisierung Digitalisierung und Vernetzung

Kurzfassung:

Digitalisierung und Vernetzung sind längst auch in Landwirtschaft und Landtechnik angekommen. An dem Themenpaket, das sich in der Agrarbranche Farming 4.0 nennt, geht kein Weg mehr vorbei, denn nur durch immer intelligentere Maschinen, Verfahren und Prozesse lassen sich die aktuellen und künftigen Herausforderungen in Landwirtschaft und Landtechnik lösen. Es wird in diesem Beitrag der aktuelle Sachstand beschrieben, auf Herausforderungen hingewiesen und Lösungsvorschläge aufgezeigt.

Volltext

Der Fortschritt der Digitalisierung

Technische Entwicklungen müssen sich immer der Frage nach ihrem Zusatznutzen gegenüber vorhandener Technik stellen. Reine Modellpflege, die lediglich ästhetische Ansprüche bedient und keinen echten Mehrwert bietet, ist in der Agrartechnik kaum anzutreffen. Hinzu kommen Veränderungen von außen, wie die drastische Verteuerung von Energie, die eine zunächst für gut befundene neue Maschine oder Technologie obsolet werden lassen. Für diese Erkenntnis genügt dann oft eine einfache Dreisatzrechnung, wie sie sich zum Beispiel beim Thema Getreidetrocknung fast jedes Jahr neu stellt.

Ein Praxistest begleitet alle technischen Entwicklungen seit der Erfindung des Faustkeils und lässt sich an den vier Schritten, in denen sich die industrielle Entwicklung auch in der Agrartechnik vollzogen hat, aufzeigen. Der Mechanisierung durch Dampfmaschinen, zunächst stationär und wenig später mobil, folgte die Elektrifizierung und parallel die Entwicklung leistungsfähiger Verbrennungsmotoren. Dritter Schritt war die Digitalisierung von Prozessen. Aktuelle Entwicklungen, mit Industrie 4.0 bezeichnet, zielen meist auf das Thema Vernetzung ab. Begriffe wie Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik wären ohne Vernetzung nicht, oder zumindest nur eingeschränkt, umsetzbar.

Licht und Schatten der globalen Vernetzung werden jeden Tag erneut sichtbar, denn Vernetzung heißt Datenaustausch. Daten werden mittlerweile gehandelt wie ein Erntegut, als alternative Währung geschürft, von Kriminellen gehackt, gemailt und auf Social-Media-Kanälen verbreitet. Und allzu oft wird dabei informationstechnische Kompetenz mit der Fähigkeit, ein Smartphone zu bedienen, verwechselt. Unternehmen wie Google, Facebook, Microsoft und Amazon verfügen über eine nahezu globale Marktmacht, die allein auf vernetzten Daten basiert.

Dabei ist die Nutzung von Massendaten keineswegs immer schlecht: Wenn Informationen über einen Schädlingsbefall mit Wetterdaten wie Windrichtung und Feuchte kombiniert und anonymisiert in einem Google Maps Ableger weitergegeben werden, kann das helfen, die Ausbreitung von Schädlingen zu verhindern, bzw. sich auf einen möglichen Befall vorzubereiten. Telemetrie- und weitere Sensordaten einer Landmaschine, die automatisiert an den Hersteller gesendet werden, ermöglichen vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), bevor größere Schäden auftreten.

Doch nicht jeder Maschinenbesitzer möchte, dass ihm bei der Arbeit ständig jemand über die Schulter schaut. Deshalb ist in jedem Fall zu klären, welche Daten an wen zu welchem Zweck übertragen werden und auf welchen Kanälen dies geschieht.

Immer mehr Daten, immer bessere Daten

Nicht nur die Gesamtleistung von Landmaschinen, auch die von ihnen produzierte Datenmenge und -qualität wird zunehmen. Neue Sensoren, die zum Beispiel zur Bestands- oder Bodenanalyse in die Traktorfront eingebaut werden, liefern Datenpakete, die im Ackerbau Prozessverbesserungen und Automatisierungsvorgänge ermöglichen. Diese Daten können später im Rahmen des betrieblichen Wissensmanagements weiter verwertet werden.

Diese Entwicklungen sorgen auch für Veränderungen bei den einschlägigen Verbänden. Alle Akteure arbeiten daran, den Leistungskatalog des jeweiligen Verbands in Richtung Farming 4.0 anzupassen und neue Beratungs- und Schulungskompetenzen anzubieten. Besonders im landwirtschaftlichen Dienstleistungsbereich erzwingen Digitalisierung und Vernetzung neue bzw. weiterentwickelte Geschäftsmodelle in Form innovativer und umfassender Leistungsangebote.

Nationale Regeln für internationalen Datenverkehr?

Politik und Wissenschaft tun sich schwer, diese Situation zu durchdringen und regulierend zu wirken. Hinzu kommt, dass es nationalen Jurisdiktionen in einem globalen Datenmarkt oft an der nötigen Durchsetzungskraft fehlt. Gleichzeitig fordert das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung die gesamte Landtechnikindustrie auf, die Daten von Maschinen für die Endkunden herstellerübergreifend nutzbar zu machen, auch um den Dokumentationspflichten weitestgehend automatisiert nachzukommen sowie Optimierungspotenziale zu erkennen [1]. Die Lebensmittelindustrie hat großes Interesse an Daten über Herkunft und Produktionsbedingungen der von ihr verarbeiteten Rohstoffe und verpflichtet ihre Lieferanten dazu, diese Daten bereit zu stellen. Verbraucher orientieren sich bei ihrer Kaufentscheidung zumindest teilweise an solchen Angaben.

Ganz analog: der Klimawandel

Jenseits aller technischen Innovationen durch Digitalisierung und Vernetzung ergeben sich für Landwirtschaft und Landtechnik zusätzliche Herausforderungen durch den Klimawandel. Das Jahr 2018 war möglicherweise nur ein Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen. Seit Beginn der wissenschaftlich fundierten Wetteraufzeichnung ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren die bei globaler Betrachtung 20 wärmsten Jahre in den vergangenen 22 Jahren zu vermelden.

Dennoch sind massive Steigerungen in der globalen landwirtschaftlichen Produktion und höhere Effizienz in den dazugehörigen Prozessen angesichts einer rapide wachsenden Weltbevölkerung das Maß der Dinge. Das setzt den erfolgreichen Umgang mit den Folgen des Klimawandels voraus. Agrar- und Forstwissenschaft sind sich darüber einig, dass vor allem Mischkulturen im Ackerbau als auch in der Fortwirtschaft die nötige Robustheit besitzen, mit den klimatischen Herausforderungen der Zukunft besser zurecht zu kommen [2]. Das mag eine Richtung vorgeben.

Gleichzeitig kommen vermeintlich überholte Techniken und Prozesse in digitalisierter Form wieder zum Einsatz. Ein Beispiel ist die Unkrautbekämpfung. Wegen Resistenzen und vermehrt fehlender Pflanzenschutzmittel rücken Verfahren zur mechanischen oder auch seit neustem zur elektrischen Bekämpfung (siehe Bild 1) auch in der konventionellen Landwirtschaft wieder in den Vordergrund. Ein Beispiel: Mit der Umwandlung von mechanischer Energie in elektrische kann das NovelXPower System mithilfe eines sensor- und/oder kamerabasierten Führungssystems, das über den ISOBUS kommuniziert, eine Hochspannung mit den Applikatoren im Frontanbau des Traktors auf Unkrautblätter übertragen, die höher als der umgebende Kulturpflanzenbestand sind; so Case IH in seiner Pressemitteilung im Rahmen der Medaillenvergabe der SIMA 2019 [3]. Entgegen der mechanischen Unkrautbekämpfung werden beim Einsatz des NovelXPower Systems keine Unkrautsamen mit dem Boden in Kontakt gebracht. So kann das System eine nachhaltige Unkrautkontrolle gewährleisten. Während der Applikation kann es die Oberflächenfeuchtigkeit der Blätter erfassen und somit auch als Sensor fungieren.

Bild 1: NovelXPower System von Case IH / Elektrische Unkrautbekämpfung [3]

Figure 1: NovelXPower System from Case IH / Electric weed control [3]

 

Hackmaschinen in Front- und Heckanbau des Traktors können dank moderner Sensor-Aktor-Systeme nicht nur zwischen den Reihen, sondern auch zwischen den Pflanzen in einer Reihe die Unkräuter von den Nutzpflanzen unterscheiden und das Unkraut entfernen. Im nächsten Schritt wird diese Aufgabe durch autonom fahrende Hackmaschinen, die mit Hilfe vorhandener Routemaps (erzeugt während der Aussaat) geleitet werden, verrichtet. Neben Routemaps und Applikationskarten, die im Vorfeld der Arbeit auf dem Feld nach unterschiedlichsten Gesichtspunkten erstellt werden, erlauben neuartige Sensoren im Frontanbau von Traktoren (siehe Bild 2) die ortsspezifische Erfassung von Bodenparametern, die dann on the fly für die variable Ansteuerung von Anbaugeräten sowie für die Analyse der Bodenstruktur für Folgeprozesse genutzt werden können.

Bild 2: SoilXplorer im Frontanbau zur Tiefensteuerung des Anbaugerätes [4]

Figure 2: SoilXplorer front mounted for depth control of the implement [4]

 

Welche Möglichkeiten des Einsatzes von autonom agierenden Maschinen sich durch moderne Kommunikationssysteme (infield oder via Mobilfunk) auch im Rahmen von Schwarmintelligenz ergeben, wird derzeit in Feldversuchen erprobt [5; 6]. Neue Maschinengenerationen in Form von Agrarrobotern werden die Landtechnik verändern, auch durch neue Betreibermodelle, denn diese Maschinen werden sich für einen einzelnen, durchschnittlich großen Betrieb zunächst nicht rechnen. Lohnunternehmer und Maschinenringe, die komplette Dienstleistungspakete inklusive aller relevanten Daten anbieten, können damit ihre Märkte neu definieren.

Konkrete Entwicklungsschritte

Die Agrartechnik ist dabei, die Entwicklungsschritte von Industrie 1.0 bis 4.0, in der Landwirtschaft als Farming 4.0 bezeichnet, zu vollziehen. Oft war sie anderen Industriezweigen voraus, vor allem bei Standardisierungsthemen. Das lange diskutierte Traktor Implement Management TIM hat die ersten Gehversuche lange hinter sich und befindet sich aktuell so langsam in der Etablierungsphase. Weitere Digitalisierung und Vernetzung haben längst Einzug in die Branche gehalten. Fast alle Landtechnikhersteller bestätigen, dass sich bei Neuentwicklungen die Bedeutung seit Jahren in Richtung Software verlagert. Die Intelligenz der einzelnen Maschine und ihre Fähigkeit, in Netzwerken zu kooperieren und zu kommunizieren, gewinnen an Bedeutung. Viele Hersteller bieten Plattformen für die Kommunikation der von ihnen produzierten Maschinen mit der vernetzten Welt an.

Die aktuellen Entwicklungen bestätigen quasi das Darwin’sche Gesetz vom Überleben des Fähigeren (survival of the fittest), meist falsch mit „Überleben des Stärkeren“ übersetzt. Höhere PS-Zahlen sind für die Kundenidentifikation mit der Marke gut, wirklich notwendig sind sie heute kaum. Auch die Größe der Landmaschinen stößt schon lange an die Grenze der Straßenverkehrsordnungen, zumindest in Europa.

Moderne Landtechnik muss nicht nur Maschinen und Software bereitstellen, die nachweislich den Nutzen der Anwender mehren, sie muss auch die Risiken und Hürden auf dem Weg zu Farming 4.0 berücksichtigen und Lösungen anbieten. Die Kernfragen dabei lauten: Wie gehe ich mit der Datenflut um, die intelligente Maschinen, Farm-Management-Software und ggf. Dienstleister und/oder Kunden produzieren? Welchen Nutzen kann ich daraus ziehen und wie gehe ich dazu vor? Wie schütze ich meine Daten vor Missbrauch?

Die Antwort auf die erste Frage ergibt sich schon bei der Auswahl neuer Maschinen und Computerprogramme. Die Hersteller agrartechnischer Hard- und Software bieten neue Features an und sind nur allzu gern bereit, deren Nutzen zu erläutern und den Umgang mit den generierten oder empfangenen Daten auch praktisch zu demonstrieren. Zwei Hürden sind dabei zu überwinden.

Zum einen geht es um die Datenübertragung. Die Wortgefechte um den neuen 5G Mobilfunkstandard an jeder Milchkanne sind müßig, da auch die fünfte Generation die Physik nicht aushebeln kann und weiterhin gilt, dass höhere Frequenzen mehr Bandbreite ermöglichen, aber geringere Reichweiten haben. Es geht deshalb nicht um technische Machbarkeit, sondern um unverhältnismäßige Aufwände für eine vollständige 5G-Versorgung in der Fläche. Der Streit um den 5G Mobilfunkstandard wirkt ohnehin abgehoben, solange weder 4G noch 3G wirklich flächendeckend funktionieren und Deutschland bei diesen Netzen im Versorgungsgrad hinter Albanien liegt. Selbst der technisch überholte 3G Standard wäre jedoch für die meisten Datenübertragungsanforderungen in der landwirtschaftlichen Außenwirtschaft ausreichend.

Kommunikations-Standardprotokolle wie ISOBUS existieren seit vielen Jahren und verbinden Traktor und Anbaugerät. Für neue Methoden wie kombinierte Ausbringverfahren müssen allerdings neue Standards innerhalb der ISOBUS Norm 11783 definiert werden.

Mit ISOXML gelingt übergreifender Datenaustausch. Physikalische Kommunikationskanäle werden an höhere Datenstrom-Geschwindigkeiten und -mengen sowie örtliche Notwendigkeiten angepasst – Highspeed ISOBUS via Ethernet oder Wireless Infield Communication [7] sind hier die Stichworte innerhalb der AEF Arbeitsgruppen. Europaweit nehmen die AgGateway Aktivitäten langsam Fahrt auf. Besonders das ADAPT Datenmodell, das einen Großteil des ISOXML Standards umfasst und Platz für mehr bietet, ist ein vielversprechender und zudem globaler Ansatz (ADAPT = Agricultural Data Application Programming Toolkit) [8].

Zum anderen stellt sich die Frage nach Kompatibilität der Daten jenseits einer ISOBUS-Norm. Herstellerunabhängige Datenaustauschplattformen können dieses Problem lösen. Wenn sich immer mehr Produzenten dafür öffnen und deren Systeme zumindest parallel zu existierenden proprietären Lösungen bedienen, ist dies ein wichtiger Baustein für Farming 4.0. Solche Quasi-Standards für Kommunikationswege kommen derzeit auf den Markt.

Bild 3: DKE-Data agrirouter Applikation – Startbildschirm

Figure 3: DKE-Data agrirouter Application – Dashboard

 

Der in Deutschland entwickelte agrirouter (siehe Bild 3) ist ein herstellerübergreifender Ansatz dafür. Die herstellerunabhängige und damit neutrale Datenaustauschplattform konnte ihre Funktionstüchtigkeit bereits bei verschiedenen Agrartechnik-Events 2018 sowohl auf dem Feld (z.B. agrirouter connect 17.-18.10.2018, siehe Bild 4) als auch in Showcases demonstrieren und steht im Februar 2019 jedem Landwirt und Lohnunternehmer zur freien Verfügung.

Bild 4: Gruppenfoto "agrirouter connect 2018" (17.-18.10.2018 im Freilichtmuseum am Kiekeberg) [9]

Figure 4: Group photo "agrirouter connect 2018" (17.-18.10.2018 in Freilichtmuseum am Kiekeberg) [9]

Die Zahl der das System unterstützenden Landtechnik- sowie Hard- und Software-Hersteller wächst stetig. Aktuell ist die DKE-Data mit mehr als 30 Partnern in Kontakt, von denen ein Großteil zum Go-Live bzw. kurz danach ihre Lösungen am Markt zum Anbinden an den agrirouter anbieten werden. Die DKE-Data als Betreiber garantiert, dass der agrirouter die Daten, die vom Nutzer versendet bzw. empfangen werden, wirklich nur transportiert und nirgendwo dauerhaft gespeichert werden.

Neben dem Datentransport stellt sich die Frage nach dem richtigen Weg bei der Datenhaltung. Wie soll ein Landwirt oder Lohnunternehmer mit seiner Datenernte umgehen? Wo und wie soll man die Daten speichern, damit sie bei Bedarf schnell verfügbar, mit Geschäftspartnern austauschbar und dennoch vor fremden Zugriffen geschützt sind? Wie kann man Maschinendaten unterschiedlicher Hersteller nutzen und Kompatibilitätsprobleme lösen? Welche Daten müssen dauerhaft gespeichert und welche können nach bestimmten Fristen gelöscht werden? Auf diese und viele weitere Fragen gibt das 3-jährige Forschungsprojekt Smarte Daten, Smarte Dienste (SDSD, siehe Bild 5) Antwort, das bis Mitte 2020 läuft. SDSD soll dafür sorgen, dass seine Nutzer ihre Daten nicht nur verwalten, sondern vielfältig nutzen können. Dabei geht es im Kern um Wissensmanagement für die Landwirtschaft.

Bild 5: SDSD Systemarchitektur [10]

Figure 5: SDSD System architecture [10]

Wissensmanagement für die Landwirtschaft

Wissen kann man als das Produkt aus Information und Erfahrung definieren. Die Verfügbarkeit von Wissen spielt in moderner Landwirtschaft eine immer wichtigere Rolle. Neue, intelligente Datenmanagementsysteme müssen deshalb auch als Werkzeug für Wissensmanagement funktionieren. Ein Landwirt kann damit zum Beispiel zukünftig aus seinen Ertragskarten der vorangegangen Jahre Ertragspotentialkarten für seine Felder durch einen Dienst ermitteln lassen. So wird neues Wissen aus bestehenden Informationen generiert und über die Jahre hinweg durchgehend vergrößert.

Bei dem in der Landwirtschaft üblichen singulären Versuch pro Jahr unter sich permanent ändernden Randbedingungen wird Wissensmanagement helfen, auf Basis von über Jahre selbst generierter Daten immer wieder neue und bessere Empfehlungen für anstehende Aufgaben in der Außenwirtschaft und damit Regelkreise zu entwickeln.

Im Gegensatz dazu sind in der Innenwirtschaft Regelkreise seit langem üblich. Melk- und/oder Fütterungsroboter helfen bei der Einhaltung eines Regelkreises. Weitere Sensoren wie Kameras oder Bewegungsmelder generieren zusätzliche Daten über das Verhalten der Tiere. Mit entsprechender Software lassen sich aus diesen Daten Auffälligkeiten mit Bezug auf das Tierwohl und z. B. die Milchleistung frühzeitig feststellen.

In der landwirtschaftlichen Außen- und Innenwirtschaft sind die Entwicklungen der damit verbundenen Industrie anderen Branchen voraus. Ein Blick auf die Baumaschinenbranche, die der Landtechnik sehr nahe ist, macht das klar: Das Feld der Baumaschinen ist die Baustelle. Auch dort bieten alle großen Hersteller Telemetrie- und andere sensorgestützte Systeme für ihre Maschinen an. Allerdings sind diese Angebote durchgehend proprietär und damit immer nur mit Produkten der eigenen Marke kompatibel. Die Entwicklung einer herstellerneutralen Datenaustauschplattform existiert in der Baumaschinenbranche bisher lediglich als Idee. Dabei ist die Zusammensetzung der Maschinen auf großen Baustellen meist sehr gemischt. Häufig spielen gemietete Maschinen bzw. Dienstleister eine große Rolle. Die Koordination der Abläufe erfolgt aber weiterhin über konventionelle Wege bis hin zum handgeschriebenen Zettel.

Evolution oder Disruption

Wenn das Unternehmen Bayer im Rahmen der Monsanto Übernahme aus kartellrechtlichen Gründen seine Digital Farming Sparte an die BASF veräußern muss und nicht nur Landtechnik-Produzenten, sondern auch immer mehr Hersteller von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und anderen Hilfsstoffen in die Software-Entwicklung investieren, markiert das massive Veränderungen im Agrarsektor, die allesamt durch Entwicklungen in der Informationstechnik angeschoben wurden. Dabei geht es nicht nur um technischen Fortschritt, sondern um Strukturveränderungen. Für den Agrarhandel stellt sich zum Beispiel die Frage, ob die o. g. Produzenten ihre Produkte künftig per App direkt an den Landwirt oder Lohnunternehmer vertreiben, dessen Legitimation ebenfalls online prüfen und welche Rolle bzw. Position der Agrarhandel selbst in Zukunft einnimmt.

Neben Handel, Industrie und Dienstleistungsbranche (Lohnunternehmer und Maschinenringe) arbeiten auch Politik und Verbände intensiv daran, ihre eigene Position innerhalb dieser datengetriebenen Entwicklung zu definieren. Wenn sich Agrardienstleister immer mehr darauf einstellen, in Zukunft nicht nur Einzelthemen in der Außenwirtschaft zu bearbeiten, sondern Gesamtpakete einschließlich vollständiger Dokumentation per weiter verarbeitbarem Datensatz anzubieten, sind die Verbände und ihnen angegliederte Dienstleistungs- und Schulungseinrichtungen gefordert, entsprechende Know-how-Transfers anzubieten. Ob die Absicht der Politik, eine nationale Agrarplattform zu den anstehenden Digitalisierungs- und Vernetzungsthemen zu schaffen, bei den potenziellen Nutzern ankommt, ist zumindest zu hinterfragen.

Fazit

Lösen lassen sich die aktuellen und künftigen Herausforderungen in Landwirtschaft und Landtechnik nur durch immer intelligentere Maschinen, Verfahren und Prozesse in jedem einzelnen Betrieb, sei es bäuerliche Wirtschaft, Lohnunternehmen oder Maschinenring. An dem Themenpaket, das sich hinter Farming 4.0 verbirgt, geht deshalb kein Weg mehr vorbei. Digitalisierung und Vernetzung sind für den einzelnen Landwirt oder Lohnunternehmer jedoch erst dann wirtschaftlich nutzbar, wenn die Hersteller daran gemeinsam arbeiten und Standards verabreden.

Literatur

[1]     Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Digitalisierung in der Landwirtschaft, Chancen nutzen - Risiken minimieren. URL – https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/DigitalpolitikLandwirtschaft.pdf?__blob=publicationFile - Zugriff am 18.03.2019.

[2]     Kröplin, T. und Schadwinkel, A.: Die Trockenheit nimmt kein Ende. Zeit online 27.11.2018. URL – https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-11/duerre-waelder-felder-fluesse-trockenheit - Zugriff am 18.03.2019.

[3]     Case IH: Innovatives System zur elektrischen Unkrautbekämpfung mit dem 2019 SIMA Innovation Award ausgezeichnet. Press Release, 21.12.2018. URL – https://www.caseih.com/emea/de-de/News/Pages/2018-12-21-.aspx - Zugriff am 14.03.2019.

[4]     STEYR Traktoren: STEYR SoilXplorer Bodensensor: Innovative Technik "vertieft" das Wissen der Landwirte über ihre Böden und steigert die Effizienz der Bodenbearbeitung. URL – https://www.steyr-traktoren.com/de-at/landwirtschaft/News-Site/Pages/2018-11-21-STEYR-SOILXPLORER.aspx - Zugriff am 07.01.2019.

[5]     FENDT: Projekt Xaver: Forschung im Bereich Agrarrobotik. Precision Farming weiter gedacht. URL – https://www.fendt.com/de/xaver.html - Zugriff am 14.03.2019.

[6]     Shamshiri, R. R.; Weltzien, C. und Balasundram, S. K.: Research and Development in Agricultural Robotics: A perspective of Digital Farming. 6th International Conference on Machine Control and Guidance, 1.-2. October 2018, Technische Universität Berlin.

[7]     Autermann, L.: M2M communication for agrarian Use Cases. 2. Internationale VDI-Fachkonferenz „Smart Farming“, 10./11.04.2018 Düsseldorf.

[8]     Danford, D. et al.: Global Farm Data Interoperability. 2. Internationale VDI-Fachkonferenz „Smart Farming“, 10./11.04.2018 Düsseldorf.

[9]     DKE-Data: agrirouter connect 2018. URL – https://my-agrirouter.com/news/archiv/lesen/news/detail/News/agrirouter-connect-2018/ - Zugriff am 14.03.2019.

[10]   N.N.: SDSD - Smarte Daten, Smarte Dienste. Forschungsprojekt, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Laufzeit 20.06.2017-19.06.2020. Zwischenreview am 12.12.2018 im DFKI Kaiserslautern (unveröffentlicht).

Autorendaten

Dr. rer. agr. Johannes Sonnen arbeitet bei der DKE-Data GmbH & Co. KG in Osnabrück.

Empfohlene Zitierweise:
Sonnen, Johannes: Digitalisierung und Vernetzung. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2018. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2019. – S. 1-11

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